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Für immer jung bedeutet Krebs

Jack Griffith ist ein Mann des Mikroskops. Nackte DNA hat er unter dem Elektronenmikroskop sichtbar gemacht. Seine Bilder haben geholfen das große Rätsel der Lebensuhr an den Chromosomenenden zu knacken. 10 000 Bausteine befinden sich dort, die immer wieder aus denselben sechs Buchstaben bestehen: TTA GGG, TTA GGG, zwei bis dreitausend Mal dieselbe Sequenz. Doch mit jeder Teilung der Zelle wird der Abschnitt kürzer. Wenn von den 10 000 nur noch etwa 3000 Bausteine übrig sind, hat sich die Zelle 40 Mal geteilt und stirbt. Ihre Lebenszeit ist vorbei. Nur eine Rettung vor diesem Schicksal gibt es. Das Enzym Telomerase kann die Chromosomenenden wieder ergänzen. Es ist in den Keimzellen, in den Ei- und Spermienvorläufern aktiv. In normalen Körperzellen schlummert die Telomerase dagegen tatenlos vor sich hin und das, sagt Jack Griffith, ist auch gut so:

    Meiner Ansicht nach verwandeln sich in unserem Körper ständig Zellen in Krebszellen, bei Ihnen: 20 000 Zellen, in diesem Augenblick. Aber dann teilen sie sich nur 40 mal, stoßen an diese Grenze und sterben. Nur in den seltenen Fällen, wo eine dieser Zellen entkommt und das Telomerase-Enzym anschaltet, erreicht sie mehr als die 40. Teilung und wird ein wachsender Krebs.

    Die Verkürzung der Telomere ist aus Sicht des Krebsforschers von der Universität von North Carolina also eine Sicherheits-Einrichtung der Zellen. Es hat einmal Ideen gegeben, die Telomerase als lebensverlängerndes Medikament zu verwenden, das die Lebensuhr der Zellen zurückstellt indem es die Chromosomenenden verlängert. Doch Griffith winkt ab:

    Schwer abzusehen, was man damit anstellen würde. Man könnte natürlich versuchen, so alle Körperzellen unsterblich zu machen. Aber damit würde man die Person in eine Blase voller Krebs verwandeln.

    Medikamente, die die Telomerase blockieren, müßten einen Krebs dagegen nach spätestens 40 Teilungen stoppen. Die Pharma-Industrie arbeitet daran. Aber möglicherweise gibt es noch raffiniertere Wege, die Uhr einer Krebszelle anzuhalten. Und da kommen Jack Griffith und seine Chromosomenbilder wieder ins Spiel. Griffith konnte vor zwei Jahren Aufnahmen machen, auf denen sich die DNA der Telomere wie ein gedrillter Nylonfaden zu einer Schlaufe legt. Die Chromosomen stammten aus Mauszellen und aus Blutzellen des Forschers:

    Then my lab isolated chromosome ends directly from tissue culture mouse cells and my own blood sample, we could see the ends of chromosomes looped back into loops.

    Diese Struktur liefert nun einen wichtigen Hinweis auf den genaueren Mechanismus der Zelluhr. Offene Chromosomenenden würde das DNA Reparatur-Team jeder Zelle schnell für einen gebrochenen DNA-Strang halten und kitten wollen. Damit dies nicht geschieht, biegt sich die DNA der Telomere in einer Schlaufe nach hinten. Wie ein Lasso, sagt Griffith. Nun stelle man sich ein 10 Fuß langes Lasso vor, das bei jedem Wurf ein wenig kürzer wird:

    Nach etwa dem 30 Wurf sind dann nur noch 2 Fuß des Seils übrig. Und dieses Seil ist steif, genau wie DNA. Die zwei Fuß reichen nicht mehr aus, um eine runde Lassoschlaufe zu formen und so geht die Schlaufe auf. Das offene Ende stößt dann den ganzen Prozeß an, der schließlich zum Absterben der Zelle führt.

    Zur Zeit finden die Forscher immer mehr Enzyme, die an der Schlaufenbildung und dem späteren abschalten und töten der Zelle beteiligt sind. Eines davon, p53 kennen sie schon lange aus der Krebsforschung, hatten es aber nicht mit den Telomeren in Verbindung gebracht.

    Wir kennen inzwischen eine ganze Familie von Enzymen, die an dieser Lassoschleife arbeiten und wir haben keine Ahnung, welches davon das beste Ziel für ein Krebsmedikament wäre. Vielleicht ist es sogar die Telomerase selbst, aber ich glaube nicht.

    Jack Griffith jedenfalls wird weiter sein Lasso für die Grundlagenforschung schwingen und zuschauen, welchen Fang die Pharma-Industrie damit macht.

    von Grit Kienzlen