Oberstes Ziel darf nicht mehr ein Mehr an Entwicklungshilfe sein, das die Kräfte der Selbsthilfe lähmt, sondern so wenig Geld wie irgend möglich, nur so viel wie dringend nötig.
So lautet die Maxime von Volker Seitz Buch "Afrika wird armregiert". Die junge Sambierin Dambisa Moyo geht deutlich weiter und verlangt das Ende jeglicher Entwicklungszusammenarbeit, zumindest sollen keine Gelder mehr zwischen den Regierungen fließen. Beiden Autoren - Seitz und Moyo - ist gemein, dass sie dem Leser erklären wollen, was in Jahrzehnten afrikanischer Entwicklungshilfe schief gelaufen ist. Beide kritisieren einen ihrer Ansicht nach ziellosen Geldfluss. Beiden gelingt es aber letztendlich nicht, mit ihren Argumenten zu überzeugen.
Volker Seitz, ehemaliger Botschafter, war Jahrzehnte im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik tätig, auch in mehreren afrikanischen Hauptstädten. Im vergangenen Jahr beendete er seine Laufbahn als Botschafter in Kamerun. Seit seiner Pensionierung engagiert er sich beim sogenannten "Bonner Aufruf", einer Initiative, die eine andere Entwicklungspolitik fordert. Seitz Buch "Afrika wird armregiert" will uns diejenigen liefern, die für die dort grassierende Armut verantwortlich sind.
Ich habe im Laufe der Jahre viel gelernt über das globale Hilfsbusiness. Ich sah wie Steuergelder in sinnlose Projekte, in Konferenz-, Workshop- und Reisezirkus versenkt wurden, wie der Rest in die Taschen der einheimischen Machtelite floss und riesige Bürokratien bewässerte, die fortan nur eines im Sinn hatten: mit dem warmen Geldfluss ihr feudales Leben zu sichern.
Auf 202 Seiten versucht der ehemalige Diplomat zu erklären, warum Hilfe eher lähmt, als dass sie Entwicklung vorantreibt. Durch den stetigen Geldfluss würden die afrikanischen Regierungen ihrer Pflicht entzogen, selbst für die Armutsbekämpfung einzustehen. Dafür stehe ein Heer an Hilfsorganisationen und Helfern bereit, die - losgelöst von den Problemen des Kontinents - auch ihre eigene Existenz sichern müssten. Eine weitere Kernkritik des Buches: Ohne genaues Ziel und Kontrolle flössen die Hilfsgelder nach Afrika. Seitz beschreibt uns den Kontinent als korrupt, viele Länder sind nur scheinbar demokratisch und behaftet mit enormen wirtschaftlichen Problemen. Schuld daran sei weniger der Kolonialismus als vielmehr die Kleptokratie der afrikanischen Eliten und die verfehlte Hilfe aus dem Norden. Das Urteil, dass Seitz über gut 50 Jahre Entwicklungszusammenarbeit fällt, ist vernichtend.
Zwischen 1960 und 2006 sind bis zu zwei Billionen Dollar nach Schwarzafrika geflossen. Pro Kopf der Bevölkerung erhielt jeder Afrikaner sechs Mal mehr als die Europäer durch den Marschallplan. Das Geld hat praktisch keine Verbesserung der dortigen Lebensumstände bewirkt. Kein einziges Land in Schwarzafrika wird nach dem gegenwärtigen Stand die Milleniumsziele der UN zur Armutsbekämpfung bis 2015 erfüllen. Bis dahin wollte die internationale Gemeinschaft eigentlich die Zahl der Armen in Afrika halbieren.
Trotz der scharfen Worte bleibt "Afrika wird armregiert" oft oberflächlich und bietet nur wenige neue Erkenntnisse über das Versagen der Entwicklungshilfe in Afrika. Diskussionswürdige Themen wie die umstrittenen Budgethilfen, also Gelder, die aus den Geberländern direkt in die Staatshaushalte der Empfängerländer fließen, werden nur angekratzt. Seitz widmet diesem, wie er es bezeichnet, "gefährlichen Instrument" ganze 6 Seiten. Andere relevante Themen wie Demokratiedefizite, Aids, Pressefreiheit oder Entschuldungsinitiativen werden ohne größeren Zusammenhang und wie in einem Lexikon auf je zwei, drei Seiten abgehandelt. Unklar bleibt auch, welche Entwicklungshilfe Seitz eigentlich kritisiert: Die staatliche, die kirchliche oder die private? Spricht er über deutsche oder internationale Hilfen? Außerdem unterschlägt Seitz, dass die Entwicklungszusammenarbeit - die deutsche und die internationale - längst einen Paradigmenwechsel vollzogen hat. Heute werden in der Regel gezielt Projekte in festgelegten Bereichen wie Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit gefördert. Wo also differenzierende Untersuchungen angebracht wären, fällt der Autor Pauschalurteile. Während der Lektüre von 'Afrika wird armregiert" drängt sich zuweilen der Verdacht auf, hier wolle sich einer den über die Jahre angestauten Botschafter-Frust über als unfähig erkannte afrikanische Staatsmänner von der Seele schreiben.
Es sind oft erfahrene Schauspieler, die raffiniert politische Komödie spielen. Sie beherrschen die hohe Kunst der Täuschung und Schmeichelei. Dabei sind sie selbstgewiss oder - noch schlimmer - von bemühter Ernsthaftigkeit. Das konnte ich oft mit eigenen Augen beobachten.
Frustration spüren wir bei Dambisa Moyo nicht. Ihr Buch ist radikaler. Sie fordert ein vollständiges Ende der zwischenstaatlichen Hilfe. Schluss mit dem Geldfluss von den Regierungen des Nordens hin nach Afrika. Spätestens in fünf Jahren - so ihre Forderung - soll der Geldhahn zugedreht sein. Dambisa Moyo stammt aus Afrika, aus Sambia. Sie ist Jahrgang 1969, hat in Harvard studiert, an der Universität Oxford ihren Doktor in Volkswirtschaft gemacht und war zuletzt Investmentbankerin bei Goldman&Sachs. Zahlenorientiert und chronologisch arbeitet sie in ihrem Buch "Dead Aid" das Elend Afrikas auf. Die Hilfe für Afrika seit den Zweiten Weltkrieg, Marschallplan, Afrika als Spielball im Kalten Krieg und die daraus resultierende Unterstützung blutigster Diktatoren. Die Kernaussage von "Dead Aid": Zwischenstaatliche Hilfe ist kontraproduktiv.
Ausländische Hilfe unterstützt korrupte Regierungen - unterfüttert sie mit frei verfügbarem Bargeld. Diese korrupten Regierungen drängen das Gesetz mehr und mehr beiseite. Daraus folgt, dass nationale und internationale Investitionen ausbleiben. Undurchsichtigkeiten und weniger Investitionen schmälern das wirtschaftliche Wachstum, damit weniger Arbeit und wachsende Armut. Als Antwort auf die wachsende Armut werden die Hilfsgelder aufgestockt.
Ein Teufelskreis, so Moyo. Die Sambierin gelangt in ihrer Argumentation zu der Aussage: Hilfe hilft nicht. Das Einzige, was wirklich hilft, ist der Markt - und davon handelt die zweite Hälfte des Buches. Die Lösung für Afrika sieht sie in freiem Handel und Selbstverantwortung. Als positives Beispiel betrachtet sie das Interesse Chinas an Afrika. Dambisa Moyo bei einem ihrer zahlreichen Fernsehauftritte.
"Ich finde es ist eine bemerkenswerte Geschichte, dass die Chinesen innerhalb von fünf bis zehn Jahren mehr erreicht haben als der Westen in 60 Jahren. Die Chinesen kommen einfach nach Afrika und suchen sich ihre Handelspartner. Natürlich sind sie nicht perfekt, wenngleich die westlichen Medien immer nur das Negative bei diesem Engagement sehen. Aber immerhin bauen sie in Afrika die Infrastruktur auf und investieren in den Kontinent."
Moyo stellt die wirtschaftliche Gesundung über die demokratische Entwicklung. Die junge Frau argumentiert schlüssig, unterschlägt allerdings elementare Punkte. Die längst rückläufigen Budgethilfen etwa. Außerdem bleibt fraglich, in wie fern ein unterentwickeltes Afrika sein Heil im freien Markt ohne Hilfen finden kann. "Dead Aid" und "Afrika wird armregiert" heizen die Diskussion um den Sinn bisheriger Entwicklungshilfe gehörig an, liefern dabei aber nur wenige neue und teilweise fadenscheinige Argumente. Das ist bedauerlich. Die Befürworter von Entwicklungshilfe sollten sich aber nicht in Sicherheit wähnen. Denn irgendetwas scheint ja tatsächlich schief zu laufen im Bemühen, Afrika zu helfen.
Oliver Ramme hat folgende Bücher besprochen: Volker Seitz: Afrika wird arm regiert, oder: Wie man Afrika wirklich helfen kann. Es ist bei dtv erschienen, hat 220 Seiten und kostet 14 Euro 90. Und von Dambisa Moyo stammt das Buch ,,Dead Aid". Es trägt den Untertitel: Why Aid is not working and how there is a different way for Africa. Das Buch ist in Großbritannien bei Penguin erschienen. 208 Seiten kosten 14 Pfund 99.
So lautet die Maxime von Volker Seitz Buch "Afrika wird armregiert". Die junge Sambierin Dambisa Moyo geht deutlich weiter und verlangt das Ende jeglicher Entwicklungszusammenarbeit, zumindest sollen keine Gelder mehr zwischen den Regierungen fließen. Beiden Autoren - Seitz und Moyo - ist gemein, dass sie dem Leser erklären wollen, was in Jahrzehnten afrikanischer Entwicklungshilfe schief gelaufen ist. Beide kritisieren einen ihrer Ansicht nach ziellosen Geldfluss. Beiden gelingt es aber letztendlich nicht, mit ihren Argumenten zu überzeugen.
Volker Seitz, ehemaliger Botschafter, war Jahrzehnte im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik tätig, auch in mehreren afrikanischen Hauptstädten. Im vergangenen Jahr beendete er seine Laufbahn als Botschafter in Kamerun. Seit seiner Pensionierung engagiert er sich beim sogenannten "Bonner Aufruf", einer Initiative, die eine andere Entwicklungspolitik fordert. Seitz Buch "Afrika wird armregiert" will uns diejenigen liefern, die für die dort grassierende Armut verantwortlich sind.
Ich habe im Laufe der Jahre viel gelernt über das globale Hilfsbusiness. Ich sah wie Steuergelder in sinnlose Projekte, in Konferenz-, Workshop- und Reisezirkus versenkt wurden, wie der Rest in die Taschen der einheimischen Machtelite floss und riesige Bürokratien bewässerte, die fortan nur eines im Sinn hatten: mit dem warmen Geldfluss ihr feudales Leben zu sichern.
Auf 202 Seiten versucht der ehemalige Diplomat zu erklären, warum Hilfe eher lähmt, als dass sie Entwicklung vorantreibt. Durch den stetigen Geldfluss würden die afrikanischen Regierungen ihrer Pflicht entzogen, selbst für die Armutsbekämpfung einzustehen. Dafür stehe ein Heer an Hilfsorganisationen und Helfern bereit, die - losgelöst von den Problemen des Kontinents - auch ihre eigene Existenz sichern müssten. Eine weitere Kernkritik des Buches: Ohne genaues Ziel und Kontrolle flössen die Hilfsgelder nach Afrika. Seitz beschreibt uns den Kontinent als korrupt, viele Länder sind nur scheinbar demokratisch und behaftet mit enormen wirtschaftlichen Problemen. Schuld daran sei weniger der Kolonialismus als vielmehr die Kleptokratie der afrikanischen Eliten und die verfehlte Hilfe aus dem Norden. Das Urteil, dass Seitz über gut 50 Jahre Entwicklungszusammenarbeit fällt, ist vernichtend.
Zwischen 1960 und 2006 sind bis zu zwei Billionen Dollar nach Schwarzafrika geflossen. Pro Kopf der Bevölkerung erhielt jeder Afrikaner sechs Mal mehr als die Europäer durch den Marschallplan. Das Geld hat praktisch keine Verbesserung der dortigen Lebensumstände bewirkt. Kein einziges Land in Schwarzafrika wird nach dem gegenwärtigen Stand die Milleniumsziele der UN zur Armutsbekämpfung bis 2015 erfüllen. Bis dahin wollte die internationale Gemeinschaft eigentlich die Zahl der Armen in Afrika halbieren.
Trotz der scharfen Worte bleibt "Afrika wird armregiert" oft oberflächlich und bietet nur wenige neue Erkenntnisse über das Versagen der Entwicklungshilfe in Afrika. Diskussionswürdige Themen wie die umstrittenen Budgethilfen, also Gelder, die aus den Geberländern direkt in die Staatshaushalte der Empfängerländer fließen, werden nur angekratzt. Seitz widmet diesem, wie er es bezeichnet, "gefährlichen Instrument" ganze 6 Seiten. Andere relevante Themen wie Demokratiedefizite, Aids, Pressefreiheit oder Entschuldungsinitiativen werden ohne größeren Zusammenhang und wie in einem Lexikon auf je zwei, drei Seiten abgehandelt. Unklar bleibt auch, welche Entwicklungshilfe Seitz eigentlich kritisiert: Die staatliche, die kirchliche oder die private? Spricht er über deutsche oder internationale Hilfen? Außerdem unterschlägt Seitz, dass die Entwicklungszusammenarbeit - die deutsche und die internationale - längst einen Paradigmenwechsel vollzogen hat. Heute werden in der Regel gezielt Projekte in festgelegten Bereichen wie Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit gefördert. Wo also differenzierende Untersuchungen angebracht wären, fällt der Autor Pauschalurteile. Während der Lektüre von 'Afrika wird armregiert" drängt sich zuweilen der Verdacht auf, hier wolle sich einer den über die Jahre angestauten Botschafter-Frust über als unfähig erkannte afrikanische Staatsmänner von der Seele schreiben.
Es sind oft erfahrene Schauspieler, die raffiniert politische Komödie spielen. Sie beherrschen die hohe Kunst der Täuschung und Schmeichelei. Dabei sind sie selbstgewiss oder - noch schlimmer - von bemühter Ernsthaftigkeit. Das konnte ich oft mit eigenen Augen beobachten.
Frustration spüren wir bei Dambisa Moyo nicht. Ihr Buch ist radikaler. Sie fordert ein vollständiges Ende der zwischenstaatlichen Hilfe. Schluss mit dem Geldfluss von den Regierungen des Nordens hin nach Afrika. Spätestens in fünf Jahren - so ihre Forderung - soll der Geldhahn zugedreht sein. Dambisa Moyo stammt aus Afrika, aus Sambia. Sie ist Jahrgang 1969, hat in Harvard studiert, an der Universität Oxford ihren Doktor in Volkswirtschaft gemacht und war zuletzt Investmentbankerin bei Goldman&Sachs. Zahlenorientiert und chronologisch arbeitet sie in ihrem Buch "Dead Aid" das Elend Afrikas auf. Die Hilfe für Afrika seit den Zweiten Weltkrieg, Marschallplan, Afrika als Spielball im Kalten Krieg und die daraus resultierende Unterstützung blutigster Diktatoren. Die Kernaussage von "Dead Aid": Zwischenstaatliche Hilfe ist kontraproduktiv.
Ausländische Hilfe unterstützt korrupte Regierungen - unterfüttert sie mit frei verfügbarem Bargeld. Diese korrupten Regierungen drängen das Gesetz mehr und mehr beiseite. Daraus folgt, dass nationale und internationale Investitionen ausbleiben. Undurchsichtigkeiten und weniger Investitionen schmälern das wirtschaftliche Wachstum, damit weniger Arbeit und wachsende Armut. Als Antwort auf die wachsende Armut werden die Hilfsgelder aufgestockt.
Ein Teufelskreis, so Moyo. Die Sambierin gelangt in ihrer Argumentation zu der Aussage: Hilfe hilft nicht. Das Einzige, was wirklich hilft, ist der Markt - und davon handelt die zweite Hälfte des Buches. Die Lösung für Afrika sieht sie in freiem Handel und Selbstverantwortung. Als positives Beispiel betrachtet sie das Interesse Chinas an Afrika. Dambisa Moyo bei einem ihrer zahlreichen Fernsehauftritte.
"Ich finde es ist eine bemerkenswerte Geschichte, dass die Chinesen innerhalb von fünf bis zehn Jahren mehr erreicht haben als der Westen in 60 Jahren. Die Chinesen kommen einfach nach Afrika und suchen sich ihre Handelspartner. Natürlich sind sie nicht perfekt, wenngleich die westlichen Medien immer nur das Negative bei diesem Engagement sehen. Aber immerhin bauen sie in Afrika die Infrastruktur auf und investieren in den Kontinent."
Moyo stellt die wirtschaftliche Gesundung über die demokratische Entwicklung. Die junge Frau argumentiert schlüssig, unterschlägt allerdings elementare Punkte. Die längst rückläufigen Budgethilfen etwa. Außerdem bleibt fraglich, in wie fern ein unterentwickeltes Afrika sein Heil im freien Markt ohne Hilfen finden kann. "Dead Aid" und "Afrika wird armregiert" heizen die Diskussion um den Sinn bisheriger Entwicklungshilfe gehörig an, liefern dabei aber nur wenige neue und teilweise fadenscheinige Argumente. Das ist bedauerlich. Die Befürworter von Entwicklungshilfe sollten sich aber nicht in Sicherheit wähnen. Denn irgendetwas scheint ja tatsächlich schief zu laufen im Bemühen, Afrika zu helfen.
Oliver Ramme hat folgende Bücher besprochen: Volker Seitz: Afrika wird arm regiert, oder: Wie man Afrika wirklich helfen kann. Es ist bei dtv erschienen, hat 220 Seiten und kostet 14 Euro 90. Und von Dambisa Moyo stammt das Buch ,,Dead Aid". Es trägt den Untertitel: Why Aid is not working and how there is a different way for Africa. Das Buch ist in Großbritannien bei Penguin erschienen. 208 Seiten kosten 14 Pfund 99.