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Fussball
Umstrittenes Fußballcamp

Eine Welle von Hooligan-Hass und Gewaltandrohung überrollt Motor Halle, nur weil ein Kinder-Fußballcamp geplant war, organisiert vom Verein RB Leipzig. Für die Stadtväter ein Unding, dass man vor Chaoten einknicke, weshalb man jetzt eine Fußballwoche der Toleranz plant.

Von Christoph Richter | 14.03.2015
    Kinder spielen Fußball.
    Kinder spielen Fußball. (dpa/picture alliance/anp Koen Suyk)
    "Ich hoffe, diesen Tag werdet ihr nie vergessen. Schämt euch", so lautet ein Kommentar, zu lesen in den üblichen sozialen Netzwerken. "Geh doch dahin, da wirst du was erleben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da ruhig bleibt", schreibt ein anderer. Nur ein kleiner Ausschnitt. In den Gesichtern so mancher Mitglieder des Vereins Motor Halle steht das blanke Entsetzen geschrieben. "Völliger Schwachsinn was da passiert. Unnötig ist das, hätte dem Verein wieder ein bisschen Geld in die Kassen gespült, aber was soll man machen."
    Rechte Hooligans drohen Motor Halle mit Gewaltexzessen, weil auf dessen Gelände im Sommer ein Kinderfußballcamp des Zweitligisten RB Leipzig stattfinden sollte. Weshalb man letzte Woche aus Angst das Turnier abgesagt hat, obwohl - und das ist das pikante an der Geschichte - die Polizei dem Verein Motor Halle zugesichert hat, alles Nötige zu tun, damit die Sicherheit des Turniers, der Kinder und des Vereins garantiert ist.
    Dass ein Verein aus Angst vor Gewalt und Krawallen von RB Leipzig-Gegnern, die in dem von Red Bull gesponserten Club die Kommerzialisierung des Fußballs exemplarisch vorgeführt sehen, ein geplantes Trainingslager absagt, ist bis dato einmalig und hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Weshalb sich auch der Oberbürgermeister von Halle/Saale, Bernd Wiegand, in die Debatte eingeschaltet hat.
    Fußball-Woche für Toleranz
    Im Ergebnis gab es Mitte der Woche eine überraschende Wende. Und man will nun in Absprache mit dem Verein das Kinder-Turnier doch stattfinden lassen, im Rahmen einer "Mitteldeutschen Fußball-Woche für Toleranz". Stattfinden soll sie im Stadion des Drittligisten Hallescher Fußballclub, so das parteilose Stadtoberhaupt Wiegand weiter. "Man kann nicht weichen gegen Rechts. Und von daher kann man auch die Sorgen des Vereins verstehen, wenn man allein dort steht und dem ausgesetzt ist. Hier haben wir aber die Möglichkeit, sowohl für die Stadt als auch dem Verein ein gemeinsames Zeichen zu setzen. Das möchten wir mit dieser Woche tun."
    Sachsen-Anhalts CDU-Innenminister Holger Stahlknecht begrüßt das Vorgehen: "Ich kann versprechen, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um diese Veranstaltung abzusichern." Nach Angaben der Stadt Halle soll Sportdirektor Ralf Rangnick die Unterstützung von RB Leipzig für das Mitteldeutsche Fußballfest der Toleranz sofort zugesichert haben.
    Für A-Jugendtrainer Steffen Anding vom Verein Motor Halle genau die richtige Antwort. "Das finde ich gut. Das ist die richtige Ohrfeige für die ganzen Idioten, die so dagegen waren und sich so benommen haben. Das nervt mich sehr, aber mehr möchte ich dazu nicht sagen. Danke."
    Gespaltene Stimmung
    Andere im Verein sind etwas vorsichtiger und wollen sich dazu nicht äußern. "Die Stimmungslage ist zwiegespalten, es gibt Leute, die sagen, man soll es absagen. Andere haben gesagt, wir sollten es durchführen. Total unterschiedlich, zwei Lager."
    Die Angst steckt den Verantwortlichen von Motor Halle noch mächtig in den Gliedern, weil man mit dieser Welle des Hasses nicht gerechnet hat, sagt Marcus Göpfert. Pressewarts des etwa 400 Mitglieder großen Vereins. Auf Nachfragen reagiert er ängstlich, als ob man sich im Verein immer noch nicht sicher sei, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    Gegen Chaoten, die zu Gewalt gegen den Verein aufgerufen haben, wie er sagt, habe man bei der Polizei Anzeige erstattet. "Mit Vereinsaustritten rechnen wir nicht, mit anderen Situationen im Moment auch nicht. Ich denke mal, wir sind jetzt auf einem guten Weg."
    Für Oberbürgermeister und Fußballfan Bernd Wiegand - der über Jahre im niedersächsischen Schoppenstedt semi-professionell Fußball gespielt hat - ist das Fußballfest eine Herzensangelegenheit. Halle sei eine weltoffene Stadt, so Wiegand weiter. Die Welle der Gewalt gegen RB Leipzig ist ihm völlig unverständlich. "Ja, das hat mit Fußball nichts zu tun. Es gibt ja sehr viele Vereine, die so entstanden sind wie RB Leipzig. Das ist aus meiner Sicht nichts Verwerfliches."
    Petition gegen das Fest im Internet
    Jetzt machen RB-Gegner mittels einer Online-Petition Stimmung gegen das Fußballfest. Initiator ist der 33-jährige Ralf Kriszovensky. Er ist Fan des Fußball-Drittligisten HFC. Das im Juli stattfindende Fußballfest - unter Beteiligung von RB Leipzig - empfindet er als Provokation. Laut der Internetseite open petition hat man bereits mehr als 3.000 Unterschriften, wobei nur sehr wenige Unterzeichner aus Halle sind.
    Oberbürgermeister Bernd Wiegand schaut dem gelassen entgegen und sagte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass er zuversichtlich sei, dass im Sommer in Halle ein großes mitteldeutsches Fußballfest gefeiert werde. Jeder Verein, auch aus der Bundesliga, sei eingeladen, so Wiegand weiter, mit dabei zu sein.