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Gegen den Konjunktureinbruch
EU will 100 Milliarden Euro an Mitgliedstaaten verleihen

Gegen die Corona-Wirtschaftskrise stellt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ein großes Kreditprogramm vor sowie eine ganze Reihe weiterer Hilfen. Die Hoffnung hinter dieser langen Liste: Wenn genug andere Mittel da sind, könnte das den Streit über Coronabonds entschärfen.

Von Peter Kapern | 02.04.2020
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am Rednerpult
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen legt im Wesentlichen ein großes Kreditprogramm vor - manche EU-Staaten würden sich dagegen echte Zuschüsse wünschen (picture alliance / XinHua)
Sure, so heißt die jüngste Waffe der EU-Kommission im Kampf gegen den durch das Coronavirus verursachten Konjunktureinbruch. 100 Milliarden Euro schwer ist das Programm, mit dem der Kollaps von Kurzarbeitergeldprogrammen in den am stärksten von der Krise betroffenen EU-Mitgliedstaaten verhindert werden soll.
Sure sei das von der EU finanzierte Kurzarbeitprogramm, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es könne die Folgen der Rezession eindämmen und halte die Leute in ihren Jobs.
Einigen Staaten wären echte Zuschüsse lieber
Und so soll Sure funktionieren: Die Mitgliedstaaten geben Garantien im Umfang von 25 Milliarden Euro. Gestützt auf diese Garantien nimmt die EU-Kommission dann Kredite im Umfang von 100 Milliarden auf. Dieses Geld soll dann jenen Ländern und Regionen geliehen werden, deren Kurzarbeitergeldprogramme derzeit von der Überlastung bedroht sind, weil die Zahl der Anträge auf Unterstützung exponentiell angestiegen ist.
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Sure funktioniert also wie eine Art Rückversicherung auf Kreditbasis. Und das genau ist die Kehrseite. Denn Länder wie Spanien und Italien pochen derzeit stärker auf echte Zuschüsse als Zeichen der europäischen Solidarität, statt auf Programme, die ihre Gesamtverschuldung weiter erhöhen. Für Ursula von der Leyen aber ist Sure dennoch ein Zeichen aktiver europäischer Solidarität.
Weitere Programme geplant
Die jüngste Inititiative der Kommission fügt sich ein in eine geradezu hektische Suche nach Möglichkeiten, den von der Coronakrise am schwersten gebeutelten Mitgliedstaaten zu helfen. Allein heute präsentierte Ursula von der Leyen mehrere weitere Vorhaben: Hilfsprogramme für Fischer und Bauern, außerdem gibt die Kommission drei Milliarden Euro für die gemeinschaftliche Anschaffung medizinischer Ausrüstung.
Dazu kündigte die Kommissionspräsidentin an, dass alle noch für dieses Jahr ausstehenden Auszahlungen aus den Kohäsionsfonds unabhängig von der eigentlichen Zweckbindung für den Kampf gegen die Wirtschaftskrise und zudem ohne die sonst obligatorische nationale Ko-Finanzierung verwendet werden können.
Ausstehender Budget-Entwurf soll schnell kommen
Von der Leyen will zudem im Schnellverfahren einen neuen Entwurf für einen Mittelfristigen Finanzrahmen vorlegen. Im Februar war ein Gipfel mit dem Versuch gescheitert, ein solches Budget für die Jahre 2021 bis 2027 zu vereinbaren. Details des Entwurfs gibt es noch nicht, aber mutmaßlich wird von der Leyen die Nettozahlerländer zu höheren Überweisungen drängen, um dann ein Wiederaufbauprogramm für die EU-Wirtschaft finanzieren zu können.
Das EU-Budget sei der beste Ausdruck der Solidarität und Verantwortung der Mitgliedstaaten, so von der Leyen.
Friedrich Merz (CDU), steht zu Beginn auf einer Pressekonferenz in der Bundespressekonferenz zu einer möglichen Kandidatur für den CDU-Vorsitz.
"Die Wirtschaftskrise kommt für alle"
CDU-Politiker Friedrich Merz spricht sich für Solidarität mit Europa in der Coronakrise aus. Sollte es Coronabonds geben, müssten die Maßnahmen, die mit diesem Geld ergriffen würden, auch in europäischer Verantwortung liegen, sagte er im Dlf.
All diese Initiativen und Projekte verfolgen das Ziel, den Streit um die sogenannten Coronabonds zu entschärfen, der das Zeug hat, die EU zu spalten. Wenn nur genügend andere Hilfsinstrumente verfügbar sind, dann, so die Hoffnung, könnten die neun Staaten, die die Einführung gemeinsamer Schuldverschreibungen verlangen, von ihrer Forderung abrücken.
Eine zerrissene EU-Fahne flattert im Wind.
Streit um EU-Finanzhilfen
Gemeinschaftliche Anleihen aller EU-Staaten oder der Rettungsmechanismus aus der Finanzkrise – die EU-Staaten streiten darüber, wie die immensen finanziellen Herausforderungen der Coronakrise bewältigt werden sollen. Ein Überblick über die Vorschläge.
Fonds für Transferzahlungen vorgeschlagen
Sogar aus den Niederlanden kommen mittlerweile Vorschläge für echte Transferzahlungen aus dem wohlhabenden Norden der EU in den Süden, der derzeit ökonomisch am Abgrund balanciert. Die potenten Länder sollten zehn bis 20 Milliarden Euro in einen Hilfsfonds einzahlen, mit dessen Geld Italien und Spanien ihr Gesundheitswesen unterstützen könnten, so Hollands Regierungschef Mark Rutte. Sein Land sei bereit, bis zu einer Milliarde zu geben.
Die Niederlande, Deutschland, Finnland und Österreich, die wichtigsten Gegner der sogenannten Coronabonds, sind seit dem gescheiterten Videogipfel der EU in der vergangenen Woche moralisch mächtig in die Defensive geraten. In der nächsten Woche sollen die EU-Finanzminister dann versuchen, aus allen bisher diskutierten Instrumenten ein Gesamtpaket zu schnüren, dass den südlichen Ländern ausreichend Unterstützung zusagt.
Ob für diese EU-Länder ein Paket ohne Coronabonds akzeptabel ist, wird sich dann zeigen.