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Geschäftsmodell Elektromobilität

2020 soll nach Plänen der Bundesregierung eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren. In der Autobranche hegt man daran starke Zweifel. Ganz anders bei einem kleinen Anbieter in Hamburg: Der Autohändler Sirri Karabag rüstet Fiat-Fahrzeuge zu Elektroautos um.

Von Axel Schröder | 25.05.2012
    "Gut! Wollen wir mal? Na, denn starten wir doch mal. Das war’s. Das Piepen ist jetzt meine Diagnose-Software. Aber ansonsten: der Wagen läuft!"

    Nur die gelborange leuchtende Tachoanzeige verrät: Der kleine, weiße, knubbelige Fiat 500 läuft tatsächlich, ein sonores Motorbrummen fehlt völlig. Die Anzeige meldet:

    "Genügend Spannung ist da, die Fahrt kann beginnen."

    Am Steuer des Elektroautos sitzt Björn Karisch, neben dem Programmierer steht ein aufgeklappter Laptop und liefert Daten über die Probefahrt. Der Fahrer tritt aufs Gaspedal, besser: aufs Strompedal, aber auch beim Anfahren herrscht Stille im kleinen Auto.

    Entwickelt und gebaut wird der Kleinwagen in der Hamburger Fiat-Niederlassung des Unternehmers Sirri Karabag. Zwei Jahre lang tüftelte er mit den Zulieferfirmen für die Elektromotoren, mit Elektronik-Spezialisten und dem eigenen Werkstattteam an dem Auto. Langsam surrt der Fiat über die Straßen.

    "So, jetzt geben wir mal ein bisschen Gas. Man hört so ein leichtes Surren wie bei einer U-Bahn. Aber das war’s dann schon."

    Zurück in der Werkstatt hängt oben auf einer Hebebühne der nächste Kleinwagen, wird umgebaut. Erst wird der neue, noch unbenutzte Benzinmotor herausmontiert, der Tank und die Auspuffanlage entfernt. Dann setzt das Team den Elektromotor ein, ein hunderttausendfach bewährter Antrieb, der eigentlich in Gabelstaplern des Hamburger Herstellers Still zum Einsatz kommt.

    35.000 Euro kostet der Wagen, schafft 100 Kilometer. Konzipiert als reines Stadtauto, ist mehr Reichweite auch nicht nötig. Neben der Hebebühne steht der Vater des Projekts, Geschäftsführer Sirri Karabag. 46 Jahre alt, kahl rasierter Schädel, dunkelblauer Anzug. Mit seiner Idee führt er den großen der Autobranche vor, wozu kleine flexible Unternehmen in der Lage sind:

    "Das hat gar nichts mit Geld zu tun. Das hat etwas mit einem Zustand zu tun, der bei uns schon existiert, den ein klassischer Automobilhersteller heute noch gar nicht abbilden kann."

    Denn oft, so Karabag, sind die Entwicklungsabteilungen von Mercedes, BMW, von VW oder Opel viel zu behäbig, um schnelle funktionale Ideen umzusetzen. Deshalb sucht man im Angebot fast aller konventionellen Hersteller reine Elektroautos bisher vergeblich. Auch bei Fiat-Karabag haben die konventionell betriebenen Autos noch den größten Anteil am Umsatz: Im letzten Jahr waren es zusammen 30 Millionen Euro, Tendenz leicht steigend. Karabag führt durch zwei Werkstatthallen, zeigt, wie nicht nur kleine 500er-Fiats, sondern auch ausgewachsene Transporter umgerüstet werden. Die Trägheit der großen Autobauer bei den Elektroantrieben erklärt er mit den riesigen Unterschieden zwischen Verbrenner- und E-Antrieben. Kleine Betriebe könnten darauf einfach besser und schneller reagieren:

    "Der Spagat ist unglaublich groß, weil es wirklich zwei völlig unterschiedliche Berufsbilder: auf der einen Seite die KFZ-Mechanik, der herkömmliche Maschinenbau. Und auf der anderen Seite die Elektrotechnik. Das sind völlig unterschiedliche Berufsbilder! Das wäre so, als wenn ein Friseur morgen Brote backen sollte."

    Karabag bespricht sich mit einem Mechaniker, wirft einen Blick unter einen Transporter auf der Hebebühne. Über 200 Karabag-Elektro-Fiats haben die 100 Angestellten des Unternehmers im letzten Halbjahr bisher verkauft, vor allem als Firmenwagen. Demnächst kommen die Autos in einer neuen Niedrigenergie-Siedlung im nahen Norderstedt zum Einsatz. Dort dienen sie nicht nur als Fortbewegungsmittel, sondern auch als Stromspeicher für den Haushalt. Karabag investiert gerade in die Entwicklung einer neue, spurtstarken Version des kleinen Fiats und in die induktive - also kabellose - Ladung der Akkus. Und er drängt ins Geschäft mit Privatkunden, das andere Elektroautohändler bisher aus rechtlichen Gründen noch meiden.

    "Wenn ein Privatkunde, der in Nürnberg sitzt, hier in Hamburg ein Auto kauft und sich nachher herausstellt, dass ein Produktfehler in dem Fahrzeug vorhanden ist, ein Sachmangel vorhanden ist und er das Produkt dann nach Hamburg schaffen muss, damit dieser Sachmangel behoben wird, denn ist das nicht zumutbar. Das schließt der Gesetzgeber aus, berechtigterweise. Also muss ich dafür sorgen, dass vor Ort – beim Kunden – eine solche Beseitigung stattfindet."

    Deshalb, erklärt Karabag, hat er die Kooperation mit Gabelstaplerhersteller Still ausgeweitet. Nicht nur dessen Elektromotoren werden in den E-Fiats verbaut, auch die 800 auf die ganze Republik verteilten Servicewerkstätten von Still können neuerdings im Pannenfall schnelle Hilfe leisten. Und gerade hat Karabag die ersten Schritte in die Fläche gemacht, neue Vertriebspartner im Osten und Süden der Republik gefunden. Sirri Karabag verabschiedet sich mit kräftigem Händedruck, lächelt verstohlen bei der Frage, was ihn antreibt bei der Konstruktion sauberer Antriebe:

    "Also, Öko bin ich also weniger. Das wäre gelogen. Das war nicht der ursprüngliche Antrieb. Sondern der ursprüngliche Antrieb war, dass wir erkannt haben, dass Elektromobilität im Gegensatz zu vielen anderen Verlautbarungen funktioniert und dass ein Geschäftsmodell Elektromobilität auch funktioniert!"