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Gegen Gülle-Gestank auf dem Acker

Mit der guten Landluft ist das so eine Sache. Bei einer Autofahrt durch Deutschlands Felder überrascht einen nicht selten ein beißender Gestank: Gülle. Noch immer gilt der Flüssigmist aus dem Stall als bester Naturdünger überhaupt. Für den Einsatz von Gülle gelten zwar bestimmte Regelungen, zum Beispiel sollte der Flüssigmist sofort eingearbeitet werden in den Boden, um eben eine Geruchsbelästigung zumindest zu reduzieren, doch ganz vermeiden lässt sich der Gestank nicht. Abhilfe könnte bald aus den USA kommen. In Pennsylvania hat nämlich ein Chemiker ein Verfahren entwickelt, um dem Gülle-Gestank Herr zu werden - und zwar mit Meerrettich.

Von Volker Mrasek |
    " Ja, wir gehen jetzt in den Ferkelstall…
    Die Schweine leben bei uns auf Gussrosten. Wenn Sie ab und zu mal durch die Spalten gucken, sehen Sie so ganz vage die Gülle liegen. So, die kann ich eben ablassen. Dann läuft die vorne in eine Grube. Und von dort aus fahren wir die eben im Tankwagen. "

    Gülle, Jauche, Exkremente. Unzählige Schweine in unzähligen Ställen produzieren davon täglich Unmengen. Und die Bauern kippen die Brühe als Dünger auf ihre Felder. Das hat Tradition - und auch seinen Sinn. Denn in der Gülle steckt noch jede Menge Stickstoff. Böden und Ackerpflanzen können ihn gut gebrauchen. Wenn da nur eines nicht wäre:

    " Eben der Gestank der Tiere ... "

    ... oder genauer: Der Gestank ihrer Ausscheidungen ...

    " Dieser strenge Geruch entsteht bei der Verdauung. Die verantwortlichen Stoffe werden im Darm der Tiere gebildet und auch noch während der Lagerung der Gülle. Das sind alles Prozesse, die ohne Sauerstoff ablaufen. Zucker, Eiweiß und andere Bestandteile des Futters werden dabei zersetzt und in die Geruchsstoffe umgewandelt. "

    Jerzy Dec weiß das so genau, weil er die Prozesse im Detail studiert hat. Eigentlich ist der gebürtige Pole Chemiker und arbeitet auf dem Gebiet der Boden- und Gewässersanierung, an der Staatsuniversität von Pennsylvania in den USA. Doch dann fragten ihn Kollegen aus dem Agrarinstitut, ob er vielleicht ein Rezept kenne, mit dem man nicht nur Umweltgifte eliminieren könne, sondern auch den penetranten Gestank von Gülle. Der fachfremde Forscher hatte gleich den richtigen Riecher, wie es scheint:

    " Bei der Umweltsanierung haben wir mit Enzymen gute Erfolge erzielen können. Also mit Substanzen, wie sie heute auch in Waschmitteln vorkommen. Wir benutzten vor allem ein Enzym, das aus Meerrettich gewonnen wird. Es wirkt hervorragend gegen Phenole. "

    Phenole! Diese Stoffe sind es auch, die im Darm von Schweinen entstehen. Sie tragen dazu bei, dass Gülle - na ja - zum Himmel stinkt ...

    " Ich erkannte, dass wir da einen geeigneten Kandidaten haben. Also testeten wir das Meerrettich-Enzym an einer Gülle-Probe - erst einmal nur im Labormaßstab. Und wir bemerkten sofort einen Unterschied durch die Behandlung. Daraufhin luden wir professionelle Aroma-Tester zu einer Probe ein. Und sie bestätigten unseren Eindruck: Nach ihrem Urteil roch die Gülle nur noch halb so intensiv. "

    Nach weiteren Versuchen kann Jerzy Dec heute sagen: Landwirte müssten das Enzym nicht einmal für teures Geld vom Chemikalien-Fachhändler beziehen. Sie könnten ganz gewöhnlichen, kleingeriebenen Meerrettich nehmen. Auch der erwies sich in den Experimenten als wirksam.
    Um das Gewürz-Enzym zu aktivieren, braucht es zwar noch eine weitere Zutat: ein so genanntes Peroxid. Doch das, sagt der US-Forscher, gebe es als Standardlösung günstig im Handel ...

    " Mich haben schon mehrere Landwirte angerufen und ihr Interesse gezeigt. Einer von ihnen hat Mastschweine und baut Meerrettich an. Das sind natürlich ideale Voraussetzungen. "

    Es gibt bisher verschiedene Ansätze, die Geruchsemissionen von Viehställen zu mindern oder Gülle von ihrem Gestank zu befreien. Ansetzen kann man schon bei der Fütterung. Enthält die Schweinekost wenig Rohprotein oder säuert man sie durch bestimmte Futterzusätze an, entsteht weniger Harnstoff im Urin der Tiere. Aus der Gülle entweicht dann später auch nicht mehr so viel Ammoniak - ein Stoff, der ebenfalls zur dicken Luft im Stall beiträgt.

    Vielleicht können sich die verschiedenen Methoden in Zukunft ja ergänzen. Jerzy Dec will seine Versuche mit dem Meerrettich-Enzym auf jeden Fall ausdehnen. Und den pflanzlichen Geruchskiller bald auch in Geflügel- und Rinderbeständen testen. Wenn das alles klappt, soll es auf die Suche nach einem Industriepartner gehen - für die Vermarktung des neuen Stall-Deos ...