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Genügend Wasser für die Welt

Umwelt. - Nach Schätzungen von Fachleuten wird in 20 Jahren fast die Hälfte der Weltbevölkerung unter Wassermangel leiden - wenn bis dahin nichts geschieht. Auf der ISMAR 2005, einem internationalen Symposium in Berlin, wurden jetzt besonders preiswerte und umweltfreundliche Methoden der Wassergewinnung vorgestellt.

Von Tarik Ahmia |
    Mehr als 200 Forscher aus 44 Nationen kamen nach Berlin, um sich über ein besonders effektives Verfahren gegen den global zunehmenden Wassermangel auszutauschen: die so genannte Grundwasseranreicherung. Die Idee ist, den Vorrat an Grundwasser durch gezieltes Versickern von Oberflächenwasser zu erhöhen. Flusswasser oder gereinigtes Brauchwasser kommt dafür in Frage. Der größte Vorteil der Grundwasseranreicherung ist, dass sie ohne teure Reinigungstechnik wie Aktivkohle- oder UV-Filter auskommt. Allein die Filterwirkung eines sandigen Untergrundes reinigt das Oberflächenwasser. Deshalb eignet sich das naturnahe Reinigungsverfahren auch für ärmere Länder. Dr. Bodo Weigert vom Berliner "Kompetenzzentrum Wasser":

    "Es ist eine Möglichkeit, neue Wasserressourcen zu erschließen. Das heißt gereinigtes oder gebrauchtes Wasser nicht schnellstmöglich in die Gewässer zu geben, die dann entwässern in die Meere, sondern vor Ort regional zu halten und wieder regional zu nutzen. Der Untergrund wird also als großer Wasserspeicher aktiv genutzt."

    Grundwasseranreicherung ist aber keineswegs nur für Entwicklungsländer interessant. Auch Industrieländer mit wasserarmen Regionen wie die USA oder Australien arbeiten intensiv an Verfahren zum Wasserrecycling. Auf welche Weise die unterschiedlichen Sandschichten viele Schadstoffe im Lauf der Filtration aus dem Wasser entfernen, ist bis heute nur in Ansätzen verstanden. Klar ist jedoch, dass bestimmte Schadstoffe vom Boden aufgenommen oder mikrobiologisch abgebaut werden. Am genauesten erforscht wurden diese Vorgänge bislang in Berlin. Die Stadt gewinnt seit über 100 Jahren den Großteil ihres Trinkwassers aus der Uferfiltration von Seen und Flüssen. "Uferfiltration" ist eine Form der Grundwasseranreicherung, denn das Oberflächenwasser der Flüsse wird durch die Sandschichten des Ufers gefiltert und sickert dann in Trinkwasserqualität in den Untergrund. Eine mehrjährige, fächerübergreifende Analyse dieser natürlichen Reinigungsvorgänge in Berlin hilft nun den Experten aus allen Kontinenten, den Prozess der Filterung von Schadstoffen besser zu verstehen. Heute werden weltweit die Erfahrungen hunderter Projekte zur Grundwasseranreicherung koordiniert, sagt der australische Wasserforscher Peter Dillon. Die Nachhaltigkeit dieser Projekte ist ein entscheidender Vorteil:

    "Sie ist uns wirklich wichtig, denn für Entwicklungsländer mit Wassermangel kann die Grundwasseranreicherung eine der besten Quellen für eine sichere Wasserversorgung sein. Uferfiltration wie sie in Berlin praktiziert wird, ist ein tolles Beispiel für den Rest der Welt."

    Die Zusammenarbeit beim Thema Grundwasseranreicherung ist ein erfolgreiches Beispiel dafür, wie sich dem globalen Problem der Wasserknappheit durch weltweite Forschung und globalen Austausch begegnen lässt. Das Symposium in Berlin zeigte mit über 80 Vorträgen, 40 Fallstudien und begleitenden Exkursionen, wie lebendig dieser Dialog geführt wird. Zu den Symposien reisen mittlerweile auch Vertreter von Wasserversorgern, Umweltschutzorganisationen, Regulierungsbehörden und Banken an. Denn Fragen zu Eigentum, Qualitätsstandards und Naturschutz gewinnen in der Debatte der Grundwasseranreicherung zunehmend an Bedeutung. Peter Dillon ist sich bewusst, dass die Ergebnisse der Konferenz das Leben von Millionen Menschen beeinflussen werden:

    "Ich glaube, um das UN-Millennium-Ziel zu erreichen, die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bis 2015 zu halbieren, müssen etwa 20 Prozent der neuen Trinkwassersysteme durch die Grundwasseranreicherung gespeist werden. In diesem Fall werden 200 Millionen Menschen von diesen Vorhaben abhängig sein. Die Bedeutung einer solchen Konferenz darf deshalb nicht unterschätzt werden."