Sechs Stunden hat die Uraufführung von Elfriede Jelineks "Ein Sportstück" im Januar 1998 durch Einar Schleef am Wiener Burgtheater gedauert. Volker Lösch schafft Jelineks sich ohne eigentliche Handlung in langen pathetisch-ironischen Chor-Vorträgen und Solo-Tiraden dahinmäandernde Auseinandersetzung mit dem Sport als Metapher für eine fühllose und gewalttätige Gesellschaft in ganzen zwei Stunden. "Chöre, Chöre, Chöre - ansonsten machen Sie, was Sie wollen", soll Elfriede Jelinek zu Einar Schleef gesagt haben.
Volker Lösch hält sich auf seine ganz eigene Weise an die Freiheit, die die Autorin dem Regisseur ließ. Lösch ist ein Regisseur, der sich stets sehr direkt auf die gesellschaftliche Wirklichkeit der Orte bezieht, in denen er inszeniert. So hat er in Dresden Hauptmanns "Die Weber" mit Laienchören aus Arbeitslosen aktualisiert und in Stuttgart in Lars von Triers "Dogville" einen Mercedes-Manager auftreten lassen. Jelineks "Ein Sportstück" war in Wien und den meisten nachfolgenden Inszenierungen ein Totentanz, in Leipzig erscheint das "Sportstück" eher als Volksstück, das sich so real wie provokativ mit dem Mythos einer "Sportstadt Leipzig" auseinandersetzt.
Es beginnt mit Leipzig im Taumel nach der erfolgreichen nationalen Olympiabewerbung. Zwar geht es dann wie bei der Autorin weiter mit einer Mutter, die ihren Sohn an den Sport verliert, der als Kampf und Krieg gezeigt wird. Doch während Elfriede Jelinek und ihr erster Interpret Einar Schleef sich durch Mythen und Historie arbeiteten und dabei ins Zentrum stellten, wie die Frau, die den Mann und dessen Körper als Mutter erschaffen hat, vom Mann verlassen wird, indem dieser, um die Frau nicht mehr zu brauchen, sich in Sport und Krieg seinen eigenen gestählten Körper erschafft, stellt Volker Lösch diesen Strang weniger stark aus. Ihm geht es vor allem um den Sport als Identitätssuche. Dafür erfindet er viele eigene neue Texte und Szenen.
Eine kerzengeschmückte riesige Sauna ist kultischer Ertüchtigungsort, in dem Fußballspieler sich im Training schinden, in dem "Dona nobis pacem" gesungen und in einer Showtime Sportlerinnen zu Schönheit und sexueller Attraktivität für die und von den Männern hergerichtet werden, bis im langen, nachschleifenden Prunkmantel der bekrönte Kaiser Franz den Blutkelch von einem sich selbst verletzenden Sportler gereicht bekommt. Es geißeln sich Cheerleader vor ihm mit ihren Puscheln, andere schleudern ihm Produkte von Werbepartnern entgegen und wieder andere reichen ihm ihren Kinderwagen zur Segnung des Nachwuchses. Sport wird zur Ersatzreligion.
Der Männerkörper, genutzt und verbraucht; Männerbündelei, die auch in rechtsradikaler, tödlich gewalttätiger und baseball-bewehrter Schlägeraktion mündet; Siege für sich oder die Gemeinschaft, die sich nach außen, gegen Fremde und Fremdes wenden; Männer, die mit sich über ihren selbstgeschaffenen Körper identisch zu werden suchen - all diese Aspekte werden in konkreter, oft kabaretthaft übersteigerter Auseinandersetzung mit Geschichte, Mythos und Realität von Leipzig untersucht. Sport erscheint als Krieg nach innen und außen. Nach nationaler Identitätsbegeisterung und individueller Identitätssuche des jungen Sportlers, der seine Mutter verlassen hat, kommen Geschäft und Vermarktung. So tollt das Fußball-WM-Maskottchen durch die Szenen, singt von Leipziger Spezialitäten und jubelt vom Sachsen Ballack.
Sepp und Rainer, also FIFA-Präsident Blatter und Leverkusens Ex-Manager Calmund, reden über ihre Geldverdienste bei einer alkoholfeuchten Sauna-Sause, und drei Schwimmerinnen mit baumelnden Goldmedaillen über ihren DDR-Trainingsanzügen beschuldigen in einem Streitgespräch den ehemaligen DDR-Sportfunktionär Ewald menschen- und frauenverachtenden Dopings. All diese Szenen besitzen weniger theatralische als emotionale, anklagende Kraft. Gerade wenn vom Doping die Rede ist, geht es stets um die wahre Identitätssuche, - ob "Pallas Athene Christine Otto" erwähnt wird oder die unaufgearbeitete Geschichte des Leipziger Instituts für angewandte Trainingswissenschaften.
Volker Löschs beeindruckende Inszenierung besitzt szenischen Schwung und chorische Kraft, aber leider nicht durchgehend ästhetische Faszination. Aber sie endet mit starken Bildern. Wenn der Sohn (von Torben Kessler wunderbar in die überdrehte Begeisterung gespielt) sich im goldenen Pokal einen Dopingcocktail gemixt hat, bekleckert er sich mit dessen weißer Masse bis zum Tode. Ein Mensch, gebraucht, verbraucht, vernutzt, liegt am Boden, vom Kaiser Franz als schnell wegschmeißbar abgetan, von der den Sport beschimpfenden Mutter betrauert. Die anderen Sportler aber machen weiter und rufen: Sport voran.
Volker Lösch hält sich auf seine ganz eigene Weise an die Freiheit, die die Autorin dem Regisseur ließ. Lösch ist ein Regisseur, der sich stets sehr direkt auf die gesellschaftliche Wirklichkeit der Orte bezieht, in denen er inszeniert. So hat er in Dresden Hauptmanns "Die Weber" mit Laienchören aus Arbeitslosen aktualisiert und in Stuttgart in Lars von Triers "Dogville" einen Mercedes-Manager auftreten lassen. Jelineks "Ein Sportstück" war in Wien und den meisten nachfolgenden Inszenierungen ein Totentanz, in Leipzig erscheint das "Sportstück" eher als Volksstück, das sich so real wie provokativ mit dem Mythos einer "Sportstadt Leipzig" auseinandersetzt.
Es beginnt mit Leipzig im Taumel nach der erfolgreichen nationalen Olympiabewerbung. Zwar geht es dann wie bei der Autorin weiter mit einer Mutter, die ihren Sohn an den Sport verliert, der als Kampf und Krieg gezeigt wird. Doch während Elfriede Jelinek und ihr erster Interpret Einar Schleef sich durch Mythen und Historie arbeiteten und dabei ins Zentrum stellten, wie die Frau, die den Mann und dessen Körper als Mutter erschaffen hat, vom Mann verlassen wird, indem dieser, um die Frau nicht mehr zu brauchen, sich in Sport und Krieg seinen eigenen gestählten Körper erschafft, stellt Volker Lösch diesen Strang weniger stark aus. Ihm geht es vor allem um den Sport als Identitätssuche. Dafür erfindet er viele eigene neue Texte und Szenen.
Eine kerzengeschmückte riesige Sauna ist kultischer Ertüchtigungsort, in dem Fußballspieler sich im Training schinden, in dem "Dona nobis pacem" gesungen und in einer Showtime Sportlerinnen zu Schönheit und sexueller Attraktivität für die und von den Männern hergerichtet werden, bis im langen, nachschleifenden Prunkmantel der bekrönte Kaiser Franz den Blutkelch von einem sich selbst verletzenden Sportler gereicht bekommt. Es geißeln sich Cheerleader vor ihm mit ihren Puscheln, andere schleudern ihm Produkte von Werbepartnern entgegen und wieder andere reichen ihm ihren Kinderwagen zur Segnung des Nachwuchses. Sport wird zur Ersatzreligion.
Der Männerkörper, genutzt und verbraucht; Männerbündelei, die auch in rechtsradikaler, tödlich gewalttätiger und baseball-bewehrter Schlägeraktion mündet; Siege für sich oder die Gemeinschaft, die sich nach außen, gegen Fremde und Fremdes wenden; Männer, die mit sich über ihren selbstgeschaffenen Körper identisch zu werden suchen - all diese Aspekte werden in konkreter, oft kabaretthaft übersteigerter Auseinandersetzung mit Geschichte, Mythos und Realität von Leipzig untersucht. Sport erscheint als Krieg nach innen und außen. Nach nationaler Identitätsbegeisterung und individueller Identitätssuche des jungen Sportlers, der seine Mutter verlassen hat, kommen Geschäft und Vermarktung. So tollt das Fußball-WM-Maskottchen durch die Szenen, singt von Leipziger Spezialitäten und jubelt vom Sachsen Ballack.
Sepp und Rainer, also FIFA-Präsident Blatter und Leverkusens Ex-Manager Calmund, reden über ihre Geldverdienste bei einer alkoholfeuchten Sauna-Sause, und drei Schwimmerinnen mit baumelnden Goldmedaillen über ihren DDR-Trainingsanzügen beschuldigen in einem Streitgespräch den ehemaligen DDR-Sportfunktionär Ewald menschen- und frauenverachtenden Dopings. All diese Szenen besitzen weniger theatralische als emotionale, anklagende Kraft. Gerade wenn vom Doping die Rede ist, geht es stets um die wahre Identitätssuche, - ob "Pallas Athene Christine Otto" erwähnt wird oder die unaufgearbeitete Geschichte des Leipziger Instituts für angewandte Trainingswissenschaften.
Volker Löschs beeindruckende Inszenierung besitzt szenischen Schwung und chorische Kraft, aber leider nicht durchgehend ästhetische Faszination. Aber sie endet mit starken Bildern. Wenn der Sohn (von Torben Kessler wunderbar in die überdrehte Begeisterung gespielt) sich im goldenen Pokal einen Dopingcocktail gemixt hat, bekleckert er sich mit dessen weißer Masse bis zum Tode. Ein Mensch, gebraucht, verbraucht, vernutzt, liegt am Boden, vom Kaiser Franz als schnell wegschmeißbar abgetan, von der den Sport beschimpfenden Mutter betrauert. Die anderen Sportler aber machen weiter und rufen: Sport voran.