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Gauck in China
Ein schmaler Grat für Kritik

Der fünftägige Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck in China ist ein Drahtseilakt für den überzeugten Antikommunisten und ehemaligen DDR-Bürgerrechtler. Von ihm wird erwartet, dass er sich für Dissidenten einsetzt und Missstände anspricht, auf Konfrontationskurs gehen darf er dabei aber nicht.

Von Panajotis Gavrilis | 20.03.2016
    Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt werden auf dem Flughafen von Peking in China von Kindern mit Blumen begrüßt.
    Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt werden auf dem Flughafen von Peking in China von Kindern mit Blumen begrüßt. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Zur Begrüßung am Flughafen Peking bekommt der Bundespräsident und seine Lebensgefährtin Blumen von zwei Kindern überreicht. Es ist das erste Mal überhaupt, dass Joachim Gauck China besucht. Dabei sind die Erwartungen an den Bundespräsidenten hoch: Er soll sich für drangsalierte Bürgerrechtler einsetzen, Missstände ansprechen.
    Aber wie das Thema Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverletzungen, fehlende Meinungs- und Pressefreiheit ansprechen, ohne die chinesische Seite zu brüskieren? Für den Bundespräsidenten ist diese fünftägige Reise ein Balanceakt, meint Kristin Shi-Kupfer vom "Mercator Institute for China Studies". Kritik äußern kann nur gelingen, wenn Gauck von sich erzählt: "Also indem er sozusagen über sich, über deutsche Erfahrungen redet. Eben zu zeigen, dass eine beispielsweise offene Gesellschaft, eine aktive Zivilgesellschaft wichtig ist für einen modernen Staat und eben auch dabei hilft, Probleme zu lösen. Also gerade auch in schwierigeren Zeiten, wenn es jetzt wirtschaftlich beispielsweise nicht so gut geht."
    Innenpolitische Krise in China hat sich verschärft
    Der überzeugte Antikommunist Gauck muss im Hinblick auf seine eigene Geschichte als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler seinen Überzeugungen treu bleiben und darf gleichzeitig nicht voll auf Konfrontationskurs gehen mit China. Der Besuch des Bundespräsidenten findet zu einer Zeit statt, in der Chinas Innenpolitik sich verschärft hat, besonders die letzten Jahre, sagt die Sinologin Kristin Shi-Kupfer.
    "Wir hatten nicht, wie wir das jetzt haben, eine wirklich systematische Überwachung und auch Repression von wirklich ganzen Gruppierungen, Bloggern, Journalisten, Rechtsanwälten, NGO-Aktivisten, Wissenschaftlern, Künstlern, die versuchen sich für Rechte, für auch Stärkung von Rechten von benachteiligten, diskriminierten Gruppierungen einzusetzen."
    Begleitet von einer 60-köpfigen Delegation
    30 Anwälte sollen noch festgehalten werden. Zudem müssen besonders NGOs mit einem umstrittenen Gesetz rechnen, mit dem die kommunistische Führung die Tätigkeiten ausländischer Organisationen stärker kontrollieren will. Auch Stiftungen wären von diesem Gesetz betroffen. Um sich ein eigenes Bild zu machen, will Bundespräsident Gauck mit Intellektuellen des Landes, mit Schriftstellern und Künstlern sprechen.
    Zudem begleitet eine 60-köpfige Delegation den Bundespräsidenten: Mit dabei sind unter anderem Kirchenvertreter, der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der Chef der "Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" Reinhard Göhner und die neue Menschenrechtsbeauftragte Bärbel Kofler.
    Morgen besucht Gauck die zentrale Parteischule in Peking, den Sommerpalast und trifft Chinas Ministerpräsidenten Li Keqiang und den Staatspräsidenten Xi Jinping. Die chinesische Seite weiß, dass mit Gauck ein Kritiker des kommunistischen Systems zu Besuch ist. China dürfte auch als eine der spannendsten Auslandsreisen in seiner bisher vierjährigen Amtszeit sein. Spätestens am Mittwoch, wenn Gauck an der Elite-Universität "Tongji" in Shanghai seine einzige Rede halten wird, wird sich zeigen, wie viel Kritik an der chinesischen Seite in seinem Besuch steckt.