Freitag, 19. April 2024

Archiv

Geplante Diätenerhöhung
"Den Anstrengungen angemessen"

Die geplante Diätenerhöhungen, die sich künftig an der allgemeinen Bruttolohn-Steigerung orientieren soll, sei nachvollziehbar, sagte der Politikwissenschaftler Everhard Holtmann von der Universität Halle-Wittenberg im Deutschlandfunk. Die Korrekturen bei der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung seien überfällig.

Everhard Holtmann im Gespräch mit Silvia Engels | 12.02.2014
    Silvia Engels: Abgeordnete sollen also Geld kriegen. Dafür sollen künftig die Diätensteigerungen an die Bruttolohn-Entwicklung gekoppelt und damit dem Zugriff der Politik entzogen werden. Ein gutes Konzept?
    Everhard Holtmann: Ich denke, insgesamt ist es ein stimmiges Konzept, weil es auf der einen Seite ja den Entscheidungsvorbehalt der Parlamentarier, des eigentlichen Gesetzgebers bewahrt. Nach wie vor muss der Bundestag mit Mehrheit auch in Zukunft über die Geltung dieser neu gefundenen Regelung beschließen. Und auf der anderen Seite koppelt das jetzige Modell ja die Diätenerhöhungen an auch allgemein nachvollziehbare Kriterien, zu denen der entsprechende Nominallohn-Index ja zweifellos gehört.
    Engels: Das heißt, man hat künftig nicht mehr alle paar Jahre die Aufregung, wenn Politiker ihre Diäten erhöhen?
    Holtmann: Das ist ja auch wohl mit der Gedanke bei dieser jetzt gefundenen neuen Regelung. Es soll ja wohl so sein, dass der Bundestag einmal zum Beginn einer neuen Legislaturperiode darüber beschließt. Das akzeptiert und respektiert, wie gesagt, auch die Letztentscheidungsbefugnis des Bundestages in der Sache. Aber man kommt dann aus dem jährlichen und in der Regel ja von öffentlichem Theater begleiteten Turnus heraus.
    Engels: Derzeit stehen einem einfachen Abgeordneten rund 8200 Euro monatlich zu. Schon in zwei Jahren sollen es 9000 Euro sein. Ist der Schluck aus der Pulle nicht doch etwas zu kräftig?
    Holtmann: Ich denke, darüber kann man sicherlich noch mal reden, ob man diese Progression über einen längeren Zeitraum gestreckt hätte. Aber, wenn man es in der Gesamtrelation betrachtet, dann ist die Koppelung an das Gehalt eines Bundesrichters, denke ich, den Anstrengungen der vollberuflichen Tätigkeit eines Bundestagsabgeordneten angemessen.
    Engels: Kritik gibt es derzeit vor allem daran, dass auch die Pensionen für Politiker steigen werden. Zwar soll das höchste Versorgungsniveau leicht sinken und die Altersgrenze steigen, doch unter dem Strich werden sich wohl viele Abgeordnete durch die insgesamt höheren Bezüge besserstellen. Was ist das für ein Signal?
    Holtmann: Das ist sicherlich einer der Punkte, die in der Vergangenheit auch zum Teil berechtigte Kritik nach sich gezogen haben, denn es war ja teilweise so, dass Abgeordnete schon deutlich vor dem gesellschaftlich normalen oder durchschnittlichen Pensionsalter ihre Pensionsbezüge empfangen konnten. Da hat man jetzt Korrekturen eingebaut. Das ganze setzt sich ja so zusammen: Bisher und wohl auch in Zukunft wird man 2,5 Prozent der Diäten pro Abgeordnetenjahr dann haben können. Das kann man nach wie vor auch kumulieren. Aber, dass man hier eine Bremse eingezogen hat, das halte ich für nachvollziehbar.
    Engels: Aber ist diese Bremse ausreichend, angesichts der Tatsache, dass viele künftige Rentner nicht so üppig Geld haben werden?
    Holtmann: Man kann sicherlich auch noch mal weitergehen und darüber nachdenken, dass man die Abgeordneten selbst an ihren Pensionsbezügen dann auch mit vorweg geleisteten Beiträgen beteiligt. Auf der anderen Seite, man muss auch sich vor Augen halten: Abgeordnete, wenn man den Durchschnitt nimmt, sind acht bis zwölf Monate im Parlament. Das bedeutet, dass sie danach ja auch vor erheblichen Schwierigkeiten stehen, sozusagen wieder einen normalen beruflichen Weg, eine normale berufliche Karriere weiter fortsetzen zu können. Und hinzu kommt auch, dass der durchschnittliche Abgeordnete als Mitt-40er in das Parlament überhaupt erst einzieht. Das heißt, er ist, wenn er nach dieser durchschnittlichen Zeit ausscheidet, dann auch in einem Alter, wo der berufliche Wiedereinstieg sehr, sehr schwerfällt. Alles dieses muss man, denke ich, berücksichtigen, wenn man die Frage nach der Angemessenheit von Diäten und Pensionen stellt.
    Engels: Neu an der Reform ist auch, dass künftig Abgeordnetenbestechung strafbar sein soll. Das ist, so sagen alle Experten, lange überfällig. Gehen die Parlamentarier hier weit genug?
    Holtmann: Da muss man sicherlich noch mal den Gesetzesentwurf sich genau anschauen. Auch hier ist es eine überfällige Korrektur. Es muss dieser Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung angemessen erweitert werden, dass er nicht nur den Stimmenkauf, den möglichen Stimmenkauf bestraft, sondern dass darüber hinaus auch weitere mögliche Straftatbestände einbezogen werden. Das ist auch ein Beitrag zu einer sauberen politischen Kultur in diesem Lande.
    Engels: Sie sagen es: Bislang war nur der direkte Stimmenkauf strafbar, also wenn nachweislich Geld in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Abstimmung geflossen ist. Wie muss das nun formuliert werden, dass es auch einen größeren Zeitraum abdeckt?
    Holtmann: Nun, das müssen sicherlich dann die Juristen entsprechend entscheiden. Hier darf man ja auch noch mal darauf verweisen, dass die Nebentätigkeiten der Abgeordneten auch ein Punkt sind, der immer wieder auch nicht unbegründet Kritik hervorruft. Hier gibt es inzwischen ein Monitum des Bundesverfassungsgerichtes, dass der Abgeordnete bei Interessenkonflikten bitte auf die bezahlten Tätigkeiten neben seinem Mandat verzichten möge. Also man muss auch hier den Korruptionsparagrafen des Abgeordnetengesetzes und die Verpflichtung, was seine Nebentätigkeit betrifft, im Zusammenhang sehen und alles miteinander ausbalancieren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.