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Gegen die Umweltverschmutzung in Serbien

In Serbien haben die Parteien den Kampf gegen Korruption oder um das Kosovo auf der Agenda, nicht aber den Umweltschutz. Was die Politik versäumt, nehmen nun einzelne Bürger in die Hand.

Von Jutta Schwengsbier |
    Gleich am Eingang eines kleinen Inselgartens mitten in Belgrad steht eine große Mülltonne. Darin ist ein Baum gepflanzt. Zwischen den breiten Kieswegen sind Gemüse- und Kräuterbeete angelegt. Die Erde ist mit großen Holzplanken eingefriedet. Mitten in diesen Beeten haben Künstler Tonskulpturen aufgestellt. Einige der Vasen tragen fast menschliche Gesichtszüge. Ivona Pjevac hat als Freiwillige der Nichtregierungsorganisation Super Natural ein großes Areal vom Müll befreit und dort ein Umweltzentrum aufgebaut.

    "Supernatural hat zwölf Hektar bekommen, um diesen Ökopark anzulegen. Inzwischen haben wir dreieinhalb Hektar aufgeräumt. Für die Gemüsebeete haben wir gesunden Mutterboden hergebracht. Wir nennen sie Rettungsinseln und haben dort auch Bäume angepflanzt. Künstler haben für die Kinder eine sehr interessante Wippe gestaltet, mit Pflanzen in der Mitte und zwei miteinander verbundenen Schaukelbalken. Es gibt ein Gewächshaus und einen Öko-Dom als grünes Klassenzimmer."

    In den Schulen Serbiens wird das Thema Umwelt kaum diskutiert, sagt Nikola Stankovic. Der 22-Jährige hat die Organisation Super Natural gemeinsam mit seinem Bruder gegründet. Im großen Rundzelt auf der Insel gibt es Ausstellungen zur Umweltverschmutzung in Serbien oder über erneuerbare Energien. Dabei debattieren die Umweltaktivisten inzwischen auch regelmäßig mit Schulklassen über den notwendigen ökologischen Umbau des Landes.

    "Wir versuchen zu zeigen, dass jeder etwas verändern kann. Auch mit kleinen Dingen. Hier lag überall Haushaltsmüll herum und was die Leute sonst nicht mehr gebraucht haben. Jeder hat einfach alles hier hingeworfen. Das war eine Katastrophe. Man darf nicht einfach kaputte Fernseher oder alte Sofas auf die Wiese von so einer wunderschönen Insel werfen. Wir haben diese Mülldeponie gesäubert."

    Nach Angaben des serbischen Umweltministeriums werden nur 60 Prozent des Hausmülls in den rund 160 offiziellen Abfalldeponien gelagert. Der Rest wird in Tausende illegaler
    Deponien verteilt. Dabei haben nicht einmal die offiziellen Deponien EU-Standard. Viele der Müllhalden liegen zu nahe bei Dörfern oder an Flüssen und Seen, wie die illegale Hausmülldeponie auf der Insel Mitten in Belgrads Zentrum. Unweit vom Gartenareal sind die Umweltschäden durch die wilde Mülldeponie auch heute nicht zu übersehen.

    "Wir können herumlaufen. Dann sehen sie, wie es früher hier überall ausgesehen hat, bevor wir aufgeräumt haben."

    Auch, wenn das Wasser rund um die Insel zum Baden einlädt: In den Fluss springen will hier niemand mehr, sagt Ivona Pjevac. Bei der geringen Strömung schwimmt Schaum in großen Schlieren an der Oberfläche.

    "Die Industrie lässt ihr Abwasser einfach ungeklärt in die Gewässer ab. Wir haben das Wasser von Wissenschaftlern prüfen lassen und festgestellt: Es ist sehr ungesund. Wir haben alle Leute zusammengebracht, die dieses Problem lösen wollen."

    In Serbien werden nur rund zehn Prozent der Abwässer aufbereitet, weil Klärwerke fehlen. Der Großteil fließt ungefiltert in Seen und Flüsse. Da auch keine Anlagen zur Verarbeitung von gefährlichen Abfällen existieren, muss die serbische Industrie gefährliche Abfallstoffe ins Ausland exportieren. Und das ist teuer. Die Folge: Eine Menge Gift landet auf illegalen Müllhalden in Serbien. Nikola und Ivona wollen das ändern. Sie sind Teil einer immer größer werdenden Gruppe junger Künstler und Umweltaktivisten, die abseits der politischen Machtkämpfe versuchen, in Serbien eine neue Zivilgesellschaft aufzubauen. Eine Gesellschaft, die weit über eine kleine Insellösung hinaus den ökologischen Neubeginn Serbiens anzustoßen versucht.

    "Gemeinsam mit anderen jungen Leuten wollen wir diese Insel in einen öffentlichen Park verwandeln. Damit Menschen, die die Natur lieben und mit der Natur leben wollen, etwas Besseres aufbauen können. Für die Stadt Belgrad aber auch für Serbien und ganz Europa."