Von Volkart Wildermuth
Auch Mäuse haben Charakter. Es gibt mutige Tiere, die unbekanntes Terrain sofort erkunden und ängstliche, die lieber mit ihren Nestgenossen kuscheln. Professor Inga Neumann wollte wissen, was diese Verhaltensunterschiede verursacht. Dazu kreuzte sie jeweils die mutigsten Tiere miteinander und in einem zweiten Versuch die jeweils ängstlichsten. Nach mehreren Generationen erhielt sie Mauslinien, die sich in ihrem Verhalten deutlich unterschieden. Im einen Käfig waren fast alle Draufgänger, im anderen fast alle Angsthasen. Ein weiteres Kreuzungsexperiment zeigte der Verhaltensforscherin von der Universität Regensburg, das die Charaktermerkmale wirklich erblich waren. Neumann:
Wenn wir Angstvater mit Mutmutter oder Angstmutter mit Mutvater paaren, dann kriegen wir Nachkommen, die, würden wir sagen, ein normales Angstverhalten haben, die weder das eine noch das andere Extrem reflektieren. Das ist ein Hinweis auf genetische Determination der Angst.
Ein zweiter Hinweis ist, dass eine erbliche Neigung zur Angst nicht durch das vorbildliche Pflegeverhalten gemildert wird, das gerade die ängstlichen Mütter zeigen. Ursachse sind wahrscheinlich Veränderungen im Hormonsystem des Gehirns, die bei den ängstlichen Tieren zu einer übersteigerten Stressreaktion führt. Dieser Befund scheint James Watson recht zu geben. Der Mitentdecker der DNA-Struktur sagte einmal, unser Schicksal steht nicht in den Sternen sondern in den Genen. Das die Gene aber doch nicht allmächtig sind, zeigt jetzt ein weiteres Experiment von Inga Neumann, bei dem mutige und ängstlichen Mäusejunge jeweils mehrere Tage für zwei Stunden von ihren Müttern getrennt wurden. Normalerweise macht ein solcher Stress kurz nach der Geburt Mäuse zu ängstlichen Tieren wenn sie dann ausgewachsen sind. Genauso war es bei dem Mäusestamm mit den mutigen Genen. Neumann:
Die entsprechen den publizierten Daten, indem sie nach Separation mit der Mutter deutlich ängstlicher werden, sie zeigen eine erhöhte Emotionalität, sie sind weniger aktiv in ihrem Stressbewältigungsstrategie, und das ist ganz gegensätzlich in den angeborenen, genetisch determinierten Angsttieren. Die werden nämlich mutiger, die verbessern ihre genetische Disposition dahingehend, dass sie, nachdem die genetische Ausstattung sich an der Wirklichkeit orientieren konnte, die werden weniger ängstlich, das heißt die beiden Zuchtstämme nähern sich an.
Früher Stress macht die genetisch mutigen Tiere ängstlicher und die von den Erbanlagen her ängstlichen Tiere mutig. Allerdings lässt sich die Persönlichkeit so nur in den ersten Lebenswochen beeinflussen. Später ist sie dann weitgehend fest geschrieben und kann durch weitere Erfahrungen kaum noch verändert werden. Einerseits gibt es bei den Mäusen also Gene, die ihre Persönlichkeit stark beeinflussen. Andererseits kann ihr Einfluss in den ersten Lebenswochen noch zurückgedrängt werden. Ein Paradox, das erst aus der Perspektive der Evolution Sinn macht. Eine Vielfalt von Verhaltensformen ist einerseits ein Vorteil, wenn sie eine Art in unterschiedlichen Lebensräumen durchsetzten muss. Unter normalen Bedingungen dürften extreme Charakterzüge andererseits meist unangebracht sein. Neumann:
Es kommt darauf an, trotz extremer genetischer Disposition eine angepasst ähnliche emotionale Reaktion zu zeigen, und das kann passieren, in unserem Modell, wenn die Tiere in dem kritischen Zeitfenster die Chance hatten Umweltstimuli negative oder auch positive Umweltstimuli zu erfahren und sich mit diesen Umweltstimuli aktiv auseinander zu setzen, dann kann offensichtlich die genetische Prädisposition variiert werden.
Für die kleinen Nager sind die Gene also nicht Schicksal. Frühe Erfahrungen können sie auf ihre Umwelt vorbereiten, und das, davon ist Inga Neumann überzeugt, gilt genauso auch für den Menschen:
Besonders ängstliche Kinder sollte man durchaus milden Stimuli aussetzen, man sollte sie durchaus forcieren, bestimmte Aufgaben zu machen oder sich auch mal das Gerüst hoch zu trauen, und so weiter. Das heißt ein milder Stress kann ganz gewiss nicht schaden. Man muss hier sehr vorsichtig sein, aber also ich denke, wir wissen viel zu wenig über genetische und Umweltfaktoren beim Menschen, aber die Mechanismen werden genau dieselben sein wie wir sie im Tiermodell untersuchen.
Auch Mäuse haben Charakter. Es gibt mutige Tiere, die unbekanntes Terrain sofort erkunden und ängstliche, die lieber mit ihren Nestgenossen kuscheln. Professor Inga Neumann wollte wissen, was diese Verhaltensunterschiede verursacht. Dazu kreuzte sie jeweils die mutigsten Tiere miteinander und in einem zweiten Versuch die jeweils ängstlichsten. Nach mehreren Generationen erhielt sie Mauslinien, die sich in ihrem Verhalten deutlich unterschieden. Im einen Käfig waren fast alle Draufgänger, im anderen fast alle Angsthasen. Ein weiteres Kreuzungsexperiment zeigte der Verhaltensforscherin von der Universität Regensburg, das die Charaktermerkmale wirklich erblich waren. Neumann:
Wenn wir Angstvater mit Mutmutter oder Angstmutter mit Mutvater paaren, dann kriegen wir Nachkommen, die, würden wir sagen, ein normales Angstverhalten haben, die weder das eine noch das andere Extrem reflektieren. Das ist ein Hinweis auf genetische Determination der Angst.
Ein zweiter Hinweis ist, dass eine erbliche Neigung zur Angst nicht durch das vorbildliche Pflegeverhalten gemildert wird, das gerade die ängstlichen Mütter zeigen. Ursachse sind wahrscheinlich Veränderungen im Hormonsystem des Gehirns, die bei den ängstlichen Tieren zu einer übersteigerten Stressreaktion führt. Dieser Befund scheint James Watson recht zu geben. Der Mitentdecker der DNA-Struktur sagte einmal, unser Schicksal steht nicht in den Sternen sondern in den Genen. Das die Gene aber doch nicht allmächtig sind, zeigt jetzt ein weiteres Experiment von Inga Neumann, bei dem mutige und ängstlichen Mäusejunge jeweils mehrere Tage für zwei Stunden von ihren Müttern getrennt wurden. Normalerweise macht ein solcher Stress kurz nach der Geburt Mäuse zu ängstlichen Tieren wenn sie dann ausgewachsen sind. Genauso war es bei dem Mäusestamm mit den mutigen Genen. Neumann:
Die entsprechen den publizierten Daten, indem sie nach Separation mit der Mutter deutlich ängstlicher werden, sie zeigen eine erhöhte Emotionalität, sie sind weniger aktiv in ihrem Stressbewältigungsstrategie, und das ist ganz gegensätzlich in den angeborenen, genetisch determinierten Angsttieren. Die werden nämlich mutiger, die verbessern ihre genetische Disposition dahingehend, dass sie, nachdem die genetische Ausstattung sich an der Wirklichkeit orientieren konnte, die werden weniger ängstlich, das heißt die beiden Zuchtstämme nähern sich an.
Früher Stress macht die genetisch mutigen Tiere ängstlicher und die von den Erbanlagen her ängstlichen Tiere mutig. Allerdings lässt sich die Persönlichkeit so nur in den ersten Lebenswochen beeinflussen. Später ist sie dann weitgehend fest geschrieben und kann durch weitere Erfahrungen kaum noch verändert werden. Einerseits gibt es bei den Mäusen also Gene, die ihre Persönlichkeit stark beeinflussen. Andererseits kann ihr Einfluss in den ersten Lebenswochen noch zurückgedrängt werden. Ein Paradox, das erst aus der Perspektive der Evolution Sinn macht. Eine Vielfalt von Verhaltensformen ist einerseits ein Vorteil, wenn sie eine Art in unterschiedlichen Lebensräumen durchsetzten muss. Unter normalen Bedingungen dürften extreme Charakterzüge andererseits meist unangebracht sein. Neumann:
Es kommt darauf an, trotz extremer genetischer Disposition eine angepasst ähnliche emotionale Reaktion zu zeigen, und das kann passieren, in unserem Modell, wenn die Tiere in dem kritischen Zeitfenster die Chance hatten Umweltstimuli negative oder auch positive Umweltstimuli zu erfahren und sich mit diesen Umweltstimuli aktiv auseinander zu setzen, dann kann offensichtlich die genetische Prädisposition variiert werden.
Für die kleinen Nager sind die Gene also nicht Schicksal. Frühe Erfahrungen können sie auf ihre Umwelt vorbereiten, und das, davon ist Inga Neumann überzeugt, gilt genauso auch für den Menschen:
Besonders ängstliche Kinder sollte man durchaus milden Stimuli aussetzen, man sollte sie durchaus forcieren, bestimmte Aufgaben zu machen oder sich auch mal das Gerüst hoch zu trauen, und so weiter. Das heißt ein milder Stress kann ganz gewiss nicht schaden. Man muss hier sehr vorsichtig sein, aber also ich denke, wir wissen viel zu wenig über genetische und Umweltfaktoren beim Menschen, aber die Mechanismen werden genau dieselben sein wie wir sie im Tiermodell untersuchen.