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Gen-Arche in San Diego

Biologie. - Pandas, Nashörner, Gorillas - die Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten ist lang. Der Zoo im kalifornischen San Diego bewahrt seltene Tiere auf eine ganz besondere Weise für die Zukunft. Er lagert Zellproben in gigantischen Eisschränken. Die Sammlung ist aber auch eine Fundgrube für Genetiker.

Von Ralf Geißler |
    Die Arche Noah der Moderne befindet sich in Kalifornien. In einem unscheinbaren Gebäude des Zoos von San Diego werden die Zellen von 2600 Tieren aufbewahrt. Sie lagern in sechs großen Gefrierschränken. Eine Stickstoffpumpe kühlt sie auf Minus 196 Grad Celsius. Das macht die Zellen für die Ewigkeit haltbar. Oliver Ryder arbeitet als Genetiker in der modernen Arche von San Diego.

    Die am meisten gefährdete Art ist wahrscheinlich das Nashorn. Aber wir haben eine ganz breite Palette an Tieren. Wir haben Klapperschlangen und Gürteltiere, Nilpferde und Elefanten, Fledermäuse und Wale, Alpakas, Koalabären und Orang-Utans.

    "Frozen Zoo" nennen die Wissenschafter die Sammlung: Gefrorener Zoo. Es ist die weltweit größte Gen-Datenbank gefährdeter Tierarten. Gegründet hat sie - vor mehr als 40 Jahren - ein Deutscher. Der Hamburger Kurt Benirschke begann in den sechziger Jahren eine Karriere als Tierpathologe in San Diego.

    Damals hatte ich so viele neue Tiere in Angriff, dass ich die nicht alle auf einmal aufarbeiten konnte. Und da sagten wir damals, es ist am besten, wir frieren sie ein in flüssigem Stickstoff und arbeiten sie dann in Ruhe auf.

    Später sammelte Benirschke dann systematisch Gewebeproben. Heute dient seine Zell-Datenbank der Gen-Forschung. Die Wissenschaftler des Zoos von San Diego vergleichen zum Beispiel den genetischen Code verschiedener Nashorn-Arten. Sie wollen herausfinden, wie ähnlich sich die Arten wirklich sind. Im April 2003 wurde zum ersten Mal ein Tier aus der Datenbank geklont: ein Banteng - eine vom Aussterben bedrohte asiatische Rinderart. Genetiker Ryder setzt große Hoffnungen auf das Kalb:

    Wir werden sehen, ob der Junge gute Nachfahren produzieren kann. Wir werden seinen Gesundheitszustand beobachten und die Gesundheit seiner Nachkommen.

    Ryder hofft, mit Hilfe des Klonens Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Bereits in den siebziger Jahren hat der Zoo von San Diego das Center for Reproduction of Endangered Species gegründet - das Zentrum für die Fortpflanzung gefährdeter Tierarten. Heute arbeiten 80 Wissenschaftler in den Laboren. Der Frozen Zoo ist wertvollster Teil des Zentrums. Um zu verhindern, dass die Gen-Datenbank durch Naturkatastrophen vernichtet wird, gibt es alle Zell-Proben seit einigen Jahren zwei mal. Die Duplikate werden an einem geheimen Ort aufbewahrt. Vor fünf Jahren, so erzählt Kurt Benirschke, hat der Zoo von San Diego seine Sammelanstrengungen noch einmal verstärkt.

    Jetzt sammeln wir auch die Zellen von Vögeln. Da gibt es zum Beispiel einen Vogel in Hawaii von dem es nur noch zwei oder drei gibt. Oder die Kondore, die kalifornischen Kondore, die sind in der Bank.

    Benirschke und Ryder sind sich sicher, dass ihre Gen-Datenbank Zukunft hat. Schon jetzt fordern Wissenschaftler aus der ganzen Welt Material aus der Sammlung für eigene Forschungen an.

    Wir haben schon 500 Proben in 17 Länder verschickt. Erst kürzlich fragte mich auf einer Veranstaltung ein deutscher Wissenschaftler aus Leipzig: Kann ich eine Probe von Deinen Affen haben? Und ich habe geantwortet: Klar, schreibe mir einfach einen Brief.

    Den Service bietet der Zoo von San Diego nahezu kostenlos. Lediglich Porto und Verpackung müssen die Interessenten bezahlen. Außerdem sind Import-Genehmigungen vorzulegen. Denn wer will schon, dass gefrorene Affen-Zellen am deutschen Zoll für Verwirrung sorgen.