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Futtermittel als Lebensmittel behandeln?

Man muss einfach sagen: vor sechs, sieben Jahren war Dioxin ein italienisches Thema und da hat sich hier keiner interessiert, dass hat sich eben geändert, weil wir eben immer bessere Erkenntnisse über Ursache und Wirkung erlangen.

Von Nana Brink |
    Mittlerweile ist Dioxin auch Gift für die brandenburgische Agrarindustrie, wie der Sprecher des Potsdamer Landwirtschaftsministers Jens-Uwe Schade dieser Tage erfahren muss. Seit letzte Woche 2500 Tonnen mit Dioxin verunreinigtes Futtermittel in einem Trockenwerk in Niemegk gefunden wurden, stehen die Telefone nicht mehr still. Zu gut ist noch der Skandal um das hochgiftige Pflanzenschutzmittel Nitrofen in Erinnerung, dass letzten Sommer in Brandenburgischem Putenfleisch gefunden wurde. Günter Hälsig, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz im Landwirtschaftsministerium, allerdings mahnt Gelassenheit an.

    Wir sind weit davon entfernt, einen ähnlichen Lebensmittelskandal wie damals mit Nitrofen vor einem halben Jahr zu haben, so dass ich davor warne in Panik und Hysterie auszubrechen. Die Dosen sind relativ gering. Nur Dioxin hat natürlich durch Seveso eine negative Vorprägung, die oftmals dazu führt, dass man das Seveso-Dioxin mit dem Futtermitteldioxin eins zu eins vergleicht. Dem ist bei weitem nicht so. Es handelt sich um ganz andere Größenordnungen, um ganz andere Wirkungsmechanismen und es ist auch die Nahrungsmittelkette dazwischen geschaltet, die über Verdünnung doch zu einer Abschätzung der Gefährdung im positiven Sinne für die Verbraucher führt.

    Unter den Begriff Dioxin fallen mehr als 50 verschiedene Stoffe, 17 davon sind besonders gefährlich – wie zum Beispiel das "Seveso-Gift". Etliche Dioxine gelten als krebserregend. In die Umwelt – oder eben auch in das Futtermittel – gelangen sie durch Verbrennungsprozesse.

    Es liegt die Vermutung nahe, dass es von der Steinkohle oder besser gesagt vom Salzgehalt der Steinkohle kommt. Es gibt noch keine schlüssige Beweisführung und insofern warne ich auch davor, die Steinkohle momentan zu verteufeln oder als ausschließliche Ursache anzusehen. Wir sind momentan bei der Ursachenerforschung. Definitives lässt sich erst dann sagen und auch entsprechend kommentieren, wenn weitere Untersuchungsergebnisse vorliegen.

    Bis detaillierte Ergebnisse vorliegen, bleiben die 100 Betriebe in Brandenburg, Berlin, Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, die verseuchtes Tierfutter erhalten haben, bis auf weiteres gesperrt. Günter Hälsig, Chef der Abteilung Verbraucherschutz im Landwirtschaftsministerium, sieht das Problem jedoch noch lange nicht gelöst.

    Brandenburg ist ja bedauerlicherweise der dritte Fall in der Vergangenheit. Es hat ähnliche Probleme in Apolda in Thüringen gegeben, in Sachsen-Anhalt gab es Dioxin-Belastungen, Brandenburg ist das dritte Glied in dieser Kette, so dass es von da her durchaus Überlegungen gibt, zum einen von direkten zur indirekten Trocknung umzuschwenken, bzw. auch generell darüber nachzudenken, dass man feste bzw. flüssige Brennstoffe ausscheidet, schweres Heizöl und sich für Erdgas als Trocknungsmittel einsetzt. Das ist leider eine Kostenfrage, die nicht so von heute auf morgen entschieden werden kann, weil natürlich die finanzielle Situation und die Kapitaldecke der Futtermittelwerksbetreiber sehr dünn ist.

    Sprich: Wir würden ja gerne auf Steinkohle verzichten, aber leisten kann sich das keiner! Es werden wohl noch Jahre vergehen, bis in Brandenburg umweltverträgliches Ergas zur Trocknung von Futtermittel eingesetzt wird. Und auch die Forderung der Grünen nach Kontrollen wie im Lebensmittelbereich hält Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade für einen frommen Wunsch.

    Ja generell kann man das nachvollziehen, wenn nach mehr Kontrollen gerufen wird, bloß man muss auch sagen: "Big Brother" im Agrarbereich wird es nicht geben können, dass kann eigentlich auch nur ein Mix von Maßnahmen sein. Und eigentlich ein bewährtes Rezept ist immer, dass man regionale Kreisläufe verstärkt im Bereich von Essen und Trinken, also regionale Vermarktung von Agrarprodukten ankurbelt, wo die Kontrollwege überschaubar sind, wo man im Grunde auch den Zugriff hat auf verschiedene Ketten. Insofern denke ich mal, es wird nicht darauf hinauslaufen, nur Kontrollen zu haben, aber sicherlich ist ein hoher Kontrolldruck angesagt.