Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Gefragte Helfer

Seit dem 3. März liegt das Historische Stadtarchiv Kölns nun schon unter Trümmern. Der Einsturz wegen des U-Bahn-Baus hat zwei Menschenleben gefordert. Und rund 30 Kilometer Akten und andere Bestände verschüttet. Lkw nach Lkw wird das von Feuerwehrleuten geborgene Material zu einer Lagerhalle gefahren und dort aufbereitet. Unter den vielen Freiwilligen helfen auch dutzende Studierende mit. Ehrenamtlich.

Von Henning Hübert | 08.04.2009
    Jeden Morgen und zum Schichtwechsel am Nachmittag bringt ein Shuttlebus die Helfer zum so genannten Erstversorgungszentrum am Kölner Stadtrand. Auch Studierende aus Bonn sind dabei. Carola Geiecke steht schon seit Wochen früh am Morgen auf, um mitzuhelfen.

    "Ich habe Kunstgeschichte studiert und sitze gerade an meiner Doktorarbeit und die betrifft auch das Historische Archiv, beziehungsweise ich bin auch zum Teil auf die Materialien angewiesen. Deshalb ist es auch eine zusätzliche Motivation, wenn man am eigenen Leibe erfährt, wie es ist, wenn die Materialien nicht mehr da sind."

    Sie wirbt unter ihren Kommilitonen, damit die Zahl der Helfer weiter wächst. Allein von der Uni Bonn waren schon schätzungsweise 150 Freiwillige im Einsatz.

    "Natürlich geht Zeit dabei drauf. Aber ich denke, sie ist effektiv eingesetzt, weil wir für die künftige Forschung einen wichtigen Beitrag leisten, damit das Archiv wirklich schnell für die Forschung zugänglich wird, und somit auch für die Studenten, die mit den Materialien arbeiten."

    Neben ihr arbeitet ihre Freundin Julia Klemeit. Auch eine Kunsthistorikerin von der Uni Bonn. Heute verpackt sie aufbereitete Akten in säurefreie Pappkartons. Sie steckt komplett in einem weißen Schutzanzug und trägt eine Atemmaske. Die Luft ist schlecht, wegen der Feuchtigkeit der Akten. Zunehmend gibt es Schimmelbefall.

    "Es ist in erster Linie eine körperlich belastende Tätigkeit, weil man doch in einer gewissen Wärme und Luftfeuchtigkeit hier arbeitet, da vier Trocknungskammern hier oben auf unserem Gebiet sind. Und man ja doch immer wieder die Wagen mit den Archivalien herum schiebt, körperlich sehr aktiv ist. Psychisch belastend ist jetzt in der Endstation, wo wir arbeiten, es gar nicht so sehr. Da wir nicht mehr mit persönlichen Gegenständen konfrontiert werden wie am Anfang."

    Damit meint sie die persönlichen Dokumente und Fotoalben der beiden jungen Männer aus dem Nachbarhaus des Kölner Stadtarchivs, die tot aus dem Trümmerhaufen geborgen wurden.

    Die Kölner Archivare können noch viele Freiwillige wie Julia Klemeit und Carola Geiecke gut gebrauchen. Die 2000, die sich bis heute gemeldet haben, reichen lange nicht aus. Die Bergungs- und Sichtungsarbeiten werden noch mehrere Monate andauern. Archivar Max Plassmann besteht aber nicht darauf, dass die Studierenden und andere Helfer quasi "vom Fach" sind:

    "Sie müssen einen gewissen Enthusiasmus mitbringen. Sie müssen natürlich auch gesund sein. Bestimmte Vorkenntnisse brauchen sie nicht. Die Arbeitsschritte, die hier erforderlich sind, die werden ihnen dann hier vor Ort schnell beigebracht. Hier geht es darum, Unterlagen zunächst einmal so zu trocknen und zu verpacken und grob vorzureinigen, dass wir sie gesichert haben. Und diese Sicherung ist dann die Voraussetzung, dass wir später in einem halben bis einem Jahr anfangen können, das eigentlich fachliche archivische Neuordnen, die Zuordnung der Bestände und auch die richtige Restaurierung anzufangen."

    Wer von weit her anreist, bekommt von der Stadt Köln Unterkunft und Verpflegung gestellt. Heute sind unter den zirka 40 Helfern auch Studenten aus Österreich, Belgien und den Niederlanden da. Die meisten kommen aber aus den Unistädten Köln und Bonn. Dort wirbt die Kunsthistorikerin Katharina Corsepius dafür, dass noch mehr Freiwillige als die bislang 150 mitmachen. Denn nach ihrer Schätzung konnten erst zehn Prozent der verschütteten und teils durchnässten Akten gerettet werden:

    "Das wird laufend mehr und es ist wirklich ganz schön, dass da auch im Grunde so ein Schneeballsystem funktioniert. Dass man weiter spricht, auch den Restauratorenbund mit einbezieht. Die haben ja unmittelbar auch mit unseren Instituten zu tun, als auch verschiedene andere Institutionen in Bonn da einfach mitmachen."

    Während sie das sagt, wird ein LKW beladen, der die geretteten und aufbereiteten Akten zur Zwischenlagerung wegfährt. Heute in freie Regale bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, ab kommender Woche ins Staatsarchiv Münster.