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Geld gegen Erstwohnsitz

Aussetzung der Wehpflicht, doppelte Jahrgänge wegen G8 - viele Universitätsstädte platzen bereits aus allen Nähten. Der Bürgermeister der Kleinstadt Eschweiler in der Nähe der Universitätsstadt Aachen bietet jetzt Studierenden 500 Euro pro Semester, wenn sie sich in seiner Stadt niederlassen.

Von Ingo Wagner |
    "500 Euro haben oder nicht haben, da sagt man natürlich nicht Nein", sagt Jaqueline Genrichs. Ganz umsonst hat die 23 Jahre alte BWL-Studentin das Geld aber nicht bekommen. Denn wer das Angebot der Stadt Eschweiler annimmt, muss dafür etwas tun. Nämlich ein Praktikum bei der Stadt machen:

    "Die Praktikumsdauer beträgt 50 Stunden. Wir haben das jetzt auf sieben Werktage aufgeteilt, also von montags bis die Woche darauf dienstags."

    Und dann ist das Praktikum auch schon beendet. Auch nicht unbedingt ein Arbeitsaufwand, der abschreckend wirkt. Aber darum geht es ja gerade für den Eschweiler-Bürgermeister Rudi Bertram:

    "Wir wollen damit auch ein Signal setzen gegen den demografischen Wandel und junge Leute nach Eschweiler ziehen, die sich dann in der Region hier ausbilden lassen können."

    Und das Fernziel ist, dass begabte Studierende später – nach Abschluss ihre Studiums – auch mal darüber nachdenken, ob nicht vielleicht ein Job bei der Stadt für sie infrage kommt:

    "Wir hoffen doch, dass wir darüber gute Verwaltungsleute akquirieren können, das ist noch ein Wunsch, den ich nebenher noch hätte."

    Denn auch in der Verwaltung der Stadt Eschweiler schlägt in den nächsten Jahren der demografische Wandel zu – ein großer Teil der Mitarbeiter geht in Rente. Und das sich viele Universitätsabsolventen nicht gerade um einen Posten bei der Stadt reißen, weiß man in der Kommunalverwaltung auch. Deshalb werden Studierenden wie Jaqueline Gensrich angeboten, während ihres Pflicht-Praktikums Bereiche der Verwaltung kennenzulernen, die zu ihrer Studienrichtung passen:

    "Ich war im Amt für Wirtschaftsförderung und dort habe ich erste Einblicke in das Leben der öffentlichen Verwaltung bekommen, speziell Gewerbeimmobilien, was hier so in der Stadt Eschweiler angeboten wird - und Wirtschaft ist ja auch mein Fachgebiet – also es war schon superinteressant."

    Das Angebot an die Studierenden, 500 Euro pro Semester von der Stadt zu bekommen, gilt aber nur, wenn die jungen Frauen und Männer ihren Hauptwohnsitz in Eschweiler nehmen. Einfach nur irgendwo in der Kommune einen Zweitwohnsitz anzumelden und dann weiter in der Universitätsstadt Aachen zu wohnen, geht nicht. Aber für Jaqueline Gensrich war es kein Problem, in eine Kleinstadt zu ziehen:

    "Da ich vorher in Düren gewohnt habe, war es für mich keine große Umstellung und in Aachen ist der Wohnungsmarkt hart umkämpft und hier habe ich eine große geräumige Wohnung für einen vernünftigen Preis und das ist auf jeden Fall in Ordnung."

    Das ist auch ein Aspekt des Eschweiler-Programms: Es soll auch das nur ein paar Kilometer entfernte Aachen entlasten. Schon jetzt leben in Aachen mehr Studierende als je zuvor, es gibt kaum noch freie Wohnungen. Und mit den doppelten Abiturjahrgängen wird zum kommenden Wintersemester eine weitere Studentenschwemme erwartet.

    Rudi Bertram:

    "Das dauert nur noch ein paar Monate, dann wird das wirklich auf uns zukommen, insbesondere auf Aachen zukommen, und ich bin auch froh, dass die Aachener Kollegen jetzt mittlerweile mit uns zusammenarbeiten und dann werden wir sehen, dass wir uns gegenseitig stützen können."

    Angst davor, dass mit dem Studentenansturm Eschweiler von Tausenden Studierenden überrannt wird, die sich alle in der Stadt niederlassen und dafür 500 Euro pro Semester haben wollen, hat Rudi Bertram aber nicht:

    "Wer nach Aachen kommt und will dort studieren, der will auch in Aachen leben. Eschweiler ist eine Kleinstadt, Aachen ist hier in der Region eine Stadt mit einem guten kulturellen Angebot, da können wir nicht so mithalten."

    Allzu viele Studenten könnten in der Verwaltung wohl auch kaum gleichzeitig ein Praktikum machen:

    "Wir haben uns noch kein Limit gesetzt, aber wenn es in die Tausende gehen würde, da könnten wir natürlich das nicht mehr bewältigen. Es muss also für die Verwaltung verkraftbar sein, es muss für unser Budget verkraftbar sein und man muss auch versuchen, dann die jungen Leute mit etwas Geduld zu bewegen, das man sagt: Vielleicht im nächsten Jahr dann."

    Die große Studentenschwemme wird der Bürgermeister mit seinem speziellen Angebot also nicht auffangen können. Aber vielleicht gelingt es auf diese Weise ja tatsächlich, den einen oder anderen Studierenden später als Mitarbeiter für die Stadt zu gewinnen.

    Link:
    Informationen der Stadt Eschweiler