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Gesunder Schmaus aus Übersee

Biologie. - Nicht nur genetisch veränderte Lebensmittel sind dazu angetan, den Vitaminmangel durch allzu stumpfe Ernährung wettzumachen, sondern auch Früchte aus fernen Landen wie Bananen und Kiwis, Pistazien und Macadamia-Nüsse. Bald könnte der Früchtekorb noch reichhaltiger und verlockender aussehen, denn bislang wenig bekannte Früchte vor allem vom Amazonas entpuppen sich als wahre Vitaminbomben.

    Nicht allein der Appetit auf Außergewöhnliches, sondern vor allem wissenschaftliche Neugier führt Wissenschaftler mitunter bis an die Ufer des Amazonas. Denn dort wächst, was sich zum gesunden Exportschlager entwickeln könnte: Camucamu. Noch aber ist die kirschähnliche Frucht auch Experten so wenig geläufig, dass selbst über die Aussprache des Namens noch Uneinigkeit herrscht. Klar ist hingegen, dass das Früchtchen es in sich hat, vor allem an Vitamin C, unterstreicht die brasilianische Lebensmittel-Technologin Roberta Rodrigues: "Die Mirabellen große Strauchfrucht aus Amazonien bringt es auf bis zu 2000 Milligramm Vitamin C pro 100 Gramm." Beeindruckend, liefert doch eine Orange gerade rund 60 bis 90 Milligramm des essentiellen Stoffes in der gleichen Menge an Fruchtfleisch. Selbst die Acerola-Kirsche, bekannt als Vitamin C-Bömbchen, kommt an diesen Rekord nicht heran, fanden die Lebensmittelspezialisten der Gruppe um Friedhelm Marx vom Institut für Lebensmittelwissenschaft der Universität Bonn, zu der auch Roberta Rodrigues zählt, heraus. Gemeinsam mit Kollegen aus Frankreich, Belgien und Großbritannien wollen die Bonner jetzt insgesamt acht Fruchtarten aus Südamerika in einem angestrebten EU-Projekt genauer unter die Lupe nehmen. Dabei soll genauso der Nährstoffgehalt untersucht werden, wie auch Möglichkeiten der Kultivierung und Verarbeitung.

    Neben Frucht-Nobodies wie Camucamu finden sich im Fruchtkorb der Forscher auch Wildbeeren-Arten, Palmenfrüchte und Baumtomaten sowie ein alter Bekannter: der Cashew-Baum. Denn der bringt nicht nur Nüsse hervor, erklärt Marx: "Cashew-Nüsse sind quasi ein Fortsatz an einem so genannten Cashew-Apfel. Botanisch gesehen ist das nur eine Scheinfrucht, die einem Apfel ähnelt. Bei der jährlichen Ernte von rund 100.000 Tonnen an Cashew-Nüssen fallen etwas über eine Million Tonnen an Cashew-Äpfeln an." Die aber werden nur zum geringsten Teil genutzt, zu 95 Prozent wandern die Cashew-Äpfel auf den Müll. Schade drum, meinen die Lebensmittelchemiker, denn die Scheinfrucht birgt viele Gerbstoffe, so genannte Polyphenole. Sie schmecken zwar bitter, wirken aber antioxidativ und eliminieren aggressive Moleküle im Stoffwechsel. "Experimente zeigen, dass diese antioxidative Kapazität gerade beim Cashew-Saft sehr ausgeprägt ist. Daher wollen wir ein Projekt beginnen, bei dem technologische Maßnahmen den Gehalt an Gerbstoffen verringern, andererseits aber die gesundheitlich positiven Eigenschaften möglichst erhalten bleiben."

    Mit ähnlichem Potenzial zum Zellschützer wartet auch die kirschgroße Frucht der Assai-Palme aus dem nördlichen Amazonas-Gebiet auf. Ihr Saft ist sehr eiweiß- und fettreich, sagt Ramona Lichtenthäler, bis vor kurzem Doktorandin am Bonner Institut: "Die Frucht hat einerseits einen großen Fettgehalt. Andererseits weist sie aber sehr wenig Zucker und auch sehr wenig Säure auf. Dadurch ist der Geschmack nicht sehr ausgeprägt, es geht mehr so ein bisschen in die Gemüserichtung." Gewöhnungsbedürftig sei die Frucht schon, so ein "bisschen erdig-möhrenartig", daher biete sich eine Mischung mit anderen Früchten eher an. Doch auch auf die anderen Gesundheitsbomben muss sich der Gaumen erst einstellen. Gleichwohl sind die ersten Arten bereits auf dem Vormarsch und schon in Japan und Frankreich auf den Märkten zu finden.

    [Quelle: Volker Mrasek]