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Futuristischer Hörgenuss

Technik. - Musik nicht nur hören, sondern auch mit ihr interaktiv spielen, und das alles unter Beachtung der Urheberrechte. So stellen sich die Entwickler einer neuen Stereoanlage die Zukunft der Hifi-Systeme vor. Auf der Musikmesse in Frankfurt soll ein Prototyp vorgestellt werden. An dem Projekt "Semantic Hifi" arbeiten zahlreiche europäische Forschungsinstitute mit, koordiniert wird es vom Ircam, dem Institut für Forschung und Koordination Akustik/Musik in Paris.

Von Suzanne Krause |
    So klingt eine automatisch zusammengefasste Popschnulze. Die Software der Hifi-Anlage spielt Einstieg, Refrain, Variationen ab, harmonisch angeglichen, aneinandergereiht.

    Wem die Jazzer zu schnell fürs Ohr spielen, der kann den Titel mit Timestretching verlangsamen:

    Ein Musikstück perfekt in einen neuen Takt zu bringen, ist ein Kinderspiel. Und was der Nutzer vorsingt, spielt das Programm mit dem gewünschten Instrument gleich nach:

    Zur Palette der Möglichkeiten, die das Hifi-System von morgen bietet, gehört auch das DJ-Mix-Programm sowie eine ausgefeilte Technik, seine selbstgemixten Titel über ein Netzwerk mit anderen Musikfans auszutauschen. Entwickelt wurde dies von einem Informatik-Unternehmen in Berlin, das sich auf Mix-Programme für DJs spezialisiert hat. Der Clou dabei: die Autorenrechte der Komponisten bleiben geschützt, unterstreicht Hugues Vinet, Wissenschaftsdirektor beim Institut IRCAM:

    "Das System übermittelt gewissermaßen das Computer-Mix-Rezept. Das heißt, die Steuerdaten, die in der Produktion beim Mischen angefallen sind. Diese Steuerdaten kann der Nutzer sich dann vom Internet runterladen und für seine Musikstücke auf seiner Hifi-Anlage anwenden. Gleichzeitig kann er auch die Steuerdaten seiner Musikmischungen im Internet ablegen. Das regt die Kreativität weitere Nutzer an. Copyright-Fragen bleiben dabei außen vor."

    Über das Basismodell, das 2007 in den Handel kommen soll, gehen diese Funktionen allerdings schon hinaus. Die neue Stereoanlage für das breite Publikum speichert an die 10.000 Titel und ordnet sie automatisch nach Wunsch und dem ureigenen Musik-Geschmack des Nutzers. Das System erstellt dann intelligente Playlists, die automatisch die richtige Stimmung in die Party bringen. All das kommt aus einem Kasten, der wie eine herkömmliche Stereoanlage aussieht. Vinet:

    "Im Inneren der Anlage ist eine Art Soundkarte untergebracht, mit einem Computer-Prozessor. Das bleibt dem Anwender verborgen, denn wir wollen ihn nicht mit einem Musikcomputer abschrecken, sondern ihm eine Stereoanlage mit einfacher Bedienung bieten. Zum Kasten der Anlage gehört ein PDA zur Fernbedienung. Da klicken Sie dann auf der graphischen Oberfläche die Befehle an und steuern damit die Stereoanlage."

    Wer mehr als nur musikalische Berieselung aus seiner Stereoanlage herausholen will, steigt dann auf das komplementäre Computerprogramm für Fortgeschrittene um, erläutert Projektleiter Hugues Vinet:

    "Das Basisprinzip bei der Hifi-Anlage der Zukunft: das System arbeitet mit musikalischen Zusatz-Daten, die den musikalischen Inhalt der Stücke beschreiben. Verwendet werden also nicht nur Audio-Signale, sondern auch Anhangs-Daten. Ein Beispiel: an ein Musikstück angehängt wird so auch die Beschreibung von seiner Tonart, von seinem Rhythmus und so weiter. Dank dieser Meta-Daten lässt sich ein Titel nach Wunsch in eine Kategorie einordnen, lässt sich im Speicher wiederfinden. Wir haben Algorithmen entwickelt, die eine Markerliste erstellen. Daten, die beschreiben, wann ein bestimmter Part im Musikstück beginnt, da können wir dann auf dem Bildschirm direkt drauffahren."

    Objektorientierung nennt sich das Verfahren, das bei der Bild- und Videogestaltung schon sehr weit entwickelt ist. Die Pariser Forscher übertragen das erstmals auf Audiodateien. Bei bereits produzierten CDs oder MP3-files allerdings lassen sich die Metadaten nicht huckepack nachträglich einfügen.