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Gefährliches Honduras

Honduras ist für Journalisten derzeit das gefährlichste Land der Welt, registriert "Reporter ohne Grenzen". Seit Jahresbeginn wurden acht Medienarbeiter umgebracht. Keiner der Fälle wurde von der Justiz aufgeklärt, aber zumindest bei einigen dürften politische Motive vorliegen.

Von Michael Castritius | 19.06.2010
    Luis Arturo Mondragón hatte Morddrohungen in El Paraiso erhalten. Der Nachrichtenchef des lokalen Fernsehsenders deckte Korruptionsfälle von Politikern und Beamten auf. Montag wurde Luis Arturo Mondrágon erschossen, als er vor seinem Haus neben seinem Sohn die Abendsonne genoss.

    Der 53-jährige war der achte Medienmitarbeiter im kleinen Honduras, der in diesem Jahr ermordet wurde, der elfte, seit dem Putsch vor einem Jahr. Aufgeklärt wurde keiner dieser Fälle, klagt Vilma Gloria Rosales von der unabhängigen honduranischen Organisation für die Meinungsfreiheit.

    "Die Tode dieser Journalisten sind Botschaften. Sie haben Angst und Panik ausgelöst, vor allem unter unabhängigen Journalisten. Es gibt offene Drohungen, es gibt Angriffe auf Medien und es wird wirtschaftlicher Druck ausgeübt, keine Werbung mehr geschaltet. Alles mit dem Ziel, die Arbeit kritischer Medien zu unterbinden. Die Ermittlungen in diesen Mordfällen haben keinen einzigen Schuldigen ergeben. Es gibt nur einen geheimen Bericht, der dem Kongress vorliegt. Das ist doch sehr verdächtig."

    Einige der Ermordeten waren erklärte Gegner des Putsches. Ende Juni 2009 hatten Soldaten den linksgerichteten Präsidenten Zelaya mit Waffengewalt außer Landes gebracht. In der Folge wurden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, Angriffe auf Sender und Schließungen von kritischen Presseorganen verfügt.

    Im November ließ die Putschregierung trotz massiver Einschränkungen der Bürgerfreiheiten wählen, seit Januar ist der Unternehmer Porfirio Lobo Präsident des Landes. Aber die Bedrohung blieb, wurde nur subtiler, sagt Bertha Oliva, Leiterin der Menschenrechtsorganisation COFADEH.

    "Die Pressefreiheit, das Recht auf Information und das Recht auf freie Meinungsäußerung, all diese Rechte sind in unserem Land gekidnappt worden. Ich dachte, dass dies ein Jahr nach dem Putsch überstanden sein würde. Aber das Gegenteil ist der Fall."

    Die Regierung und die ihr nahe stehende Justiz – kritische Richter wurden im Mai entlassen – schieben die Schuld auf die Organisierte Kriminalität des Landes. Tatsächlich beherrschen Gewaltverbrechen, Korruption und Jugendbanden die honduranische Gesellschaft, aber acht Morde an Medienmitarbeitern in wenigen Monaten, das kann kein Zufall sein, meinen Menschenrechtler und Journalistenorganisationen. Kommunikationsminister Miguel Angel Bonilla gesteht zumindest ein, dass Regierung und Justiz überfordert sind:

    "Wir konzentrieren uns auf Themen wie die Unsicherheit, auf die Morde an einigen Journalisten, das ist dem Präsidenten sehr wichtig. Er hat Länder, wie Spanien, Kolumbien und USA um Unterstützung bei den Ermittlungen gebeten. Es ist uns klar, dass wir dabei Hilfe brauchen."

    Die rechtskonservative Regierung und die sie tragende Oligarchie des Landes profitieren allerdings von der Eskalation der Gewalt. Kritische Medien verstummen – oder werden vorsichtiger.
    Der Jesuitensender Radio Progreso war schon vier Stunden nach dem Putsch von Militärs geschlossen worden. Jetzt arbeitet er mit angezogener Handbremse – aus Sicherheitsgründen. Nachts wird von Band gesendet, um die Mitarbeiter nicht zu gefährden. Aber schweigen werden wir nicht, versichert Geschäftsführer Carlos Alvarado:

    "Wir werden auch terrorisiert, es gab Drohungen, per SMS aufs Handy oder übers Telefon. Sie versuchen, Dich einzuschüchtern und sagen: 'Den und den haben wir schon umgebracht, der nächste bist Du!'. Wir haben Maßnahmen ergriffen, einige besonders profilierte Kollegen aus der Schusslinie zu nehmen, sie arbeiten jetzt mehr im Hintergrund. Unsere Mitarbeiter sollen ständig andere Fahrtrouten nehmen, nicht im Dunkeln fahren. Das ist so eine Art selbst gewähltes Gefängnis."