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Geisteswandel in den USA

Zum Ende der Ära Bush wird ein Mentalitätswandel in den USA immer deutlicher. Die Neokonservativen mit ihren Weltmachtansprüchen und ihrem Missionierungsdrang nimmt vor allem an der Ostküste kaum mehr jemand ernst. Indifferent moderate Strömungen scheinen sich breitzumachen. Sie beeinflussen nicht allein die Wirtschaft und die Umweltorganisationen, sondern zunehmend auch die Think Tanks der Hochschulen.

Von Gerti Schön |
    Die Amerikaner haben die Nase voll von den politischen Grabenkämpfen der letzten acht Jahre. Zu viel Energie, so der Konsens, wurde darauf verschwendet den politischen Gegner schlecht zu machen. Jetzt will die Bevölkerung, dass die Verantwortlichen die Ärmel hochkrempeln, miteinander reden und sich gemeinsam Gedanken darüber machen, wie man die Probleme lösen kann, mit denen die USA konfrontiert sind. Dabei machen sich die Amerikaner nicht nur Sorgen über ihr eigenes Land, sondern auch darüber, dass ihr Ruf in der Welt nicht mehr der beste ist. Andrew Kohut, Direktor des Pew Research Centers for the People and the Press, einem einflussreichen Meinungsforschungsinstitut in Washington.

    "Sie sind der Polarisierung überdrüssig. 66 Prozent der Bevölkerung glauben, dass das Land politisch so gespalten ist wie nie zuvor. Sie wollen Kompromisse und Mäßigung aber gleichzeitig wünschen sie sich Politiker, die stark genug sind um unpopuläre Dinge anzusprechen und dass sie in der Lage sind, eine Einigung bei den wichtigsten Problemen zu erzielen. Die Amerikaner mögen keine Politiker mehr, die sich ausschließlich als konservative Republikaner oder liberale Demokraten hinstellen. Zwei Drittel der Bevölkerung wünschen sich jemanden, der eine Mischung aus liberalen und konservativen Positionen vertritt. "

    Der Trend hin zur politischen Mitte macht sich auch an den Universitäten bemerkbar. Die Professorengeneration der 68er, die für Bürgerrechte und Gleichberechtigung gekämpft hat, geht allmählich in Pension und wird durch eine neue Generation moderater Akademiker ersetzt. Dazu kommt, dass die Geisteswissenschaften, traditionell eine Bastion der Linksliberalen, an Einfluss verlieren und ihre Bedeutung an konservativere Disziplinen wie Wirtschafts- und Computerwissenschaften abgeben. Viele Studenten sind dadurch seltener dem Kampfgeist und den Idealen der Altlinken ausgesetzt und fühlen sich generell eher zu pragmatischeren Idealen hingezogen.

    Die neue Kooperationsbereitschaft in weiten Teilen der Bevölkerung kommt vor allem daher, dass viele Amerikaner den Eindruck haben, mit so vielen Problemen auf einmal konfrontiert zu sein, dass die gesamte Gesellschaft an einem Strang ziehen muss. Mit zu den dringendsten Fragen gehört die Energieverteuerung. Sie geht den Menschen so sehr ans Portemonnaie, dass sie inzwischen sogar bereit sind, Ressourcen zu sparen. Dass Energiekonservierung im Land der Autofahrer einmal ein solch drängendes Thema werden sollte, haben viele nicht erwartet sagt Barbara Dafoe Whitehead, Professorin an der Rutgers Universität.

    "Die Leute merken, dass wir schweren Zeiten entgegengehen, und daran wird auch ein Regierungswechsel nichts ändern. Die Menschen fangen an, sich in Mäßigung zu üben, das betrifft nicht nur unsere persönlichen Ausgaben und was wir materiell erreichen wollen. Das gilt auch in Sachen Energiesparen und Umweltbewusstsein. Wir waren schon einmal, nämlich in den 70er Jahren, in einer solchen Situation und zwar während der Ölkrise, auch damals hieß es schon, wir müssen sparsamer sein und Energie konservieren. Aber es hat nicht angehalten, und in den 80er und 90er Jahren wurde weiterhin geprasst. Aber ich glaube dass es dieses mal ernst wird, weil so viele Probleme auf einmal auf uns zukommen: die Energieknappheit etwa, die Inflation oder die anhaltende Krise unserer finanziellen Institutionen. Dazu kommt dass die Bevölkerung altert und sich Sorgen um ihre Rente macht sowie die hohe Staatsverschuldung. Wir legen den kommenden Generationen damit eine ungeheuere Bürde auf. "

    Whitehead ist Mitglied des New Yorker Think Tanks "Institute for American Values", das kürzlich eine Kampagne gestartet hat, die sich dem verschwenderischen Umgang vieler Amerikaner mit Geld entgegensetzt und in der Sparsamkeit und protestantische Tugenden propagiert werden. Tatsächlich ist die private Verschuldung in den letzten 50 Jahren durch die Einführung von Kreditkarten und den Verlockungen staatlicher Lotterien geradezu explodiert. Dabei herrschte bei den Amerikanern lange Zeit die Philosophie, sparsam mit Geld umzugehen, sagt Whitehead.

    "Das hat eine lange Geschichte und geht zurück bis zu den Gründervätern der USA, die die damaligen aristokratischen Gesellschaften in Europa für verschwenderisch und dekadent hielten. Deshalb legte die politische Philosophie des 18. Jahrhunderts großen Wert auf Sparsamkeit, Fleiß und harte Arbeit, das sind außerdem ja auch protestantische Tugenden. Aber diese Werte sind im letzten Jahrhundert verloren gegangen. Viele junge Leute wissen heutzutage ja gar nicht mehr was das Wort Sparsamkeit bedeutet. "

    Ob sich die neue Dialogbereitschaft der Amerikaner am Ende in der Wahl des schwarzen Präsidentschaftskandidaten Barak Obama ausdrücken wird ist freilich offen. Immerhin hat die Wählergruppe der konservativen Evangelicals dabei noch ein Wörtchen mitzureden - wenn auch diese Religionsgemeinschaft inzwischen etwas moderater geworden ist.