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Fussball-WM 2014
Ernüchterung in Afrika

Zwar standen mit Algerien und Nigeria erstmals zwei Teams vom schwarzen Kontinent in einem WM-Achtelfinale, dort stießen sie aber an ihre sportlichen Grenzen. Die individuell besser besetzten Teams aus Kamerun, Ghana und von der Elfenbeinküste sind hingegen früh gescheitert - und zwar eher an sich selbst als an ihren Gegnern.

Von Daniel Theweleit |
    Kwesi Nyantakyi hat sich nicht mit Ruhm bekleckert bei dieser Weltmeisterschaft. Ganz im Gegenteil. Der Präsident des ghanaischen Fußballverbandes sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Er geriet unter Verdacht, die Manipulation von Freundschaftsspielen der ghanaischen Nationalmannschaft zu dulden. Aber Nyantakyi hat diese Weltmeisterschaft auch mit einem durchaus konstruktiven Beitrag bereichert. Er lieferte die schärfste Analyse zum Dilemma der afrikanischen WM-Teilnehmer. "Geld, Geld, Geld - das war der Refrain der Spieler, und es ist ein Jammer, dass sie uns auf diese Art und Weise die WM verdarben", erklärte der umstrittene Funktionär nach Ghanas Ausscheiden. Nyantakyi sprach über seine Mannschaft, aber sein Satz trifft den Kern der großen Selbstzerstörungskraft, die den Fußball in weiten Teilen des Kontinents prägt.
    Die afrikanische WM-Krankheit entwickelte unterschiedliche Symptome: Interne Zerwürfnisse, Streit um Prämien und den Verdacht, dass Vorbereitungs- oder sogar WM-Spiele manipuliert wurden. Die Ursache all dieser Störungen ist aber fast immer die gleiche: Es geht um Geld.
    Dass die in so einem WM-Jahr üppig fließenden Sponsoren- und Antrittsgelder oft in dunklen Kanälen verschwinden, ist ein offenes Geheimnis. Und der darauffolgende Streik der Spieler, die angesichts der leer geräumten Kassen auf ihre Prämien warten müssen, ist zu einem traurigen Ritual geworden. Einem Ritual, das oft auch zu Streitigkeiten unter den Profis führt. Funktionierende Mannschaften entstehen in solch einem Klima nur selten.
    Probleme des afrikanischen Fußballs
    Nigeria ist das Kunststück gelungen, trotz Prämienstreit und Trainingsboykott eine konstruktive Einheit zu formen. Auch Algerien überzeugte als Kollektiv. Die Auftritte von Ghana, Kamerun und der Elfenbeinküste waren hingegen geprägt von Konflikten, verweigertem Zusammenspiel, sogar Handgreiflichkeiten. Ihr Scheitern beruht allerdings weniger auf Problemen des afrikanischen Fußballs, als auf Problemen des afrikanischen Kontinents.
    Wenn es irgendwo Geld zu verteilen gibt, ist es schnell vorbei mit Fairness, Solidarität und Kooperationsbereitschaft. Ohne diese Merkmale kann eine Fußballmannschaft aber nicht erfolgreich sein. Die Spieler, die im Alltag meist als Teil europäischer Spitzenteams funktionieren, verfallen in ihren Nationalteams immer wieder in alte Muster der Selbstzerstörung.
    Die immer wieder erhobene Forderung nach mehr als nur fünf WM-Startplätzen für den Kontinent, die angesichts der vielen afrikanischen Nationen völlig berechtigt erscheint, lässt sich mit den Eindrücken dieser WM leider nicht untermauern. Das seit Jahren erhoffte und von vielen Experten angekündigte Aufblühen des afrikanischen Fußball ist erneut ausgeblieben. Und es gibt wenige Gründe, warum das beim nächsten Weltturnier anders werden sollte.