Dienstag, 19. März 2024

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Gewalt im Sport
Kampf um unabhängige Anlaufstelle

Immer mehr Athleten sprechen offen über Gewalterfahrungen. Die Politik nimmt die Enthüllungen und Anschuldigungen mittlerweile ernst. Im Bundestags-Sportausschuss bekräftigen Athletenvertreter ihre Forderung nach einer unabhängigen Anlaufstelle - der Olympische Dachverband (DOSB) scheint sich damit schwer zu tun.

Von Wolf Sören-Treusch | 05.05.2021
Die Füße einer Turnerin stehen auf dem Schwebebalken
Laut Studie haben 86 Prozent der Leistungssportler*innen leichte Formen psychischer Gewalt schon erlebt (picture alliance / ZB Thomas Eisenhuth)
Die Vorwürfe wiegen schwer. Zahlreiche Athletinnen und Athleten aus unterschiedlichen Sportarten hatten zuletzt von Fällen berichtet, in denen sie schikaniert, gequält, bedrängt oder auch sexuell missbraucht worden seien. Bettina Rulofs von der Universität Wuppertal beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Gewalterfahrungen im Sport:
"Wenn Athletinnen und Athleten keine Möglichkeit haben, aufzuzeigen, dass ein bestimmter rauer Ton oder auch ein bestimmtes Unter-Druck-Setzen sie psychisch belastet, dann kann das schon über einen langen Zeitraum gesehen zu einer sehr schweren psychischen Belastung führen."

Misstrauen gegenüber Ansprechpersonen wächst

Sie hat die bislang einzige umfangreiche Erhebung zu dem Thema in Deutschland geleitet. 86 Prozent der Leistungssportlerinnen und -sportler hätten leichte Formen psychischer Gewalt schon erlebt, heißt es in der Studie. Auch deshalb herrsche dringender Handlungsbedarf, sagt Maximilian Klein von ‚Athleten Deutschland‘. Immer mehr Sportlerinnen und Sportler würden den Ansprechpersonen in ihren Vereinen und Verbänden misstrauen.
"Diese Angebote werden teilweise nicht angenommen, weil man den Strukturen nicht vertraut, weil man Angst hat, dass einem nicht geglaubt wird, weil man Angst hat, dass einem nicht geholfen wird, dass Hinweise nicht anonym bleiben, dass Hinweisen nicht nachgegangen wird. Das ist extrem, und deshalb ist dieses Vertrauen dann auch beschädigt. Deshalb auch unser Plädoyer für die Schaffung von einer zentralen unabhängigen Anlaufstelle."

Nationale Strategie notwendig

Großbritannien und die USA hätten es vorgemacht. Ein ‚Unabhängiges Zentrum für Safe Sport‘, so Maximilian Klein, könne neben den regionalen Beratungsstellen ein wichtiger Baustein sein im Kampf gegen Gewalt und Missbrauch im Sport.
"Wir leisten uns eine Nationale Strategie für Sportgroßveranstaltungen, warum nicht eine Nationale Strategie gegen Gewalt und Missbrauch?"

DOSB sieht auch Vereine in der Verantwortung

Doch der DOSB distanziert sich. Das sei nicht der Königsweg, heißt es aus dem Dachverband. Vizepräsidentin Petra Tzschoppe findet, dass Sportvereine und -verbände selbst Verantwortung übernehmen müssten für den Schutz ihrer Athletinnen und Athleten.
Fußballplatz im Flutlicht
Sexualisierte Gewalt - Keine Hilfe für Betroffene
Vor einem halben Jahr lud die Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch zum Hearing nach Berlin. DOSB Vize-Präsidentin Petra Tzschoppe entschuldigte sich bei Betroffenen sexualisierter Gewalt im Sport für das Leid, das ihnen widerfahren ist. Die versprochene Unterstützung bleibt unklar.
Tzschoppe: "Und dazu gehört es auch, innerhalb der Sportstrukturen Ansprechpersonen zu haben. Allerdings – und da hätte ich auch gern mal belastbare Zahlen – kann ich es nicht ganz nachvollziehen, wenn hier so pauschal gesagt wird, da fehlt Vertrauen, das wird nicht genutzt und und und. Auch da müssten wir schon versuchen, auf einer genaueren Datenbasis..."
Kiziltepe: "Also wir müssen die Gespräche weiterführen, das ist klar geworden auch."
Spätestens, als die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe die DOSB-Funktionärin unterbricht, ist klar, welche Idee die meisten Abgeordneten im Sportausschuss favorisieren. Die von einer übergeordneten Anlaufstelle für Betroffene im Sport.