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Gefahrenquellen bei Flügen in den Süden und zurück

Einmal Afrika und zurück, das ist jedes Jahr sowohl eine lange als auch eine gefahrenvolle Strecke für die Weißstörche. Um mehr darüber zu erfahren, welche Flugroute die Störche nehmen, werden die Vögel von vielen Naturschützern mit GPS-Satellitensendern ausgestattet. Der Naturschutzbund in Schleswig-Holstein stellt heute erste Ergebnisse dieses Projektes vor.

Von Matthias Günther |
    Kai-Michael Thomsen hält einen GPS-Sender in der Größe einer Streichholzschachtel hoch, der mit einer Solarzelle und einer 15 Zentimeter langen flexiblen Antenne ausgestattet ist. Der Storchenexperte des Nabu erklärt, dass ein Storch damit jahrelang zwischen Europa und Afrika hin und her fliegen kann:

    "Er bekommt diesen Sender auf den Rücken, ähnlich wie einen Rücksack, mit speziell beschichteten Schnüren aufgeschnallt. Und er kann damit fliegen – das macht ihm also überhaupt nichts aus. Der Sender ist eben so leicht, dass es da keine Beeinträchtigungen gibt und auch die Konstruktion ist so gewählt, dass der Vogel in keinster Weise behindert wird."

    Drei Störche hat der Nabu Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr mit solchen GPS-Sendern ausgerüstet. Im Internet konnte man die Flugrouten verfolgen. Der Storch Helmut, der die Westroute nahm, flog gar nicht bis nach Afrika, sondern überwinterte wie inzwischen viele Störche gleich in Spanien. Wie die GPS-Daten zeigten, ernährte er sich zum Teil von Essensresten auf Müllkippen im Raum Madrid. Kai-Michael Thomsen ist aber erleichtert darüber, dass der Storch auch auf Feldern Nahrung fand:

    "Das ist sehr interessant, weil in Spanien die Mülldeponien nach einer EU-Verordnung in den nächsten Jahren bedeckt werden müssen, so dass nur noch behandelter Müll vorhanden ist, der den Störchen keine Nahrung mehr bietet. Und wir haben an dem Storch Helmut sehen können, dass er durchaus in der Lage ist, andere Nahrungsgebiete aufzusuchen."

    Helmut, der nur 2000 Kilometer weit fliegen musste, ist schon seit einigen Wochen wieder zurück in Schleswig-Holstein. Die anderen beiden Störche mit GPS-Sendern nahmen die Ostroute. Storch Hobor startete Anfang September, bei Istanbul überquerte er den Bosporus, flog über Israel nach Ägypten, das Niltal hinunter und über die Nubische Wüste in den Tschad:

    "Dort hielt er sich eine Zeit lang auf, und dann im Oktober, November zog er weiter Richtung Osten in den Sudan, in die Provinz Süd-Darfur. Und dort, in dieser Sahel-Zone, hat er sich bis zum Februar aufgehalten."

    Das war überraschend für den Storchenexperten. Er hatte damit gerechnet, dass Hobor, der in diesen Tagen in Schleswig-Holstein zurück erwartet wird, im Winter bis nach Südafrika fliegt. Aber er blieb in der Sahel-Zone:

    "Auch unser zweiter Storch, die Gertrud, hielt sich bis Mitte Dezember im Sahel auf, und das gibt uns den Hinweis, dass dort die Bedingungen für die Störche recht gut gewesen sein müssen, dass durchschnittlich viel Regen gefallen ist, und das bedeutet, das die Störche dort ausreichend Nahrung gefunden haben."

    Storch Gertrud flog anschließend noch weiter nach Tansania, berichtet Kai-Michael Thomsen. Dann, in der Nähe des Serengeti, zeigte der GPS-Sender keine Bewegung mehr an. Der Storch war ums Leben gekommen. Der Sender konnte geortet werden:

    "Mittlerweile konnten wir den Kadaver finden und auch den Sender bergen – über die Kollegen in Tansania. Dort nehmen wir an, dass der Storch Gertrud von einem Adler erbeutet worden ist und auf einen Baum verschleppt worden ist und dort gefressen wurde."

    Der Nabu will mit den Erkenntnissen über die Flugrouten, die Aufenthaltsorte und die Aufenthaltsdauer der Vögel vorhersagen, wie der Klimawandel den Bestand der Weißstörche beeinflusst. Kai-Michael Thomsen:

    "Wir können darauf aufmerksam machen, wie wichtig Klimaschutz hier bei uns in Europa ist, auch im Hinblick auf die Zugvögel, und eben auch im Hinblick auf die Menschen, die dort südlich des Sahels leben, denn diese Dürreperioden haben dort für die Menschen, wie wir alle wissen, ganz, ganz verheerende Auswirkungen."

    Der Nabu Schleswig-Holstein will in diesem Jahr drei weitere Störche mit GPS-Sendern ausrüsten.