Einspielung: Altes Arbeitslied des Ami-Volkes
Ein traditioneller Gruppengesang der Ami aus Taiwan. Die Amis sind eines von neun Urvölkern, die in unterschiedlichen Regionen auf der ostasiatischen Insel leben. Andere heißen beispielsweise Bunun, Paiwan oder Puyuma. Jedes dieser Völker hat seine eigene Sprache, jedes hat seine eigene Musik. Und doch sind sie auch entfernt miteinander verwandt. Bisher dienten vor allem Genstudien als Hilfsmittel, um mögliche Entwicklungs- und Abstammungslinien der Völker erkennen zu können. Doch Steven Brown, der an der kanadischen McMaster University den Einfluss der Künste auf die Menschheitsentwicklung erforscht, sucht derlei Spuren in der überlieferten Musikkultur:
"Es gibt Forscher, die Gensequenzen und verschiedene Gentypen studieren. Wir untersuchen Musik als etwas, das ebenso Sequenzen hat - in Form von Tonfolgen und Rhythmen. Und in beiden Systemen kann man nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Populationen suchen. Es gibt bestimmte Genotypen, die typisch sind für ein Volk, und genauso kann es bestimmte Musikformen geben, die über Populationen hinweg verbreitet sind."
Steven Brown und Kollegen nutzten ein besonderes Klassifizierungsverfahren, um die musikalische Struktur von 220 traditionellen Gruppengesängen der taiwanischen Urvölker zu analysieren. Das sogenannte Cantocore-System ermöglicht es, die prägenden Strukturen gesungener Lieder anhand von 26 Parametern zu beschreiben. Sie erfassen unter anderem den Rhythmus, die Tonart, den Text und die Vielstimmigkeit. Die Kombinationen dieser Parameter lassen sich statistisch analysieren, um Korrelationen, also Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Strukturen zu erkennen. Die Forscher gingen sogar noch einen Schritt weiter. Sie untersuchten, ob die Analyse der traditionellen Musik vergleichbare Erkenntnisse zur Abstammungsgeschichte der taiwanischen Urvölker liefert wie Genstudien. Dabei stießen sie auf erstaunliche Parallelen. In der Musik fanden sich ähnliche Beziehungen zwischen den Urvölkern wie in den Genen.
"Es war für uns eine große Überraschung, als wir diese starke Korrelation zwischen der Musik und den Genen beobachteten. Musik kann sich ja schnell verändern. Viele Kollegen waren deshalb skeptisch, ob Musik für solche Analysen überhaupt nützlich sein könnte. Dass wir nun diese Korrelation zwischen Genen, die sich ja über Tausende von Jahren entwickeln, und den Musikstilen gefunden haben, ist ein erster Beweis dafür, dass Musik tatsächlich sehr alte Spuren in sich trägt."
Mit diesem Wissen will Steven Brown nun ein größeres Projekt in Angriff nehmen - eines das weit über den Inselstaat Taiwan hinaus reicht.
"Es gibt dieses Out-of-Taiwan-Modell. Es besagt, dass Ozeanien und Polynesien einst von Taiwan aus bevölkert wurden. Wir haben unsere Untersuchung mit Taiwan begonnen. Aber eine große Migrationsstudie müsste auch die Musik der Philippinen, Indonesiens und Polynesiens erfassen."
Steven Brown will sich auf musikalische Spurensuche begeben, um neue Einblicke in den Verlauf dieser großen Völkerwanderung im Pazifikraum gewinnen zu können. Seine Musikanalyse sieht er nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu den Erkenntnissen, die Gen- oder Sprachforscher liefern können.
Bis es soweit ist, werden aber noch einige Jahre vergehen. In dieser Zeit werden er und seine Mitarbeiter nicht nur Hunderten, sondern Tausenden von Aufnahmen traditioneller Gesänge lauschen müssen, wie diesem vom Volk der Bunun auf Taiwan:
Einspielung: Traditioneller Bunun-Gesang
Ein traditioneller Gruppengesang der Ami aus Taiwan. Die Amis sind eines von neun Urvölkern, die in unterschiedlichen Regionen auf der ostasiatischen Insel leben. Andere heißen beispielsweise Bunun, Paiwan oder Puyuma. Jedes dieser Völker hat seine eigene Sprache, jedes hat seine eigene Musik. Und doch sind sie auch entfernt miteinander verwandt. Bisher dienten vor allem Genstudien als Hilfsmittel, um mögliche Entwicklungs- und Abstammungslinien der Völker erkennen zu können. Doch Steven Brown, der an der kanadischen McMaster University den Einfluss der Künste auf die Menschheitsentwicklung erforscht, sucht derlei Spuren in der überlieferten Musikkultur:
"Es gibt Forscher, die Gensequenzen und verschiedene Gentypen studieren. Wir untersuchen Musik als etwas, das ebenso Sequenzen hat - in Form von Tonfolgen und Rhythmen. Und in beiden Systemen kann man nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Populationen suchen. Es gibt bestimmte Genotypen, die typisch sind für ein Volk, und genauso kann es bestimmte Musikformen geben, die über Populationen hinweg verbreitet sind."
Steven Brown und Kollegen nutzten ein besonderes Klassifizierungsverfahren, um die musikalische Struktur von 220 traditionellen Gruppengesängen der taiwanischen Urvölker zu analysieren. Das sogenannte Cantocore-System ermöglicht es, die prägenden Strukturen gesungener Lieder anhand von 26 Parametern zu beschreiben. Sie erfassen unter anderem den Rhythmus, die Tonart, den Text und die Vielstimmigkeit. Die Kombinationen dieser Parameter lassen sich statistisch analysieren, um Korrelationen, also Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Strukturen zu erkennen. Die Forscher gingen sogar noch einen Schritt weiter. Sie untersuchten, ob die Analyse der traditionellen Musik vergleichbare Erkenntnisse zur Abstammungsgeschichte der taiwanischen Urvölker liefert wie Genstudien. Dabei stießen sie auf erstaunliche Parallelen. In der Musik fanden sich ähnliche Beziehungen zwischen den Urvölkern wie in den Genen.
"Es war für uns eine große Überraschung, als wir diese starke Korrelation zwischen der Musik und den Genen beobachteten. Musik kann sich ja schnell verändern. Viele Kollegen waren deshalb skeptisch, ob Musik für solche Analysen überhaupt nützlich sein könnte. Dass wir nun diese Korrelation zwischen Genen, die sich ja über Tausende von Jahren entwickeln, und den Musikstilen gefunden haben, ist ein erster Beweis dafür, dass Musik tatsächlich sehr alte Spuren in sich trägt."
Mit diesem Wissen will Steven Brown nun ein größeres Projekt in Angriff nehmen - eines das weit über den Inselstaat Taiwan hinaus reicht.
"Es gibt dieses Out-of-Taiwan-Modell. Es besagt, dass Ozeanien und Polynesien einst von Taiwan aus bevölkert wurden. Wir haben unsere Untersuchung mit Taiwan begonnen. Aber eine große Migrationsstudie müsste auch die Musik der Philippinen, Indonesiens und Polynesiens erfassen."
Steven Brown will sich auf musikalische Spurensuche begeben, um neue Einblicke in den Verlauf dieser großen Völkerwanderung im Pazifikraum gewinnen zu können. Seine Musikanalyse sieht er nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu den Erkenntnissen, die Gen- oder Sprachforscher liefern können.
Bis es soweit ist, werden aber noch einige Jahre vergehen. In dieser Zeit werden er und seine Mitarbeiter nicht nur Hunderten, sondern Tausenden von Aufnahmen traditioneller Gesänge lauschen müssen, wie diesem vom Volk der Bunun auf Taiwan:
Einspielung: Traditioneller Bunun-Gesang
