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Germanistikstudium in Oxford
Discounter stiftet Oxford-Stipendien

Die Germanistik an der englischen Universität von Oxford würde gerne mehr Bewerber anziehen und denen dann auch finanziell unter die Arme greifen. Seit diesem Semester ist der Discounter Lidl unter den Finanziers.

Von Andrea Lueg | 02.11.2018
    Die Bodleian Library, Hauptbibliothek der Universität Oxford, ist seit dem 8. November 1602 geöffnet
    Bodleian Library in Oxford: Als erstes Unternehmen fördert Lidl das Germanistikstudium an der Universität. (picture alliance / Photoshot)
    Im Seminar von Professorin Henrike Laehnemann geht es um die Minnelyrik des Mittelalters. Sie unterrichtet auf Englisch, denn die meisten Studierenden können Deutsch nicht gut genug, um zu folgen.
    Die Germanistik und der Deutschunterricht, vor allem an den öffentlichen Schulen in Großbritannien, fristet seit langem ein Schattendasein.
    "Die Sprachensituation in Großbritannien ist insgesamt sehr angespannt, weil das Angebot an staatlichen Schulen, überhaupt Fremdsprachen zu lernen, miserabel ist. Das heißt, der Haupthinderungsgrund für ein stärkeres Interesse an Germanistik ist einfach, dass die Kinder im frühen Alter keine Möglichkeit haben, Sprachen zu lernen."
    Deshalb freut man sich am Lehrstuhl für Germanistik in Oxford ganz besonders über die Förderung durch Lidl, die ein ganzes Paket von Stipendien und Preisen umfasst. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl derer halbiert, die Deutsch als Fach für ihren Schulabschluss wählten. Die meisten davon sind Privatschüler. Bereits 2004 hatte die Labour-Regierung Fremdsprachen als Pflichtfach für den mittleren Schulabschluss abgeschafft.
    Ohne ein Wort Deutsch zu können, Germanistik studieren
    Seit ein paar Jahren kann man deshalb in Oxford ein Germanistikstudium anfangen, ohne ein Wort Deutsch zu können. Das lernt man dann parallel zum Studium. Damit reagierte die Uni auf immer weniger Bewerber für das Fach Germanistik. Inzwischen gibt es in der Regierung ein Umdenken.
    "Es wird von Regierungsseite das Problem erkannt und es wird jetzt alles getan, um das aufzubauen, aber das braucht Zeit. Denn es ist eine ganze Generation von möglichen Lehrern weggebrochen. Und deshalb ist es umso wichtiger, das jetzt eine starke Germanistik an den Unis gefördert wird, um die nächste Generation von Lehrern und von Leuten, die einfach begeistert sind von Deutsch, heranzubilden."
    Begeisterte Deutschlerner sitzen in Laehnemanns Seminar auf jeden Fall:
    - "Ich wurde durch meine Deutschlehrerin in der sechsten Klasse inspiriert, die deutsche Kultur besser kennenzulernen und dann auch Deutsch an der Uni zu studieren."
    - "Mein Vater war ein Riesen-Musikfan, er mochte Heavy Metal und deshalb bin ich zuhause mit sehr viel Rammstein aufgewachsen. Durch die deutsche Musik zuhause habe ich Interesse an der Sprache bekommen, und jetzt studiere ich hier Deutsch."
    - "Ich möchte nach dem Bachelor weitermachen und dann Lehrer werden oder Dozent und andere inspirieren, auch Deutsch zu studieren."
    Der neue Geldgeber Lidl hat ein Stipendium für den Master eingerichtet, ein Auslandsjahr wird gefördert und kreative Projekte, die in diesem Auslandsjahr erstellt werden müssen: ein Video, ein Vlog, kreative Artikel, die Schüler motivieren sollen, sich auch für Deutsch zu begeistern. Außerdem bietet Lidl Praktika im eigenen Unternehmen an, auch am Hauptsitz in Deutschland.
    "Es ist sonst leicht so, dass nur Studierende, die ein reiches Elternhaus haben, es sich leisten können, einfach irgendwo ein Praktikum zu machen, ohne dafür bezahlt zu werden."
    Lidl fördert als erstes Unternehmen die Germanistik in Oxford
    Lidl ist das erste Wirtschaftsunternehmen, das die Germanistik in Oxford fördert. Und der Lehrstuhl hofft auf weitere. Berührungsängste mit dem Billigladen gibt es hier nicht. Und ohnehin viel mehr Kontakte in die Wirtschaft als in Deutschland.
    "Das deutsche System ist doch noch sehr viel hierarchischer und sehr viel stromlinienförmiger angelegt. Das heißt, die Schüler studieren an einer Universität, gehen in den Stall eines bestimmten Professors und wenn man sich da einmal rausbewegt, kommt man nicht wieder rein. Das ist sehr anders angelegt. Unser bester Sprachgeschichtler hat zehn Jahre in der City of London als sehr erfolgreicher Banker gearbeitet und ist jetzt an die Uni zurück, nicht, weil er keine andere Arbeitsmöglichkeit hatte, sondern weil seine Leidenschaft einfach dem Althochdeutsch gilt."
    Auch, dass ein Stipendium vom Discounter den Abschluss in Oxford abwerten könnte, sieht Henrike Laehnemann nicht. Und vielleicht sei es für Studierende aus weniger betuchten Elternhäusern sogar leichter, sich für ein Lidl-Stipendium zu bewerben als auf eines einer Privatbank oder Unternehmensberatung.