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Gentest verrät Infektionsweg

Hygiene. - Multiresistente Bakterien lassen sich nicht mit gängigen Antibiotika bekämpfen und manche von ihnen überleben sogar die aufwändigsten Reinigungsprozeduren. Deshalb sind sie in Krankenhäusern so gefürchtet. Das größte Problem ist aber, dass das Personal in den Krankenhäusern oftmals nicht genau weiß, wie der Keim von einem Patienten auf den anderen übertragen wird und wer wen ansteckt. Ein US-Forscherteam hat nun echte Puzzlearbeit geleistet und die Infektionswelle mit einem resistenten Keim in einem Krankenhaus nach gezeichnet.

Von Christine Westerhaus |
    Klebsiella pneumoniae gehört eigentlich nicht zu der Sorte von Keimen, vor denen man sich als gesunder Mensch fürchten muss. Dieses Bakterium überlebt im Darm oft unbemerkt, ohne Symptome auszulösen. Im Krankenhaus kann dieser Keim jedoch gefährlich werden: Bei Patienten mit einer geschwächten Immunabwehr löst Klebsiella lebensbedrohliche Infektionen aus. Auch die Todesfälle auf der Neugeborenenstation in Bremen im vorigen Jahr gehen auf resistente Vertreter dieser Keime zurück. Dort starben 2011 drei Frühchen. Am Health Clinical Center im amerikanischen Bethesda kam es im gleichen Jahr zu sechs Todesfällen. Was genau sich in der Klinik abgespielt hatte, erfuhren Tara Palmore und ihre Kollegen, als sie das komplette Genom der Erreger analysierten.

    "Die genetischen Tests zeigten, dass die Übertragungswege viel verschlungener waren, als wir es erwartet hatten. Wir haben auch gesehen, dass die Erreger viel leichter übertragen werden, als wir dachten und dass es deshalb wichtig ist, ein umfangreicheres Netz von Überwachungsmaßnahmen zu etablieren."

    Um den Weg der Infektionswelle nachvollziehen zu können, analysierten die Forscher die kompletten Genome aller Klebsiella-Erreger, die sie in den infizierten Patienten fanden. Anhand winziger Unterschiede im Erbgut konnten sie erkennen, dass sich offenbar alle Infizierten bei einer Person angesteckt hatten. Diese Patientin hatte den resistenten Keim aus einem anderen Krankenhaus eingeschleppt.

    "Ich denke, dass wir übertragbare Krankheiten mit der kompletten Genomanalyse der Erreger viel besser analysieren können. Wenn man weiß, in welcher Reihenfolge sich die Patienten angesteckt haben, lässt sich eine Epidemie viel leichter in den Griff bekommen. Dann können wir Hygienemaßnahmen treffen, um zu verhindern, dass sich der Erreger weiter ausbreitet."

    Die Genomanalysen ähneln einer detektivischen Spurensuche. So fanden Tara Palmore und ihre Kollegen den resistenten Keim auch auf einem Ventilator, obwohl er zwei Mal gereinigt worden war, nachdem die Patientin ihn benutzt hatte. Auch im Abflussrohr der sanitären Einrichtungen entdeckten sie den Erreger. Nicht alle Erkrankten hatten tatsächlich vor der Infektion einen direkten Kontakt zu der Person, die den widerstandsfähigen Keim eingeschleppt hatte. Erst Wochen nachdem diese Patientin die Klinik wieder verlassen hatte, traten die ersten Krankheitsfälle auf. Palmore:

    "In manchen Fällen waren die Patienten schon wochenlang mit dem resistenten Erreger infiziert, bevor wir sie entdecken konnten. In der Zwischenzeit können die Keime aber auf weitere Personen übertragen worden sein, obwohl wir sie in unseren Kulturen nicht nachweisen konnten."

    Um den hartnäckigen Klebsiella-Keim endgültig zu verbannen, untersuchten die Forscher Proben aller Patienten im ganzen Krankenhaus. So konnten sie auch die letzten Kandidaten identifizierten, die zwar von dem Keim besiedelt, aber bisher nicht daran erkrankt waren. Tara Palmore geht davon aus, dass die aufwändigen Erbgutprofile in Zukunft dabei helfen werden, Infektionswellen mit resistenten Erregern besser in den Griff zu bekommen.

    "Inzwischen hat fast jedes Land solche Keime identifiziert, darunter sogar solche, die gegen alle Antibiotika resistent und damit nicht behandelbar sind. Das ist wirklich ein globales Problem und ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir zu spüren bekommen, dass die Antibiotika-Forschung so wenige Fortschritte gemacht hat. Wir können am Erbgut der Erreger aber auch studieren, wie Resistenzen gegen Antibiotika entstehen. Das hilft uns besser zu verstehen, warum Bakterien multiresistent werden."