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Gaethgens fordert mehr Entscheidungsfreiheit für die Hochschulen

Maleike: Seit gestern ist es amtlich: Niedersachsen steigt aus der KMK, der Kultusministerkonferenz aus. So wie es Ministerpräsident Christian Wulff vor gut einer Woche auch schon angekündigt hatte. Ob sich damit aber auch die erhoffte Reform der KMK einstellt, wird sich noch zeigen müssen. Jedenfalls aber ist seit gestern auch für alle spürbar, dass wir mittendrin stecken in der Föderalismusdebatte und in der Diskussion, ob Deutschland eigentlich über die notwendigen bildungspolitischen Entscheidungsstrukturen verfügt. Aus Sicht der Hochschulen hängt da vor allem noch ein Projekt im Entscheidungsprozess zwischen Bund und Ländern, die Elitenförderung nämlich, die Anfang des Jahres ja so groß angekündigt wurde und nun noch auf eine Entscheidung der Ministerpräsidenten wartet. Am Telefon ist der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Professor Peter Gaethgens, ich grüße Sie, Herr Gaethgens.

Moderation: Kate Maleike |
    Gaethgens: Guten Tag, Frau Maleike.

    Maleike: Für wie wahrscheinlich halten Sie es denn, dass wir das grüne Licht für die Elitenförderung noch in diesem Jahr erleben?

    Gaethgens: Wissen Sie, ich will mich nicht über Wahrscheinlichkeiten auslassen, ich will nur deutlich sagen, die internationale Aufmerksamkeit, die wir in der Rektorenkonferenz gerade im Zusammenhang mit diesem Spitzenwettbewerb immer wieder hören, dürfen wir genauso wenig enttäuschen wie die Erwartungshaltung der Hochschulen selbst. Da sind nun Leute in die Startlöcher gegangen und sie arbeiten bereits daran, sich für diesen Wettbewerb fit zu machen und nun wird er nicht beschlossen oder wird er mindestens auf die lange Bank beschlossen. Unser Appell ist wirklich, in diesem Jahr noch zu einer Entscheidung zu kommen und diese Sache nach vorne zu bringen.

    Maleike: Sie haben das Ausland angesprochen, da ist es auch natürlich wichtig gerade bei der Einführung von Bachelor und Master, dass wir ein einheitliches Bild abgeben. Mit dem Austritt Niedersachsens aus der KMK droht ja nun vielleicht sogar dieses einheitliche Bild innerhalb des Landes nicht mehr da zu sein. Ist das für Sie eine Entwicklung, die schlecht für uns ist?

    Gaethgens: Wir müssen über die Frage, ob das klug oder nicht klug war, was Niedersachsen getan hat, eigentlich nicht mehr diskutieren. Es ist jetzt so und es gilt jetzt, über die neue Form einer länderübergreifenden Entscheidungskompetenz, die zu kreieren ist, konstruktiv zu diskutieren. Wie soll es in Zukunft weitergehen? Die alte KMK in der bisherigen Form wird nicht mehr weiterhin existieren und da sage ich umgekehrt, wir haben eine große Chance bei dieser Gelegenheit nun eine grundlegende Revision des bisherigen Verfahrens anzusteuern und diese grundlegende Revision kann für meine Begriffe nur darin bestehen, dass sich eine künftige länderübergreifende Entscheidungskompetenz auf das Grundsätzliche konzentriert, das heißt, zum Beispiel auf das große Thema der Integration des deutschen Hochschulsystems auf der Ebene Europas. Die Entwicklung des europäischen Forschungsraums, des europäischen Hochschulraums ist bereits im Gange, die Deutschen dürfen nicht am Ende des Geleitzuges segeln, sondern sie müssen sich nach vorne bewegen. Das alles fordert länderübergreifende Entscheidungen und dafür brauchen wir ein wirksames, effizientes Instrument. Wir brauchen aber kein Instrument, das sich mit allen möglichen Detailregelungen beschäftigt und dadurch natürlich umständlich, behäbig und langsam wird. Diese Detailregelung soll man lieber den Hochschulen selbst überlassen, also Deregulation und ganz entschiedene Dezentralisierung im Interesse auch der Hochschulautonomie.

    Maleike: Ich höre da so ein bisschen raus, Hochschulrahmengesetz wollen Sie behalten, KMK würden Sie eher, in Anführungszeichen, ein bisschen entmachten wollen?

    Gaethgens: Ich weiß nicht, wie in der Föderalismusdebatte das Ergebnis aussehen wird. Sollte das Hochschulrahmengesetz in Gänze fallen und dem Bund die Kompetenz in Hochschulfragen gänzlich entzogen werden und den Ländern übertragen werden, dann appellieren wir jedenfalls eindringlich, dass es in jedem Fall einer länderübergreifenden Koordination bedarf. Ob das durch den Bund gemacht wird oder durch ein neues Instrument der Koordination zwischen den Ländern ist letztlich unerheblich oder vielleicht nur eine verfassungsrechtliche Frage. Die Sache ist entscheidend, es bedarf einer Koordination zwischen den Politiken der 16 verschiedenen Bundesländer. Wir können in Europa nicht mit 16 Stimmen auftreten, dann werden wir überhaupt nicht gehört.

    Maleike: Herr Gaethgens, im November wird es voraussichtlich die Entscheidung geben, ob denn Studiengebühren im Erststudium, wie es das Hochschulrahmengesetz im Moment ja noch verbietet, muss man ja sagen, dann tatsächlich möglich sein werden. Wäre das zum Beispiel ein Stein des Anstoßes, der dann eben der Föderalismusdebatte noch mal Vorschub leistet?

    Gaethgens: Das ist ein weiterer Schritt auf diesem Wege, jawohl und auch gesetzt den Fall, das Karlsruher Gericht entscheidet tatsächlich analog seiner Entscheidung über Juniorprofessoren erneut in dem Sinne etwa, dass der Bund ein Verbot nicht so aussprechen kann, wie er es getan hat, dann kommt die Frage auf die Länder zu, was passiert denn dann. Ich kann mir schlichtweg nicht vorstellen, dass einige Länder nun sagen "Ja", andere Länder sagen "Nein", unterschiedliche Modelle werden dann womöglich entwickelt und auf die Tagesordnung gebracht. Für meine Begriffe sollte auch dabei das Prinzip beibehalten werden, dass es um den Wettbewerb zwischen den Hochschulen geht. Wir müssen Wettbewerb um Qualität zwischen den Hochschulen möglich machen und das sagt, Entscheidungskompetenzen müssen in die Hochschulen und nicht in die Länderregierungen. Ich habe gestern bei unserer Sitzung gesagt, es ist uns eigentlich ganz egal, wessen Gesetze wir befolgen müssen, ob die der Länder oder des Bundes. In beiden Fällen bekommen die Hochschulen nicht die Entscheidungsfreiheit, die sie dringend benötigen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Deswegen, auch in dieser Frage sage ich, die Entscheidung Studiengebühren "Ja" oder "Nein" oder nach welchem System gehört in die einzelne Hochschule und weder auf die Bundesebene, noch auf die Länderebene.

    Maleike: Professor Peter Gaethgens war das, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz und sein Appell an die Politik ist: Verabschiedet endlich das Elitenförderprogramm und schadet den Hochschulen nicht durch eine planlose Föderalismusdebatte.