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Fußball
Korruption und extreme Schulden

Nur zwei Tage nach dem WM-Endspiel geht in Brasilien die Liga weiter. Allerdings sind viele Vereine hochverschuldet. Um die finanziellen Verhältnisse zu verbessern, will die Spielergewerkschaft ein Financial Fairplay einführen, ganz nach europäischem Vorbild, und zum Unmut der Klubs.

Von Jonas Reese |
    Ein Fußball liegt auf dem Rasen eines Stadions in Brasilien
    Direkt nach der WM startet Brasilien in den Liga-Alltag (dpa / Markus Brandt)
    Zum Beispiel Zé Roberto oder Dida oder Clarence Seedorf. Sie alle mussten monatelang auf ihren Gehaltsscheck warten. Die vertraglich vereinbarte Summe wurde einfach nicht überwiesen. Das geschieht dauernd hier, sagt Enrico Ambrogini von der Spielergewerkschaft Bom Senso F.C. Und das liegt vor allem daran dass die Vereine bis über beide Ohren verschuldet sind.
    "Zum Beispiel der Verein Flamengo Rio de Janeiro. Der bezahlt allein für die Zinsen der Schulden 50 Millionen Reais im Jahr. Die Verschuldung ist ein riesiges Problem hier und an dem wird sich nichts ändern, wenn wir nichts unternehmen."
    Und dafür soll Europa als Vorbild dienen. Das von der UEFA jüngst eingeführte, aber auch umstrittene Financial-Fair-Play. Danach dürfen Vereine nicht mehr ausgeben als sie einnehmen. Die Spielergewerkschaft in Brasilien will dazu eine Agentur schaffen, die alle Finanzströme kontrolliert und gegebenenfalls Vereine aus dem Wettbewerb ausschließen kann.
    "Unsere Idee ist, dass diese Agentur die Gehaltszahlungen kontrolliert, den Schuldenstand bei den Banken, die Vertrauenswürdigkeit der Spielervermittler, also alles wo Geld fließt im Fußball. Aber das ist eine sehr delikate Angelegenheit, weil der brasilianische Fußball sehr viel Geld bewegt, und manche Dinge sehr tief im Schatten ablaufen."
    Und das ist für Ambrogini auch der Grund dafür, warum nur wenige diese Idee befürworten. Zwar hat er vom Sprecher aller Erstligisten seine Unterstützung zugesagt bekommen, doch auf Anfrage des Deutschlandradios hörte sich das anders an. Dann bezeichnete Vilson Ribeiro de Andrade, Präsident von Curitiba FC, den Financial Fairplay Vorschlag schriftlich nur noch als eine "Aktion – exklusiv von den Spielern und nicht von den Clubs."
    Im Jahr 2012 hatten allein die 24 größten Vereine des Landes dreieinhalb Milliarden Euro Schulden. Fast das Doppelte wie vor sechs Jahren. Allein dem Staat schulden sie rund eine Milliarde Euro Steuernachzahlungen. Wenn sich nichts ändert, wird der Fußball sich selbst zerstören, meint Ambrogini von Bom Senso. Mit deren Vorschlag sollen die Vereine 25 Jahre Zeit erhalten, um die Schulden in Raten abzuzahlen.
    "Kurzfristig wird der Fußball hierzulande vielleicht an Niveau verlieren, wenn alle Vereine sich erstmal auf die gleiche finanzielle Basis sparen müssen, aber langfristig wird er sich verbessern. Das Niveau, die Qualität, damit die Vermarktungsmöglichkeiten. Nur dann können wir einen exzellenten Wettbewerb haben wie in Europa."
    Die Dringlichkeit einer Reform sehen aber neben den Klubs auch nicht die Verbände. Weder Südamerika-Verband Conmebol noch der brasilianische Nationalverband CBF hat auf eine Anfrage dieses Senders reagiert. Der Sportjournalist und Buchautor Rodrigo Viana erklärt das so:
    "Der Präsident der CBF wird durch die 23 Regionalverbände gewählt. Und wer wählt die Präsidenten der Regionalverbände? Die Vereinspräsidenten. Das erklärt doch alles. Wer setzt schon etwas gegen denjenigen um, der einen wählt? Viele Klubs wollen Financial Fairplay nicht, weil sie Angst haben, das zu verlieren, was sie unter der Hand verdienen können."
    Der Fußballverband CBF kümmert sich in erster Linie um die Vermarktung der Nationalmannschaft. Die brasilianische Liga führt er eher nebenbei. Auch er sei von Korruption durchzogen, sagt Journalist Viana.
    "Der CBF ist ein privates Unternehmen, insofern kann man die Korruption dort schlecht verfolgen. Er hat mit den Klubs Spender in Anführungsstrichen. Er ist nicht öffentlich und insofern hat kein Ministerium Zugriff auf diesen Verband."
    Auch Bom Senso FC hat bislang keine Antwort vom CBF erhalten. Da er privat ist, hat er ein Recht zu schweigen, sagt Enrico Ambrogini.
    "Das Problem ist, dass der CBF die Situation noch nicht verstanden hat. Es ist sehr schwierig mit ihm zu kommunizieren. Der CBF hat viel Macht, gegenüber den Verbänden und gegenüber den kleinen Vereinen. Ich kann nicht sagen, dass da Geld fließt, das kann ich nicht beweisen, aber wir haben verstanden, dass die Korruption auf den unteren Level sogar noch höher ist als weiter oben."
    Ambrogini hofft dennoch auf ein Gespräch mit dem CBF über Financial Fairplay Ende des Jahres. Ansonsten hat er noch ein anderes Druckmittel: Streik.