Die Bilder sind weltbekannt - ein jüdischer Junge im Warschauer Ghetto hebt vor deutschen Uniformierten die Hände. Ausgemergelte KZ-Häftlinge blicken teilnahmslos in die Kamera. Brennende Synagogen. Schmierereien auf Schaufenstern: "Kauft nicht bei Juden!" Neu sind allerdings die Texthinweise auf Arabisch. Denn in Nazareth entstand das erste arabische Holocaust-Museum. Dessen Initiator und Betreiber Khaled Kasab Mahameed führt durch die kleine Ausstellung:
" Hier sehen wir rund 30 Leichen. Ein jüdischer Mann steht daneben und schaut auf seine Tochter, seinen Bruder, seinen Onkel, seine Verwandten und Nachbarn. Wahrscheinlich befahlen ihm die Nazis, sie alle zu begraben. Ich stelle mir vor, dass dieser Mann den Holocaust überlebt hatte und hierher kam, ins Land Israel-Palästina. Ich bin sein Nachbar und muss daher verstehen, wie er denkt. Wenn ich dieses Bild nicht verstehe, begreife ich nicht warum er mein Land konfisziert und mich als Bürger benachteiligt."
Mahameed sieht also einen direkten Zusammenhang zwischen dem Holocaust, der Gründung des Staates Israel und der Vertreibung vieler Palästinenser einschließlich seiner eigenen Familie. Dass der Zionismus lange vor Hitler entstand und die Araber die Teilung Palästinas generell ablehnten, akzeptiert er nicht. Die Bilder schockieren. Die völlig willkürliche Zusammenstellung, die jeglichen thematischen oder chronologischen Zusammenhangs entbehrt, ist laienhaft.
Als Mahameed neun Jahre alt war, hörte er wie sein Vater die Vertreibung der palästinensischen Familie aus dem Dorf Ladjun in Galiläa 1948 beklagte. "Warum haben sie uns das angetan," sagte der Vater damals. "Wir sind doch keine Nazis". So begriff der Junge, dass die Nationalsozialisten das ultimative Böse repräsentieren. In der arabischen Schule hingegen wurde der Holocaust kaum erwähnt, obwohl das Curriculum vom israelischen Bildungsministerium vorgegeben wurde. Dieses Defizit regt Mahameed immer noch auf:
" Ihr sagt, dass der Holocaust das zentrale Element in der jüdischen Identität ist. Warum verheimlicht ihr dies Thema den arabischen Schülern? Denn durch die Holocaust-Erziehung könnte man den israelischen Juden den Frieden näher bringen. Würde Israel den Araber über den Holocaust informieren, werden sie sich Israel gegenüber so verhalten wie die heutigen Deutschen."
Damit meint er, dass die Palästinenser durch ihre Empathie für das Leiden der Juden den Israelis die existenziellen Ängste nehmen würden. Die Israelis wären dadurch eher bereit, notwendige Kompromisse für den Frieden einzugehen.
2005 begann Mahameed, inzwischen Rechtsanwalt, die Araber über den Holocaust aufzuklären. Er gründete einen Verein, kaufte rund 50 Plakate im Souvenir-Laden der israelischen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem, verfasste eine 20-seitige-Broschüre dazu auf Arabisch und Hebräisch und eröffnete in seinem Rechtsanwaltsbüro in Nazareth das Holocaust Museum - das erste in der arabischen Welt. Mahameeds Mandanten müssen sich die Bilder anschauen und seine Erläuterungen anhören. Erst danach werden sie juristisch beraten. Aber kaum ein Palästinenser oder Araber besucht das Museum freiwillig.
" Die Reaktionen der Nachbarn, Verwandten und politischen Weggefährten waren unangenehm. Meine Bekannten zeigen auf mich, als ob ich ein Kollaborateur mit Israel sei. Für die Araber ist der Holocaust ein Tabuthema. Ein Bekannter hat mich regelrecht beschimpft. In einer Lokalzeitung nannten sie mich "päpstlicher als der Papst". Mein Cousin forderte mich auf, meinen Familiennamen zu ändern, weil ich eine Schande für unsere Familie sei."
Um dem Ruf als vermeintlicher Kollaborateur mit den Zionisten entgegen zu treten, platzierte er in einer Ecke der Ausstellung vorsichtshalber eine große palästinensische Fahne.
Journalisten aus aller Welt pilgerten zum einzigartigen kleinen Museum. Die Reporter der größten arabischen Zeitung in Israel, "Kul al-Arab", waren nicht darunter, obwohl sich die Redaktion nur einen Kilometer entfernt befindet. Über Mahameeds Initiative schrieben sie nur Negatives. Chefredakteur Zoher Andrawous sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Holocaust und der Gründung Israels. Das Museum hält er für nicht zeitgemäß.
" Man muss über den Holocaust informiert sein. Aber solange sich das jüdische Volk für das ultimative Opfer hält, werden wir weder Frieden noch Gleichberechtigung erleben. Ich möchte das Leiden der Juden mit nichts vergleichen. Aber arabisch-palästinensische Israelis haben das Recht öffentlich zu fragen, ob das Volk, das den Holocaust überlebte, nicht darüber nachdenken sollte, was er den Palästinensern durch die Besatzung antut. Die Checkpoints, Absperrungen und Blockaden sind faschistische Methoden."
Unterstützung erhielt Mahameed bisher lediglich von der Konrad-Adenauer-Stiftung, die 2005 sein dreitägiges Seminar für Palästinenser zum Thema Holocaust förderte. Nach einem Jahr ist er stolz darauf, dass seine ehrenamtliche Arbeit über den Holocaust ---erste Risse in der Mauer des arabischen Schweigens hinterlassen und den Frieden zwischen Israelis und Palästinenser einen Schritt näher gebracht hat.
" Hier sehen wir rund 30 Leichen. Ein jüdischer Mann steht daneben und schaut auf seine Tochter, seinen Bruder, seinen Onkel, seine Verwandten und Nachbarn. Wahrscheinlich befahlen ihm die Nazis, sie alle zu begraben. Ich stelle mir vor, dass dieser Mann den Holocaust überlebt hatte und hierher kam, ins Land Israel-Palästina. Ich bin sein Nachbar und muss daher verstehen, wie er denkt. Wenn ich dieses Bild nicht verstehe, begreife ich nicht warum er mein Land konfisziert und mich als Bürger benachteiligt."
Mahameed sieht also einen direkten Zusammenhang zwischen dem Holocaust, der Gründung des Staates Israel und der Vertreibung vieler Palästinenser einschließlich seiner eigenen Familie. Dass der Zionismus lange vor Hitler entstand und die Araber die Teilung Palästinas generell ablehnten, akzeptiert er nicht. Die Bilder schockieren. Die völlig willkürliche Zusammenstellung, die jeglichen thematischen oder chronologischen Zusammenhangs entbehrt, ist laienhaft.
Als Mahameed neun Jahre alt war, hörte er wie sein Vater die Vertreibung der palästinensischen Familie aus dem Dorf Ladjun in Galiläa 1948 beklagte. "Warum haben sie uns das angetan," sagte der Vater damals. "Wir sind doch keine Nazis". So begriff der Junge, dass die Nationalsozialisten das ultimative Böse repräsentieren. In der arabischen Schule hingegen wurde der Holocaust kaum erwähnt, obwohl das Curriculum vom israelischen Bildungsministerium vorgegeben wurde. Dieses Defizit regt Mahameed immer noch auf:
" Ihr sagt, dass der Holocaust das zentrale Element in der jüdischen Identität ist. Warum verheimlicht ihr dies Thema den arabischen Schülern? Denn durch die Holocaust-Erziehung könnte man den israelischen Juden den Frieden näher bringen. Würde Israel den Araber über den Holocaust informieren, werden sie sich Israel gegenüber so verhalten wie die heutigen Deutschen."
Damit meint er, dass die Palästinenser durch ihre Empathie für das Leiden der Juden den Israelis die existenziellen Ängste nehmen würden. Die Israelis wären dadurch eher bereit, notwendige Kompromisse für den Frieden einzugehen.
2005 begann Mahameed, inzwischen Rechtsanwalt, die Araber über den Holocaust aufzuklären. Er gründete einen Verein, kaufte rund 50 Plakate im Souvenir-Laden der israelischen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem, verfasste eine 20-seitige-Broschüre dazu auf Arabisch und Hebräisch und eröffnete in seinem Rechtsanwaltsbüro in Nazareth das Holocaust Museum - das erste in der arabischen Welt. Mahameeds Mandanten müssen sich die Bilder anschauen und seine Erläuterungen anhören. Erst danach werden sie juristisch beraten. Aber kaum ein Palästinenser oder Araber besucht das Museum freiwillig.
" Die Reaktionen der Nachbarn, Verwandten und politischen Weggefährten waren unangenehm. Meine Bekannten zeigen auf mich, als ob ich ein Kollaborateur mit Israel sei. Für die Araber ist der Holocaust ein Tabuthema. Ein Bekannter hat mich regelrecht beschimpft. In einer Lokalzeitung nannten sie mich "päpstlicher als der Papst". Mein Cousin forderte mich auf, meinen Familiennamen zu ändern, weil ich eine Schande für unsere Familie sei."
Um dem Ruf als vermeintlicher Kollaborateur mit den Zionisten entgegen zu treten, platzierte er in einer Ecke der Ausstellung vorsichtshalber eine große palästinensische Fahne.
Journalisten aus aller Welt pilgerten zum einzigartigen kleinen Museum. Die Reporter der größten arabischen Zeitung in Israel, "Kul al-Arab", waren nicht darunter, obwohl sich die Redaktion nur einen Kilometer entfernt befindet. Über Mahameeds Initiative schrieben sie nur Negatives. Chefredakteur Zoher Andrawous sieht keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Holocaust und der Gründung Israels. Das Museum hält er für nicht zeitgemäß.
" Man muss über den Holocaust informiert sein. Aber solange sich das jüdische Volk für das ultimative Opfer hält, werden wir weder Frieden noch Gleichberechtigung erleben. Ich möchte das Leiden der Juden mit nichts vergleichen. Aber arabisch-palästinensische Israelis haben das Recht öffentlich zu fragen, ob das Volk, das den Holocaust überlebte, nicht darüber nachdenken sollte, was er den Palästinensern durch die Besatzung antut. Die Checkpoints, Absperrungen und Blockaden sind faschistische Methoden."
Unterstützung erhielt Mahameed bisher lediglich von der Konrad-Adenauer-Stiftung, die 2005 sein dreitägiges Seminar für Palästinenser zum Thema Holocaust förderte. Nach einem Jahr ist er stolz darauf, dass seine ehrenamtliche Arbeit über den Holocaust ---erste Risse in der Mauer des arabischen Schweigens hinterlassen und den Frieden zwischen Israelis und Palästinenser einen Schritt näher gebracht hat.