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Gérard Depardieu und Reinhold Messner als Comicfiguren
Helden des 20. Jahrhunderts?

Depardieu und Messner - zwei eigenwillige Männer, die es zu Weltruhm gebracht haben, jeder auf seine Weise. Aktuell erscheinen zwei Comics, die den Schauspieler sowie den Bergsteiger als Helden würdigen wollen. Kann das gut gehen?

Von Andrea Heinze | 26.03.2018
    Eine Comic-Reportage von Mathieu Sapin zeigt den Schauspieler Gérard Depardieu wie er leibt und lebt.
    Eine Comic-Reportage von Mathieu Sapin zeigt den Schauspieler Gérard Depardieu wie er leibt und lebt. (Reprodukt; picture alliance / Artyom Geodakyan/TASS/dpa)
    Alles beginnt im Kaukasus. Für eine Arte-Dokumentation reist Gerard Depardieu dort auf den Spuren des Schriftstellers Alexandre Dumas - und der Comiczeichner Mathieu Sapin zeichnet all seine Eskapaden: wie Depardieu einem Fahrer an die Gurgel geht, weil der zu langsam fährt - sich bei Politikern erkundigt, ob er eine kaukasische Staatsbürgerschaft bekommen kann - natürlich nicht zur Steuerflucht. Oder wie er sich immer wieder den Bauch vollstopft.
    "Dem ist es egal, was die anderen über ihn denken. Protokolle sind ihm auch egal. Das war für mich ganz witzig, weil ich selbst nicht so bin. Ich bin eher höflich und Depardieu ist genau das Gegenteil. Aber er ist auch sehr intelligent und jemand, der sehr viel weiß. Man muss ihn einfach nehmen, wie er ist. Es gibt entweder Leute, die ihn lieben oder gar nicht mögen - aber in Frankreich hat sowieso jeder eine Meinung zu dem anderen."
    Ausschnitt aus dem Comic "Gérard: Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu" von Mathieu Sapin
    Ausschnitt aus dem Comic "Gérard: Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu" von Mathieu Sapin (Reprodukt Verlag)
    Mathieu Sapin zeichnet knallbunt und mit krakeligem Strich: Gerard Depardieu als Koloss und sich selbst daneben als Hänfling - wie ein Komikerduo, dass sich von einer Slapstickszene zur nächsten manövriert. Daraus hätte eine hübsche Promi-Anekdote werden können - nur leider belässt es Sapin nicht bei der Kaukasusreise. Er folgt Depardieu auch bei Dreharbeiten durch halb Europa und spätestens hier wiederholt sich der Comic: Depardieu brüllt und isst, tauscht mit anderen Promis wahnsinnig wichtige Nichtigkeiten aus und legt eine Kunstsammlung an, deren Gemeinsamkeit vor allem darin besteht, dass sie teuer ist. Warum bloß hat Sapin den alten Depardieu so lange begleitet, sogar bis nach Russland?
    "Warum eigentlich NUR 5 Jahre? Für mich war die Geschichte mit Russland wichtig - weil die so einen großen Raum eingenommen hat in der Diskussion um Gerard Depardieu, dass ich dachte, ich kann diesen Comic nicht zu Ende bringen, solange ich nicht mit ihm nach Moskau gefahren bin - und das war dann wichtig."
    Immerhin: Die Motive in Moskau variieren: Depardieu lässt sich von Kadettenschülerinnen mit einer Revue unterhalten, er lobt Stalin in Trinksprüchen und bewundert Putin. Der Comicautor Sapin mag Depardieu bewundern - in seinem Comic zeigt er ihn aber vor allem als ungehobeltes Großmaul, das sich in einer Promi-Blase bewegt - und bestätigt damit die schlimmsten Vorurteile.
    Einmal spannend, einmal überflüssig
    "Messner - Das Leben eines Extrembergsteigers" kommt sehr viel leiser daher. Auch Michele Petrucci hat seinen für die die Comic-Biografie getroffen und beginnt die im Jahr 1970 mit der Besteigung des Nanga Parbat - eine Art Schicksalsberg für Messner. Es war sein erster 8.000er. Doch beim Abstieg stürzte sein Bruder Günther in den Tod.
    "Zwei Brüder. Alles in allem verringert sich die Angst, wenn man sie teilt und der Mut verdoppelt sich, wenn man etwas gemeinsames tut. Jedes Geräusch spornt uns an und wir rufen einander gegenseitig. Ein Stein fällt hinab. Das Geräusch ist für einen Moment zu hören, der uns vorkommt, wie ein ganzer Tag. Zwischen Angst und Mut verbirgt sich das Glück."
    Reinhold Messner neben dem Cover des Buchs
    Der Künstler Michele Petrucci hat Reinhold Messner eine Comic-Biografie gewidmet (Michele Petrucci/ Knesebeck Verlag/ imago stock&people/ Sammy Minkoff)
    Petrucci kümmert sich nicht um den Rechtsstreit, den der Tod des Bruders ausgelöst hat. Ihn interessiert, was Messner antreibt. Mit kunstvoll verschachtelten Rückblenden zeigt Petrucci, wie Reinhold Messner mit seinem Bruder schon als Kind Berge auf Routen bestiegen hat, die keiner für möglich hielt. Für ihn eine Abwechslung zum kargen südtiroler Bergleben. Und er zeigt, wie Messner nicht nur sein Ziel erreichen will - sondern auch noch mit möglichst wenig Technik. Das gilt auch für die Antarktis-Expedition, als er mit dem Polarforscher Arved Fuchs knapp 3.000 Kilometer zu Fuß zum Südpol und zurückgelaufen ist.
    "Am Abend schlagen wir das Zelt auf. Es genügen 15 Minuten, um es zu heizen. Wir warten, dass unsere Gesichter auftauen, dann ziehen wir uns aus. Wir brauchen zwei Stunden zum Kochen und acht Stunden Schlaf. Arved hat enorme Blasen an den Füßen und aufgescheuerte Fersen."
    All das zeichnet Petrucci in zarten, mitunter leuchtenden Aquarellfarben, die nachempfinden lassen, wie grandios eine Landschaft nach so unglaublicher Kraftanstrengung wirken muss. Am Ende des Comics fragt sich Reinhold Messner, warum ausgerechnet er die waghalsigen Expeditionen überlebt hat. Glück gehabt? Oder hatte er besser gelernt, seinen Instinkten zu folgen? Messner weiß es selber nicht.
    Ausschnitt aus der Comic-Biografie "Reinhold Messner - Das Leben eines Extrembergsteigers"
    Ausschnitt aus der Comic-Biografie "Reinhold Messner. Das Leben eines Extrembergsteigers" (Michele Petrucci/Knesebeck Verlag)
    "Solange ich mir Ziele setzen kann, vertrau ich darauf, sie auch erreichen zu können. Das verdanke ich mir selbst und meinem Bruder Günther. Er hat mir die Kraft gegeben, mich den Schwierigkeiten, die mir begegnen, zu stellen. Was habe ich aus all dem gelernt? Das das, was ich in diesem Leben verfolge, der Wunsch nach ständiger Wiedergeburt ist. Wie ein Phönix."
    Reinhold Messner ist - ähnlich wie Gerard Depardieu - zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts geworden. Der Comic über ihn ist spannend und macht nachvollziehbar, welche Eigenschaften ihn so groß haben werden lassen. Der Comic über Gerard Depardieu ist dagegen überflüssig.
    Michele Petrucci: "Reinhold Messner. Das Leben eines Extrembergsteigers - Die Comic-Biografie"
    Aus dem Italienischen von Anja Kootz
    Knesebeck Verlag, München 2018
    88 Seiten, 22 Euro
    Mathieu Sapin: "Gérard. Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu"
    Aus dem Französischen von Silv Bannenberg
    Reprodukt Verlag, Berlin 2018
    160 Seiten, 24 Euro