Wenn die Welt alles ist, was in Google ist, dann hat es Paul Huron womöglich nie gegeben. Das hindert den Videokünstler Chris Kondek und den Schauspieler Matthias Breitenbach nicht, dem Leben des belgischen Filmemachers mit dem schwarzen Kassen-Brillengestell nachzuspüren, der angeblich Anfang der 80er-Jahre in Kuba verscholl.
Übrig geblieben sind Fotos von fragwürdiger Aussagekraft, konfuse Filmentwürfe, gefilmte Aussagen anderer über einen offenbar faszinierenden Mann, dem das Fragment wichtiger war als das Ganze und der ein Leben lang an seinem eigenen Verschwinden arbeitete. Kondek und Breitenbach machen aus ihrer lückenhaften Rekonstruktion dieser Biografie einen komischen Überbietungswettbewerb, eine hintersinnige Feier des Archivs. An vier langen Tischen, unterstützt von einer Hilfskraft mit Handschuh und Overheadprojektor, präsentieren sie ihre Funde und interpretieren Hurons Versuchsanordnungen auf eigenwillige Weise. In den weniger konzentrierten Passagen droht sich das zu verläppern, in den besseren entwickelt sich eine schwebende Poesie, deren Charme darüber hinwegtröstet, dass diese Art Performance selbst schon ein Fall fürs Archiv, weil längst historisch ist.
Wenn Chris Kondeks "Even the dead are not safe from the living" ein Spiel mit dem Niemandsland zwischen Gedächtnis und Erfindungskraft war, fiel "Knotunknot", also "Knoten und Entknoten" von Dana Caspersen und William Forsythe, ins Ungewisse zwischen Integrationspädagogik und Kunstanstrengung. Im ersten Teil wurde das Publikum an Vierertische gesetzt und in ein zeitlich streng getaktetes Debattierkonzept zum Thema Migration gepresst. Woher kommen Sie? Was betrachten Sie als Ihre Heimat? Welche persönlichen Erfahrungen haben Ihre Haltung zu diesem Thema geprägt? Die kommende halbe Stunde gab eine Ahnung davon, wie viele individuelle Erzählungen vom Einwanderungsland Deutschland ans Licht gehoben werden könnten, wenn sie nur jemand hören wollte – doch schon wurden die zu Erzählern gewordenen Zuschauer neugierig, ratlos oder aufgewühlt, in einen Nebenraum entlassen, wo es einen Haufen schwarzer Seile zur ver- und entknoten galt – eine metaphorische Web- und Textarbeit, in der die Erzählansätze sich schnell verflüchtigten.
Immerhin, da hatte etwas begonnen, das fortzusetzen sich lohnen würde.
Sie sind mutig, die Frankfurter Positionen. Ausschließlich Uraufführungen von Auftragsarbeiten anzubieten, ist riskant, und erfahrungsgemäß bieten weder sachkundige Juries noch große Namen eine verlässliche Qualitätsgarantie.
Der Makedone Dejan Dukovski etwa, nach dem Zerfall Jugoslawiens einer der wichtigsten Dramatiker auf dem Balkan, bot mit "Jagd nach Schmetterlingen" ein bizarres Stück über evakuierte Nazisprösslinge, das in der szenischen Lesung vor allem von der Spielfreude der Schauspieler lebte, die Frage nach der Relevanz hingegen großzügig ignorierte. Und das Hörspiel "Decisions – Entscheidungen 02" von Christoph Mayer und Andreas Hagelüken konnte sich selbst nicht entscheiden zwischen den Möglichkeiten einer Rauminstallation und der Reflexion über Empathie, Anpassung und Moral, geschweige denn sinnlich zwischen Körperlerlebnis und Theorie vermitteln.
Eins aber hat das Auftaktwochenende der Frankfurter Positionen gezeigt: Alle Kunst gründet im Niemandsland, sofern sie den Blick freiräumt und ihre eigenen Setzungen behauptet. Wenn der Begriff aber fruchtbar gemacht werden soll für die gesellschaftliche Diskussion, wird sich zeigen, dass das Niemandsland immer schon besetzt ist. Wie daraus eine "neue Sozialordnung" entstehen könnte – diese Frage stellt ein Symposium in der zweiten Hälfte des Festivals ab Freitag.
Übrig geblieben sind Fotos von fragwürdiger Aussagekraft, konfuse Filmentwürfe, gefilmte Aussagen anderer über einen offenbar faszinierenden Mann, dem das Fragment wichtiger war als das Ganze und der ein Leben lang an seinem eigenen Verschwinden arbeitete. Kondek und Breitenbach machen aus ihrer lückenhaften Rekonstruktion dieser Biografie einen komischen Überbietungswettbewerb, eine hintersinnige Feier des Archivs. An vier langen Tischen, unterstützt von einer Hilfskraft mit Handschuh und Overheadprojektor, präsentieren sie ihre Funde und interpretieren Hurons Versuchsanordnungen auf eigenwillige Weise. In den weniger konzentrierten Passagen droht sich das zu verläppern, in den besseren entwickelt sich eine schwebende Poesie, deren Charme darüber hinwegtröstet, dass diese Art Performance selbst schon ein Fall fürs Archiv, weil längst historisch ist.
Wenn Chris Kondeks "Even the dead are not safe from the living" ein Spiel mit dem Niemandsland zwischen Gedächtnis und Erfindungskraft war, fiel "Knotunknot", also "Knoten und Entknoten" von Dana Caspersen und William Forsythe, ins Ungewisse zwischen Integrationspädagogik und Kunstanstrengung. Im ersten Teil wurde das Publikum an Vierertische gesetzt und in ein zeitlich streng getaktetes Debattierkonzept zum Thema Migration gepresst. Woher kommen Sie? Was betrachten Sie als Ihre Heimat? Welche persönlichen Erfahrungen haben Ihre Haltung zu diesem Thema geprägt? Die kommende halbe Stunde gab eine Ahnung davon, wie viele individuelle Erzählungen vom Einwanderungsland Deutschland ans Licht gehoben werden könnten, wenn sie nur jemand hören wollte – doch schon wurden die zu Erzählern gewordenen Zuschauer neugierig, ratlos oder aufgewühlt, in einen Nebenraum entlassen, wo es einen Haufen schwarzer Seile zur ver- und entknoten galt – eine metaphorische Web- und Textarbeit, in der die Erzählansätze sich schnell verflüchtigten.
Immerhin, da hatte etwas begonnen, das fortzusetzen sich lohnen würde.
Sie sind mutig, die Frankfurter Positionen. Ausschließlich Uraufführungen von Auftragsarbeiten anzubieten, ist riskant, und erfahrungsgemäß bieten weder sachkundige Juries noch große Namen eine verlässliche Qualitätsgarantie.
Der Makedone Dejan Dukovski etwa, nach dem Zerfall Jugoslawiens einer der wichtigsten Dramatiker auf dem Balkan, bot mit "Jagd nach Schmetterlingen" ein bizarres Stück über evakuierte Nazisprösslinge, das in der szenischen Lesung vor allem von der Spielfreude der Schauspieler lebte, die Frage nach der Relevanz hingegen großzügig ignorierte. Und das Hörspiel "Decisions – Entscheidungen 02" von Christoph Mayer und Andreas Hagelüken konnte sich selbst nicht entscheiden zwischen den Möglichkeiten einer Rauminstallation und der Reflexion über Empathie, Anpassung und Moral, geschweige denn sinnlich zwischen Körperlerlebnis und Theorie vermitteln.
Eins aber hat das Auftaktwochenende der Frankfurter Positionen gezeigt: Alle Kunst gründet im Niemandsland, sofern sie den Blick freiräumt und ihre eigenen Setzungen behauptet. Wenn der Begriff aber fruchtbar gemacht werden soll für die gesellschaftliche Diskussion, wird sich zeigen, dass das Niemandsland immer schon besetzt ist. Wie daraus eine "neue Sozialordnung" entstehen könnte – diese Frage stellt ein Symposium in der zweiten Hälfte des Festivals ab Freitag.