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Gene gegen Krebs

Onkologie. - In der Behandlung von Tumoren werden Gentherapie und Immuntherapie schon seit über 20 Jahren diskutiert und erforscht, bislang aber ohne durchschlagenden Erfolg. Seit einiger Zeit versuchen Forscher, die beiden Therapieansätze zu kombinieren und das Immunsystem der Patienten mit Hilfe von fremden Genen gegen den Krebs im eigenen Körper aufzurüsten - mit ersten Erfolgen

Von Volkart Wildermuth | 10.12.2008
    Das Melanom, der schwarzer Hautkrebs ist tödlich, wenn die Tochtergeschwulste erst überall im Köper zu finden sind. Manchmal, ganz selten aber geschieht ein medizinisches Wunder. Die Beulen unter der Haut bilden sich zurück, die schwarzen Flecken schrumpfen. Das Immunsystem hat den Feind, die Krebszellen, gerade noch rechtzeitig erkannt und bekämpft sie nun konsequent. Solche Einzelfälle der Selbstheilung faszinieren Mediziner und spornen sie an, dem trägen Immunsystem der großen Mehrheit der Melanompatienten irgendwie auf die Sprünge zu helfen. Richard Morgan von den amerikanischen National Institutes of Health, den nationalen Gesundheitsinstituten:

    " Wenn man sich den Krebsherd ansieht, den der Chirurg entfernt hat, dann findet man immer einige weiße Blutkörperchen, die den Krebs bekämpfen, aber es sind eben nur sehr wenige. "

    Offenbar gibt es im Immunsystem der Melanompatienten immer das Potential zur Selbstheilung, es wird aber nicht genutzt. Einige Kliniken bieten hier schon heute Hilfestellung an. Sie nehmen die wenigen Abwehrzellen aus der Tumorprobe, vermehren sie im Labor und injizieren sie dann zurück in den Körper der Patienten. Etwa bei der Hälfte von ihnen gehen die Metastasen tatsächlich zurück, zumindest zeitweise. Leider gelingt es längst nicht bei allen Patienten ausreichende Mengen spezifischer Abwehrzellen aus der Tumorprobe zu züchten. Richard Morgan geht deshalb einen anderen Weg. Aus einer Blutprobe isoliert er die ganz normalen Abwehrzellen der Patienten. Damit hat er reichlich Ausgangsmaterial, diese Zellen reagieren aber nicht auf den Tumor. Mit Hilfe der Gentherapie lassen sie sich auf die richtige Spur bringen. Die effektiven Abwehrzellen aus dem Krebsherd tragen auf ihrer Außenseite eine Art Greifarm, mit dem sie sich ganz spezifisch an den Tumorzellen festklammern. Das Gen für diesen Greifarm übertrug Richard Morgan auf die ganz gewöhnlichen Abwehrzellen und verwandelte sie so in Tumorkiller.

    " Vor zwei Jahren haben wir eine erste Studie veröffentlicht. Vier der 31 Patienten zeigten eine Reaktion nach der Gabe dieser genetisch aufgerüsteten Abwehrzellen. Das heißt, ihr Tumor schrumpfte um fast ein Drittel ein, und der Effekt hielt mindestens drei Monate an, ohne dass sich neue Metastasen bildeten. Wir sind gerade in einer zweiten Studie, bei der wir den Effekt noch steigern konnten. "

    In dieser neuen Studie profitiert ein Viertel der Patienten von der Kombination aus Gen- und Immuntherapie, zumindest über drei Monate. Von Heilung kann also nicht die Rede sei. Aber man darf nicht vergessen: Bei den Patienten hatten bereits alle anderen Behandlungsversuche fehlgeschlagen. Für sie war die neue Therapie ein letzter Hoffnungsschimmer. Allerdings gibt es auch Nebenwirkungen, weil die Abwehrzellen teilweise normale Zelltypen angreifen. Viele Patienten leiden zeitweilig unter extremen Hautrötungen, haben Hör- oder Sehstörungen. Diese lassen sich aber mit gängigen Medikamenten den Griff bekommen. Schritt für Schritt entwickelt Richard Morgan die Kombination aus Gen- und Immuntherapie weiter, und glaubt jetzt endlich auf der Spur einer wirksamen Behandlung zu sein.

    " Auf diesem Gebiet wird seit fast 20 Jahren geforscht. Aber wir haben erst in den letzten fünf Jahren gelernt, Gene effektiv zu übertragen und einzuschalten. Dank dieser technischen Entwicklungen sehen wir jetzt Fortschritte nicht nur bei der Behandlung von Krebs, sondern auch von seltenen Erbkrankheiten. Ich denke, in den nächsten zehn Jahren wird sich die Gentherapie bei diesen Krankheiten zur einer Behandlungsstrategie entwickeln, die die Ärzte ihren Patienten anbieten können. "

    Langsam aber sicher findet die Gentherapie ihre Nische, Krankheiten bei denen sie gegenüber den etablierten Behandlungsverfahren einen Vorteil bietet. Das ist weit entfernt von den Träumen, über die Erbsubstanz die Medizin zu revolutionieren. Aber es sieht so aus als ob sie einigen Patienten eine neue Chance geben kann.