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Geeignete Maßnahmen gegen die Vogelgrippe

Nachdem die Vogelgrippe auch in Deutschland angekommen ist, steigt die Besorgnis in der Bevölkerung. Immer mehr Menschen wenden sich an Apotheker und Ärzte, weil sie einen wirksamen Schutz gegen das Virus suchen. Experten befürchten, falls die Vogelgrippe tatsächlich von Mensch zu Mensch übergreift, werden die Vorräte an antiviralen Medikamenten nicht ausreichen.

Von William Vorsatz | 28.02.2006
    Eine kleine Apotheke in Berlin Schöneberg. Apotheker Jan Heinemann hat es in diesen Tagen immer wieder mir besorgten Kunden zu tun, die nach einem Grippemedikament fragen - vorsichtshalber:

    "Davor hatten wir natürlich keine Anfragen gehabt, aber in den letzten Wochen verstärkt, vier bis fünf Anfragen am Tag. Das ist schon sehr viel. "

    Aber er muss diejenigen enttäuschen, die ohne ärztliche Verschreibung zu ihm kommen und ein therapeutisches, antivirales Medikament haben wollen.

    "Wir dürfen ja nichts rausgeben ohne Rezept und müssen dann immer die Kunden zum Arzt schicken. "

    Die Besorgten fürchten meist, dass es einen Engpassgeben wird, wenn die Vogelgrippe erst einmal von Mensch zu Mensch übergreift. Sollte es wirklich zum Ausbruch einer Pandemie kommen, wären solche Befürchtungen derzeit berechtigt. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt einen so großen Vorrat an antiviralen Medikamenten wie Tamiflu, dass damit im Pandemiefall 20 Prozent der Bevölkerung versorgt werden könnten. Erste Hilfe vor allem für jene, die besonders gefährdet sind. Wie etwa medizinisches Personal und Geflügelzüchter.

    Zu dieser wissenschaftlichen Empfehlung sind die Experten gekommen, nachdem sie viele Daten alter Grippepandemien ausgewertet haben. Neue Risiken und Chancen wurden ebenfalls berücksichtigt: Etwa moderne Transportwege, mit denen die Viren sich über die Welt verbreiten. Aber auch der besserer Schutz durch vorbeugende Impfungen. Die empfohlene Vorratsmenge steht allerdings zurzeit in Deutschland nicht bereit. Der Gesundheitsminister von Sachsen-Anhalt, Gerry Kley:

    "Die Länder haben unterschiedlich eingelagert, niemand kann sagen, welche Mengen man braucht und wie viele Gruppen dementsprechend dann betroffen sind, wobei die angestrebten Zahlen, die aus den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes hervor gehen, gegenwärtig, also in diesem und im nächsten Jahr, noch nicht erreicht werden können, weil einfach die Produktion noch nicht so weit ist, aber, das muss ich auch noch mal sagen, es besteht im Moment auch überhaupt keine Notwendigkeit zur Anwendung dieser Medikamente, also dass hier niemand Angst zu haben braucht "

    Im Klartext: wenn jetzt eine Grippepandemie aufflammen würde, wären wir nicht ausreichend geschützt. Sollte das Vogelgrippevirus in eine für die Menschen gefährliche Variante mutieren, so bleibt nur zu hoffen, das dies nicht so bald geschehen wird. Antivirale Medikamenten wie Tamiflu bereit zu halten, ist Ländersache. Gerry Kley:

    "Die gegenwärtigen Bevorratungen sind sehr unterschiedlich, das muss man sagen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat aufgrund seiner schwierigen geographischen Situation, Ballungszentren und ähnliches, eine höhere Bevorratung angestrebt, so dass man dort davon ausgehen kann, das kein zusätzlicher Erwerb langfristig erfolgen muss. Die Bestände sind auch noch nicht alle da. Das ist keinem bisher gelungen. Andere Länder sind bisher von anderen Prognosen ausgegangen. "

    Und das, obwohl Forschungseinrichtungen wie das Robert-Koch-Institut Berlin schon seit fünf Jahren an einem Pandemieplan arbeiten. Den ersten Entwurf haben die Länder immerhin vor zwei Jahren erhalten. Die Vogelgrippe kommt also nicht so überraschend. Aber bisher mangelt es an einer bundeseinheitlich koordinierten Abwehr. Unter vielen Gesundheitspolitikern scheint die Hoffnung verbreitet: wenn das Virus gefährlich mutiert, dann zuerst in Asien. Für Europa bliebe so noch etwas Zeit, um einen vorbeugenden Impfstoff zu entwickeln. Eine trügerische Hoffnung. SARS hat gezeigt, wie schnell ein gefährliches Virus im Zeitalter weltumspannenden Reisens von einem Kontinent zum anderen springen kann. Kritisch wäre besonders jene Zeit kurz nach dem Auftreten des neuen gefährlichen Virus: Bis zur Bereitstellung eines vorbeugenden Grippe-Impfstoffes wären die Menschen ungeschützt.
    Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt:

    "Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund inzwischen mit Impfstoffherstellern Verträge geschlossen hat, die dafür sorgen, dass die Bevölkerung zu 100 Prozent möglichst frühzeitig geimpft werden kann, wir haben uns darüber informiert, über Impfstrategien, dass eben binnen einer Zeit von 18 Wochen im Idealfall solche Impfungen möglich sein werden und zur Verfügung gestellt werden, und wir haben uns weiterhin darauf geeinigt, wie wir diese Zeit überbrücken wollen, bis diese Impfung auch möglich ist. "

    Die Experten schätzen, dass eher ein halbes Jahr vergehen würde, bis die neue vorbeugende Impfung für alle möglich wäre.

    Ist es daher sinnvoll, sich über den Hausarzt ein antivirales Grippemedikament zu besorgen - vorsichtshalber? Panisches Horten könnte wirklich zu Engpässen führen. Eine weitere Gefahr: wenn solche Medikamente ohne wirklichen Grund genommen werden, können sich resistente Viren bilden. Gegen die hilft dann kaum noch etwas.