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Gefahr für Beeren und Obst
Neue Wege im Kampf gegen die Kirschessigfliege

Die Kirschessigfliege legt ihre Eier in fast reifes Obst und ruiniert den Obstbauern damit die Ernte. Forscher sind dabei, Methoden zur Bekämpfung der Drosophila suzukii zu entwickeln - dabei spielen beispielsweise Farben eine große Rolle.

Von Joachim Budde | 13.03.2019
Eine Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) sitzt am 10.09.2014 im Weinberg der Familie Mohr in Bensheim an der Bergstraße (Hessen) auf einer Traube der Sorte Portugieser. Zu Beginn der Traubenernte sorgt mancherorts die Kirschessigfliege für Unruhe. Laut dem Deutschen Weininstitut müssen vereinzelte Rotweinlagen deshalb früher gelesen werden.
Die Kirschessigfliege mag gern reifes Obst (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
Der heiße trockene Sommer 2018 war gut für die Obst- und Weinbauern. Besonders was die Kirschessigfliege Drosophila suzukii betrifft, sagt Heidrun Vogt vom Julius-Kühn-Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau in Dossenheim.
"Es fing eigentlich ganz normal an, dass die Tiere wieder gut über den Winter gekommen waren, und die ersten haben sich auch in den Obstanlagen befunden, aber dann kam eben diese langanhaltende Hitze mit sehr langanhaltender Trockenperiode. Und das hat das Wachstum der Population stark eingeschränkt."
Die Kirschessigfliege, die ursprünglich aus Südostasien stammt, mag es weder heiß und trocken noch richtig kalt. Zum Überwintern suchen sich die Insekten deshalb ein geschütztes Plätzchen, wie das intensive Monitoring der vergangenen Jahre gezeigt hat.
"Sie ziehen sich gerne in Hecken, Waldränder zurück, wo es auch Brombeeren gibt, die Blätter tragen, also geschützte Versteckplätze sind."
Unterschiedliches Aussehen in Winter und Sommer
Und die Kirschessigfliegen sehen im Winter anders aus als im Sommer. Sie trotzen den tiefen Temperaturen, indem sie sich dunkel färben und Frostschutz-Enzyme bilden. Außerdem haben sie längere Flügel, können also weitere Strecken zurücklegen, um Schutz zu finden. Auch Nahrung findet die Fliege in der kalten Jahreszeit genug, sagt Heidrun Vogts Kollege Felix Briem.
"Es ist bekannt, dass die Kirschessigfliege sich im Winter von Mikroorganismen auf den Blattoberflächen zum Beispiel ernähren kann. Wir haben selbst auch herausgefunden, dass die Kirschessigfliege sich im zeitigen Frühjahr, also im April an reifen Mistelbeeren wunderbar ernähren kann, auch Eier reinlegen kann und sich dort reproduzieren kann. Mittlerweile sind ja auch weit über hundert Wirtspflanzen generell bekannt für die Kirschessigfliege. Die kann sich wirklich an vielen Pflanzen ernähren."
Dass die Kirschessigfliege so flexibel in Sachen Lebensraum und Ernährung ist, macht sie zu einem Albtraum für Obstbauern. Sie mag am liebsten gesunde, reife Früchte, in die andere Fruchtfliegen gar nicht hineingelangen. Und kurz vor der Ernte können die Bauern kaum noch Spritzmittel einsetzen.
Schwierige Bekämpfung der Fliege
Darum ist es so schwierig, das Tier zu bekämpfen. Melanie Dahlmann vom Institut für Phytomedizin der Hochschule Geisenheim hat für ihre Doktorarbeit Fliegenfallen verbessert. Sie hat herausgefunden, dass Sexuallockstoffe, wie sie gegen Borkenkäfer zum Einsatz kommen, die Kirschessigfliege kalt lassen. Farben funktionieren da schon besser. Weibliche Kirschessigfliegen finden dunkles Rot oder Schwarz attraktiv.
"Es ist uns gelungen, in verschiedenen Versuchen, sowohl geschützt als auch im Freiland, nachzuweisen, dass wir mehr Weibchenfänge haben – allerdings begrenzt natürlich auf den Standort, der getestet worden ist. Das ist keine Aussage, die man treffen kann für eine größere Region, für ganz Deutschland. Das müsste dann unter anderen Bedingungen noch einmal getestet werden."
Offen ist auch noch, ob die Fallen wirklich nur die Kirschessigfliegen anlocken und ob das in einem ausreichend großen Radius geschieht. Wenn ja, könnte man die Fliegen schon früh im Jahr abfangen und den Druck auf die Obstplantagen klein halten.
Ein anderer Ansatz, der Kirschessigfliegen-Plage Herr zu werden, sind Fliegen-Parasitoide, also Schlupfwespen, als Gegenspieler der Obstschädlinge. Heimische Arten davon machen sich nämlich über den Eindringling her, hat Camilla Englert vom Julius-Kühn-Institut für biologischen Pflanzenschutz in Darmstadt herausgefunden. Allerdings befallen die Schlupfwespen nicht bereits das Ei der Fliegen, sondern erst die Puppe.
"Der Schaden an der Frucht ist für diesen Moment schon da und die Frucht kann für den Bauern nicht mehr vermarktet werden. Aber aus der Puppe kann keine weitere Kirschessigfliege schlüpfen, die wiederum 400 Eier legen könnte. Sobald die ersten Puppen sozusagen gebildet werden, also in den Kirschen, wenn es mit der Kirschernte beginnt, müsste man da schon ein Auge drauf haben und am besten die Parasitoide ausbringen. "
Fliegen mögen Hitze und Trockenheit nicht
Bis Camilla Englerts Methode aber für den Einsatz im großen Maßstab bereit ist, ist noch viel Entwicklungsarbeit zu leisten. Bis dahin müssen Obstbauern sich die wenigen Schwächen der Fliegen zunutze machen, rät Heidrun Vogt.
"Sie vertragen Hitze und Trockenheit nicht. Deswegen ist man gut beraten, zum Beispiel Himbeeren so zu pflegen, dass die Kultur nicht so dicht ist, dass da Luft durchkommt, dass die Sonne durch kann. Genauso ist es im Obstbau: Viele Betriebe haben angefangen, ihre Kulturen mit einem Insektenschutznetz einzunetzen, weil wenn man die Fliege heraushalten kann, hat man schon viel gewonnen. Bei Kirschen oder bei Beerenfrüchten wird es durchaus schon angewandt."
Und das ist auch nötig. In Dossenheim zum Beispiel sind im Februar schon wieder mehr als hundert der unerwünschten Kirschessigfliegen in die Fallen gegangen. Drosophila suzukii hat hierzulande also leider einen guten Start ins Jahr 2019 gehabt.