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Gefährlicher Umweltschutz

In Amazonien erstreckt sich auf einer Fläche von sechs Millionen Quadratkilometern der größte tropische Regenwald der Welt. Die Hälfte aller landlebenden Pflanzen- und Tierarten lebt hier und noch immer werden neue entdeckt. Die biologische Vielfalt ist unermesslich, der ökologische Wert des Regenwaldes ebenfalls: Im Amazonas-Regenwald wird die Hälfte des Sauerstoffs des ganzen Planeten erneuert. Amazonien ist außerdem das weltgrößte Süßwasserreservoir. Alles Gründe, dieses Gebiet zu schützen. Vor mittlerweile vier Jahren hat Greenpeace ein eigenes Amazonien-Büro eröffnet.

von Beate Köhne | 20.10.2003
    Ein schweres, dunkelgrün gestrichenes Eisentor versperrt den Eingang. Der Wachmann sitzt in einem kleinen Häuschen daneben und öffnet zögerlich ein Fensterchen, um nach dem Anliegen zu fragen. Erst, nachdem er sich telefonisch vergewissert hat, dass wirklich ein Gesprächstermin mit einer Mitarbeiterin ausgemacht war, öffnet er die schwere Eingangstür. Das Greenpeace-Büro in Manaus gleicht einer kleinen Festung. Das hatte sich auch Projektleiterin Anne Dingwall nicht so vorgestellt, als sie vor vier Jahren in die nordbrasilianische Stadt zog:

    Als wir dieses Büro aufmachten, hatten wir uns vorgestellt, dass Highschool-Schüler hierher kommen, wir wollten auch eine öffentliche Bibliothek einrichten. Aber diese Offenheit ist hier nicht möglich. Dabei haben wir uns für Manaus extra deswegen entschieden, weil die Stadt noch relativ sicher ist, verglichen mit den meisten anderen Gegenden, in denen wir hier in Amazonien arbeiten. Ich mag gar nicht daran denken, wie es zum Beispiel wäre, mitten in Pará zu leben, inmitten von wütenden Holzfällern!

    Trotzdem erhielten zunächst der Leiter des Amazonien-Büros und dann auch weitere Mitarbeiter vor zwei Jahren die ersten Morddrohungen. Die Arbeitsräume mussten gesichert werden, die Mitarbeiter gaben für einige Monate ihre Stadtwohnungen auf und zogen ins Obergeschoss des Büros. Wer sich in Amazonien für den Erhalt des Regenwaldes einsetzt, der legt sich eigentlich mit allen an: mit den Holzfällern und ihren Agenten, mit den Quecksilber benutzenden Goldsuchern, den brandrodenden Ranchern, den korrupten Dorfpolizisten und auch mit den brasilianischen und internationalen Firmen, die aus der Schatzkammer Amazonien den weitaus größten Profit ziehen. Es heißt, dass im brasilianischen Amazonasgebiet pro Jahr mindestens 20.000 Hektar Wald verloren gehen. Die Folgen dieses illegalen Kahlschlags sind noch gar nicht abzusehen. Da wirkt es zunächst wie ein Tropfen auf den heißen Stein, dass der Mahagonibaum im letzten November in das Washingtoner Artenschutzabkommen aufgenommen wurde. Für Anne Dingwall bedeutet das aber einen ersten großen Erfolg:

    Mahagoni öffnet der Zerstörung Tür und Tor, weil das Holz so wertvoll ist. Wenn die Holzfäller Mahagoni, Zedern oder andere teure Arten schlagen, schaffen sie eine Infrastruktur: Sie bauen Straßen und häufig sogar einen kleine Landebahn für Flugzeuge. Wenn aber erst mal Infrastruktur vorhanden ist, kommen die nächsten Fäller und schlagen auch die weniger wertvollen Arten, denn sie müssen nicht mehr viel investieren. Und nach ihnen kommen die Rancher, die Landlosen auf der Suche nach ein paar Hektar - und schon wächst und wächst das Ganze.

    Auch eine Kennzeichnungspflicht für alle geschlagenen Hölzer könnte helfen, deren Herkunft weltweit kenntlich zu machen und so die Händler in die Pflicht zu nehmen. Außerdem sammeln die Umweltschützer Daten für genaues Kartenmaterial. Bislang sind Informationen über Grenzen, Waldbestände und Nutzungsverträge Mangelware. Und das erschwert den 20 Millionen Menschen, die im Großraum Amazonien leben, den Protest gegen willkürlichen Holzeinschlag. Hilfe von der staatlichen Umweltschutzbehörde IBAMA war bisher kaum zu erwarten. Denn die IBAMA ist nicht nur hoffnungslos unterbesetzt, sie kämpft auch mit Korruption in den eigenen Reihen und findet keinen Rückhalt bei der lokalen Polizei vor Ort. Das mag sich jedoch bald ändern. Die staatliche Umweltschutzbehörde hat einen neuen Chef-Inspektor. Und der hat zuvor beim Aufbau des Greenpeace-Büros in Manaus mitgeholfen.