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Fußball-Fans haben die Macht übernommen

Ein Traditionsverein gibt sich ganz fortschrittlich: Der ehemalige Fußball-Zweitligist Fortuna Köln hat Anfang Februar das Projekt www.deinfussballclub.de. gestartet. Die insgesamt gut 11.000 Teilnehmern überweisen pro Jahr 39,95 Euro und dürfen dafür via Internet über die Geschicke des Klubs mitbestimmen.

Von Daniela Müllenborn | 24.05.2009
    "Wir begrüßen unsere Mannschaft, den SC Fortuna Köln."

    33. Spieltag in der NRW-Liga - der fünften Liga, wo der traditionsreiche ehemalige Zweitligist im Moment mitmischt.

    "Die Mannschaftsaufstellung des SC Fortuna Köln: wir spielen im Tor mit ... "

    Vor dem Anpfiff gegen Iserlohn schreitet Fortuna-Boss Klaus Ulonska die Ränge ab und begrüßt die Zuschauer, so wie bei jedem Heimspiel:

    "Guten Tag allerseits. Schön, dass Sie den Weg zur Fortuna gefunden haben, guten Tag allerseits, guten Tag, herzlich willkommen."

    Wenig später, als die Partie schon läuft, kommt er noch mal vorbei. Diesmal ausgerüstet mit einem Porzellan-Fußball, mit Geldschlitz. Der Chef sammelt Spenden - höchstpersönlich:

    "Ich bedanke mich der Herr, vielen Dank, so mein Freund, Danke."

    Die Fortuna braucht jeden Cent. Präsident Klaus Ulonska musste nach seinem Amtsantritt vor vier Jahren erst mal eine drohende Insolvenz abwenden. Die Idee eines Internet-Portals kam dem klammen Klub deshalb wie gerufen:

    "Um es klar zu sagen, wenn es deinfussballklub.de nicht gegeben hätte, wären wir in arge Bedrängnis gekommen."

    So aber haben die gut 11.000 stimmberechtigten Fans mit ihren Beiträgen rund 350.000 Euro in die Vereinskasse gespült. Kritiker merken an, dass der Verein die Geldgeber nicht in irgendeiner Form am Club oder einer möglichen Rendite beteiligt. Mitinitiator Dirk Daniel Stoeveke weißt allerdings darauf hin, dass in den allgemeinen Geschäftsbedingungen stehe, welche Rechte die Geldgeber hätten: Sie seien zwar nicht automatisch am Verein beteiligt, doch sie dürften mit entscheiden:

    "Das sind Entscheidungen jetzt ganz aktuell zu Prämien für das kommende Jahr, über Verpflichtungen der Spieler, über die Preise im Stadion, was das Bier kosten soll, also alle Entscheidungen, die tagtäglich in einem Klub getroffen werden, werden jetzt nicht mehr von den Klubverantwortlichen getroffen, sondern von den Managern von deinfussballclub.de."

    Per Mausklick können die User, die aus Deutschland, den USA, aus Neuseeland oder Singapur kommen, alles mitbestimmen. Also fast alles. Die Fortuna war von Anfang an so ehrlich, nicht zu versprechen, dass die Fans auch die Mannschaft aufstellen dürfen. Hier hat das letzte Wort noch immer Trainer Mathias Mink:

    "Ich denke schon, dass gerade die Trainer im sportlichen Bereich, schon die letztendliche Verantwortung haben sollten, dass da nicht großartig jemand reinreden sollte und so soll es auch hier sein."

    Allerdings tauscht sich Trainer Mink regelmäßig mit den Fans aus, hört sich Meinungen und Anregungen an. Via Internet. Mehrmals pro Woche. Auch noch kurz vor dem Anpfiff.

    "Er macht halt zwei Stunden vor dem Spiel noch mal ´nen Chat, stellt sein Konzept vor, was er vor hat, und wenn wir schlüssig erklären können, warum wir dieses und jenes so sehen, dann würde er das womöglich auch noch umsetzten."

    Was das Schicksal des Trainers selbst angeht, oder das der Spieler, haben dann die User wieder zu 100 Prozent das Sagen. Sie entscheiden, ob zum Beispiel Abwehrmann Andreas Moog auch in der kommenden Saison für die Fortuna spielt:

    "So die Fans das wollen, bin ich nächste Saison vielleicht dabei, ja. Ich denke mal, die Fans suchen sich schon die richtigen Leute aus. Gucken sich den ganz genau an, wissen, ob der zum Verein passt oder nicht, ob auch alles gegeben wird und von daher mache ich mir keine Sorgen."

    Für die einen ist Fortuna Köln eine Art reales Managerspiel geworden. Andere machen bei dem Internetportal mit, weil sie mit ihrem Mitgliedsbeitrag helfen wollen. Für sie ist der Kölner Südstadtklub halt eine Herzensangelegenheit:

    "Fortuna ist ein Traditionsklub."

    "Dass dieser Klub dadurch höher kommt, das haben wir sehr schön gefunden und deshalb sind wir auch fünf Leute hier, die heute Nachmittag sich das Spiel anschauen, deshalb sind wir hier."

    Fortuna Köln soll wieder in den bezahlten Fußball geführt werden. Dabei liegt die Macht zu großen Teilen bei den Fans. Und das ausgerechnet bei dem Klub, der mal der Prototyp des von einem autoritären Alleinherrscher geführten Profivereins war. Der 2003 verstorbene Vereinspatron Jean Löring hatte der Fortuna mit seinem Geld und seinem extravaganten Stil zu dem klangvollen Namen verholfen. Jetzt beschert das Internet-Projekt dem Klub wieder großes öffentliches Interesse. Und gut gefüllte Ränge, so wie beim Heimspiel gegen die Sportfreunde Siegen.

    "Also in Sachen Zuschauer hat die Aktion auf jeden Fall etwas gebracht, ich sag jetzt einfach mal Stichwort Siegen, 2000 Zuschauer für einen Fünfligisten, das muss man erst mal bringen."

    Den angepeilten Aufstieg in die Regionalliga kann die Fortuna in dieser Saison allerdings abhaken. Trotzdem hat Klubchef Klaus Ulonska nicht das Gefühl, dass wieder User abspringen könnten:

    "Das glaube ich nicht, denn wir werden uns ja jeden Tag mit den Usern unterhalten. Am kommenden Dienstag zum Beispiel werde ich wieder mit den Usern chatten, das war ein Wunsch der User, und ich glaube dass ich soviel Überzeugungskraft habe, die Leute bei der Stange zu halten und auch jeden bitten werde, er möchte noch einen User dazu mitbringen."