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Gegen den Hunger in der Welt

Biologie. - Für zwei Milliarden Menschen weltweit ist Reis das wichtigste Nahrungsmittel. Jedes Jahr muss die weltweite Reisernte um mindestens 1,5 Prozent steigen, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Forschern ist jetzt ein Durchbruch gelungen: Sie haben Reis gezüchtet, der die zeitweise Überflutung der Felder erträgt.

Von Ruth Reichstein | 24.02.2009
    Das Gelände des Internationalen Reisforschungsinstituts – kurz IRRI – liegt malerisch in der philippinischen Hochebene südlich von Manila. Grellgrüne Reisfelder so weit das Auge reicht. Die Hitze lässt die Luft darüber flimmern. Sigrid Heuer schlendert an den Feldern entlang. Die deutsche Molekularbiologin kam vor zwei Jahren auf die Philippinen. Sie will eine Reissorte züchten, die auch bei größeren Überschwemmungen nicht eingeht. Die Biologen nennen das "überflutungstolerant".

    "Wir pflanzen ungefähr zwei Wochen alte Reiskeimlinge und die werden dann komplett unter Wasser gesetzt für zwei Wochen, sodass die Pflanze überhaupt nicht mehr aus dem Wasser raus guckt. Reis ist eigentlich eine Wasserpflanze, aber ganz unter Wasser, das mag Reis auch nicht. Wenn wir das Wasser ablassen, dann sehen sie erst einmal alle ziemlich unglücklich aus, aber nach einer Zeit fangen dann die toleranten Pflanzen an, sich zu erholen, das sind unsere überflutungstoleranten Linien. Wir kennen die Gene, die dafür verantwortlich sind und die nennen wir Sub-1."

    Ingrid Heuer schaut sich die Reisähren ganz genau an. Mit flinken Bewegungen durchkämmt sie die grünen Büschel. Bereits in den 70er Jahren haben Biologen versucht, wassertolerante Reissorten zu kreuzen, die vor allem in Indien und Sri Lanka vorkommen. Aber durch die Kreuzungen wurde der Reis grundlegend verändert, verlor zum Beispiel an Geschmack oder die Körner wurden brüchig. Sigrid Heuer und ihre Kollegen haben nun eine Methode entwickelt, die solche unerwünschten Nebenwirkungen weitgehend ausschließt. Mithilfe der Gentechnik schleusen sie nur ein einziges wassertolerantes Gen in das Erbgut ein. Alle anderen Merkmale der Pflanze werden dagegen nicht verändert. Die meiste Zeit verbringt Sigrid Heuer nicht auf dem Feld, sondern im Labor gleich daneben. Hier haben ihre Kollegen das Sub-1-Gen – englisch: Sub-1 - zum ersten Mal entdeckt und sichtbar gemacht.

    "Wenn man das dann ranzoomt, dann ist irgendwo auf Reischromosom neun unsere Toleranz. Wir wissen, dass in diesem Bereich, wo die Toleranz sitzt, da sind drei Gene, die heißen Sub-1-A, B und C und wir wissen, das Sub-1-A ist es. Wir wissen, dass wenn das Gen da ist, dann ist die Pflanze tolerant."

    Die Wissenschaftler analysieren das Erbgut der Reissorten und können so erkennen, welche Reissorten das Sub-1-Gen besitzen und welche nicht. Immerhin 60 Prozent der Ernte in Gebieten, die von Überschwemmungen bedroht sind, könnten die Wissenschaftler mit ihren Sub-1-Kreuzungen retten. Im Frühjahr soll der Reis erstmals an Bauern verteilt werden. Kostenlos versteht sich. Sigrid Heuer:

    "In Asien haben wir zehn Millionen Hektar, die jedes Jahr überflutet werden. Das ist ungefähr ein finanzieller Verlust von einer Milliarde Dollar. Und das ist für die Bauern eine Existenzfrage, weil viele Bauern, die leben von nichts anderem als Reis und haben kleine Felder. Wenn dann eine Flut kommt, dann haben die fürs Jahr nicht zu essen."

    Die Wissenschaftler rechnen damit, dass durch den Klimawandel das Überschwemmungsrisiko weiter zunehmen wird. Um dieser Gefahr, aber auch anderen extremen Wetter- und Klimaverhältnissen entgegen zu treten, treiben die Reisforscher zahlreiche Projekte gleichzeitig voran. Sigrid Heuer träumt davon, schon in einigen Jahren den für jede einzelne Region perfekten Reis zu züchten. Reis, der Trocken- und Hitzestress erträgt, der Zink- und Phosphormangel überlebt und gegen viele Krankheiten resistent ist.