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Gefährliche Viren – selbst gemacht

Biosicherheit. - Etliche der gefährlichsten Viren lassen sich schon heute im Labor herstellen. Da liegt die Befürchtung nahe, dass auch Terroristen gefährliche Viren herstellen könnten. Zuletzt hatte das Beratungsgremium der US-Regierung für Biosicherheit angeregt, entsprechende Forschungsergebnisse nicht mehr vollständig zu veröffentlichen. Aber wie realistisch ist dieses Szenario? Auf einer Tagung zum Thema "Synthetische DNA" in Frankfurt wurde darüber diskutiert.

Von Michael Lange | 26.01.2012
    Der Virologe Eckard Wimmer synthetisierte bereits vor zehn Jahren, 2 002, das erste Virus. Im Labor schuf er ein Polio-Virus, den Erreger der Kinderlähmung.

    "Die Zeit war reif, dass jemand ein Virus synthetisiert. Und ich war damals sogar überrascht, dass nicht andere uns überholt haben. Ich war überrascht, als wir es publiziert hatten, dass wir die einzigen waren."

    Polioviren bestehen aus nicht einmal 8000 Nukleotiden. Das sind die Bausteine der Erbinformation. Da Eckart Wimmer die Reihenfolge dieser Bausteine kannte, konnte er das Virus im Labor zusammen setzen. Inzwischen folgte die Synthese vieler weiterer Viren, darunter auch sehr gefährliche. 2005 wurde das Influenza-Virus von 1918 synthetisiert – die so genannte Spanische Grippe. Nach Schätzungen forderte der Ausbruch 1918 etwa 25 Millionen Menschenleben. Die Technik, Viren zu konstruieren, steht also zur Verfügung und könnte von Terroristen missbraucht werden, so Eckard Wimmer.

    "Glücklicherweise ist diese ganze Methodik sehr teuer und verlangt auch großes wissenschaftliches Geschick. Glücklicherweise müssten Terroristen, die das zusammen bauen wollen, sich selbst erst einmal schützen, sonst würden sie bei der Synthese untergehen."

    Sicher und kontrolliert läuft die Synthese von Erbmolekülen heute in spezialisierten Firmen ab. Sie können die Information für ein Virus innerhalb weniger Tage zusammenbauen. Zu den drei bis vier Firmen, die dazu in der Lage sind, gehört das Biotechnologie-Unternehmen GeneArt in Regensburg, das heute zu Life Technologies gehört. Einer der Gründer und Geschäftsführer ist Ralf Wagner. Das Risiko, dass Terrorristen gefährliche Viren oder anderes bedrohliches genetisches Material einfach bestellen und erhalten, hält er für extrem gering.

    "Nichtsdestoweniger haben sich die drei, vier großen Gensynthesefirmen zusammengeschlossen zu einem Konsortium. Das sind Firmen, die auf dem Markt einen äußerst harten Wettbewerb bestreiten. Nichtsdestoweniger pflegen wir die Gene, die wir synthetisiert haben, in Datenbanken ein, zusammen mit einer Risikobewertung. Wir versuchen über das hinaus, was das Regelwerk vorschreibt, uns über bestimmte Klassen von Genen eine eigene Meinung zu bilden, und behalten uns vor, hier restriktiver zu sein als das Regelwerk."

    Bisher haben die Vorsichtsmaßnahmen gegriffen. Über Bioterroristen, die moderne Biotechnologie nutzen, ist nichts bekannt. Dennoch kann es keine absolute Sicherheit geben, so der Virologe Eckard Wimmer.

    "Die Möglichkeit, dass die Methoden der Biotechnologie von Terroristen benutzt werden, die Möglichkeiten kann man nicht abstreiten. Unglücklicherweise können wir uns in der Tat gegen einen Missbrauch dieser Methoden nicht schützen. Das können wir nie."

    Geheimnisse bleiben nicht geheim, davon ist Eckard Wimmer überzeugt. Deshalb hat er sich gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern aus den USA dagegen ausgesprochen, die Veröffentlichung von Ergebnissen aus der Virusforschung zu verhindern.

    "Wir können nur versuchen, die wichtigsten dieser bioterroristischen Agenzien zu identifizieren und Impfstoffe zu machen und Medikamente zu entwickeln, so dass – wenn irgendwo ein Attacke ist – man sehr schnell Impfstoffe und Medikamente hat, um die Zahl der Opfer einzuschränken."

    Die USA und Europa sollten einen Fond gründen, um Impfstoffe und Medikamente gegen Grippe und andere Viruserkrankungen zu entwickeln, fordert Eckard Wimmer. So ließen sich die Waffen der Terroristen entschärfen, bevor sie entstehen.