Montag, 29. April 2024

Archiv


Gefahr aus dem Kratersee

Geologie. - 1984 wurden rund 1700 Anwohner eines erloschenen Vulkans in Kamerun Opfer einer Katastrophe, die lautlos über sie herein brach. Aus dem nahe gelegenen Kratersee Lake Nyos war eine Wolke giftigen Kohlendioxyd-Gases ausgetreten, dass - weil schwerer als Luft - die Berghänge hinab in die angrenzenden Dörfer kroch und dort die Menschen erstickte. Berliner Limnologen untersuchen jetzt Kraterseen in Ecuador, um das Risiko eines ähnlichen Ereignisses dort zu bestimmen.

Von Michael Fuhs | 17.05.2004
    In Südamerika reiht sich entlang der Anden Vulkan an Vulkan. Einer davon ist der Quilotoa in Ecuador, der wegen seiner Schönheit ein beliebtes Reiseziel ist. Von ferne sieht er eher flach aus und an seinem Rand leben Indigenas. An der früheren Spitze des Berges hat sich nach dem Einsturz einer Magmakammer ein Kratersee gebildet.

    Der See liegt etwa 300 Meter im Vulkankegel drin mit einem steilen Abstieg. Das Ganze befindet sich auf ungefähr 4000 Meter und wir mussten die gesamte Ausrüstung per Indigenas herunter tragen, auch das Arbeiten in der Höhe ist relativ anstrengend.

    Günter Gunkel vom Fachgebiet Wasserreinhaltung an der Technischen Universität Berlin untersucht, ob die Idylle, die das türkis-blaue Wasser ausstrahlt, nicht vielleicht trügt. Denn der Vulkan dünstet immer noch Kohlendioxid aus. Da der See zu wenig zirkuliert, kommt dieses Kohlendioxid-Gas nicht an die Oberfläche, sondern reichert sich in der Tiefe an. Ist die Konzentration zu hoch, das Wasser also übersättigt, bedroht eine Eruption das Leben der Anwohner. So geschah es vor etwa 20 Jahren am afrikanischen Lake Nyos. Dort wurde das gelöste Gas auf einen Schlag in einer giftigen Wolke freigesetzt.

    Denkbare Mechanismen für die Eruption wären zum Beispiel Erdbeben, es wären Hangrutschungen am See selber, es können aber auch Erwärmungen über aufsteigendes Magma am Grund des sein, die dann die Stabilität der Wassersäule beinträchtigen.

    Wie bei einer geschüttelten Sprudelflasche strömt dann das Gas nach oben. Um eine solche Gefahr in Ecuador rechtzeitig vorherzusagen, untersucht Günter Gunkel den Kohlendioxid-Gehalt im See. Der Forscher lässt seinen selbst gebauten Probenbehälter vom Boot mit einem Seil auf den Seeboden hinab und verschließt ihn dort hermetisch. Das Gefäß steht also unter dem hohen Druck, wie er in 200 Meter Wassertiefe herrscht. Im Labor untersucht Günter Gunkel dann das Gas-Wasser Gemisch und erstellt aus mehreren Proben ein Höhenprofil der Kohlendioxid-Konzentration in dem Vulkansee.

    Wir haben im Quilotoa eine vergleichsweise hohe Übersättigung in der Tiefe, die aber nicht so zu interpretieren ist, dass in den nächsten Jahren eine Eruption zu befürchten ist, die dann zu Schädigungen in der Umgebung führen würde. Wir werden auch weiterhin Vertikalprofile im See nehmen, um die Änderung der Konzentration zu erfassen.

    Und so sicher stellen, dass auch in Zukunft keine Gefährdung auftritt. Die Berliner Forscher kombinieren diesen Nutzeffekt ihrer Expeditionen mit Grundlagenforschung, zum Beispiel wie Kohlendioxid in den See kommt und dort reagiert. Außerdem arbeiten sie mit Forschern südamerikanischer Universitäten zusammen. Ziel ist es, eine Arbeitsgruppe vor Ort aufzubauen, die die Überwachung des Kohlendioxid-Gehalts später übernimmt. Wird einmal eine kritische Konzentration in einem See gefunden, kann der Druck künstlich abgelassen werden. Dass das technisch machbar ist, hat eine internationale Arbeitsgruppe am Lake Nyos in Kamerun gezeigt. Der Vorsitzende der Projektkommission, Professor George Kling von der Universität von Michigan:

    Wir nehmen einfach ein Plastikrohr und bringen das auf den Seeboden, wo die Gaskonzentration am höchsten ist. Wir pumpen Wasser nach oben. Wenn es an die Oberfläche kommt, wird der Druck auf das Gas kleiner und das Gas kommt aus der Flüssigkeit heraus. Gerade so, als ob Sie eine Sekt- oder Bierflasche öffnen. Jetzt führt das dazu, dass die Gas-Wasser Mischung sehr schnell nach oben schießt. Dieser Prozess treibt sich dann selber an. Man muss also keine Energie zuführen, das geht automatisch weiter.

    Sowohl am Lake Nyos als auch in einem anderen See spritzt schon je eine solche Entgasungs-Fontaine nach oben. Doch am Lake Nyos reicht das gerade aus, um die Kohlendioxid-Konzentration konstant zu halten. Um sie von dem derzeit hohen Level auf ein ungefährliches Maß zu reduzieren, müssen noch mehr Plastikrohre in den See gebaut werden.