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Gewinner und Verlierer des Hochschulpakts in Hessen

In Hessen ist eine Debatte um den so genannten Hochschulpakt entbrannt. Mit dem Pakt will die Landesregierung unter anderem die Profile der Hochschulen durch Bündelung von Instituten an weniger Standorten schärfen. Damit einher geht aber die Schließung bestimmter Standorte.

Von Gudula Geuther |
    " Es ist ja häufig so, dass gerade die kleinen Fächer etwas mit der Perspektive von Scheuklappen vor sich hin arbeiten. Es ist zu hoffen, dass durch die Vernetzung verschiedener Fachbereiche ganz neue methodische Perspektiven eröffnet werden. Dass man etwa die moderne Landeskunde mit der Altorientalistik vernetzt und im Hinblick auf geoarchäologische, geographische, botanische und dergleichen Forschungen neue Perspektiven eröffnet, die sonst vielleicht nicht so sehr gegeben wären."

    Die Hoffnung des Marburger Orientalistik-Studenten Ingo Schrakamp teilt die hessische Landesregierung: Die geisteswissenschaftliche Kompetenz der Regionalstudien an den Unis in Frankfurt, Marburg und Gießen soll gebündelt werden. Frankfurt bekommt ein Zentrum für Ostasienstudien, Gießen für Osteuropaforschung und in Marburg entsteht der hessische Schwerpunkt für Orientalistik. Wissenschaftsminister Udo Corts erklärt, dass gerade diese kleineren Fächer ein hohes Niveau bieten müssen, um überlebensfähig zu sein. Beispiel Marburg: Der Leiter des altorientalistischen Seminars, Walter Sommerfeld, hält das Konzept für aussichtsreich.

    " Der Plan, wenn es denn so dabei bleibt, sieht vor, dass drei neue Professuren eingerichtet werden, die es so bisher gar nicht gibt, für Recht und Wirtschaft der arabischen Welt und Arabistik. Und dann kommen aus Frankfurt und Gießen jeweils Turkologie, Islamwissenschaft, Judaistik hinzu und hier in Marburg vorhanden sind Altorientalistik und Semitistik. Insgesamt könnten wir damit ein Spektrum abdecken, dass es in Deutschland so nicht gibt. Und wir würden zu den drei Top-Adressen gehören, die überhaupt Orientkunde betreiben."

    All das mit einem Etat, der weit über dem liegt, was die drei Universitäten bisher zusammen bekommen. Sommerfeld müsste dann nicht mehr, wie jetzt, regelmäßig große Bibliotheken abfahren, um wichtige Veröffentlichungen zu kopieren. Für die fünf Aufbau-Jahre ist von je 150.000 Euro für die Bibliothek die Rede - statt derzeit ein- bis zweitausend. Sommerfeld zählt zu den Gewinnern des Projekts, kann aber verstehen, wenn andere gar nicht begeistert sind. Was seine Kollegen davon halten, die aus Frankfurt und Gießen kommen sollen, weiß er noch nicht. Der Wissenschaftsminister betont zwar, dass die Umgestaltung in Eigenregie der Universitäten verlaufen soll - verhandelt wurde nur mit und unter den Präsidenten. Betroffen in Marburg ist mit den Osteuropa-Fachleuten ein traditionsreicher Zweig, der in Gießen fortgeführt würde. Daneben fürchten vor allem im Japan-Zentrum in Marburg Wissenschaftler und Studierende um ihre Existenz, und auch ihre Kompetenz. Denn hier wurde in den letzten 16 Jahren schon ein solches Zentrum aufgebaut: Eine Vernetzung weit über die Sprach- und Kulturwissenschaften hinaus, mit engen Verbindungen zu den Sozial-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Statt dieses Japan-Zentrums soll es in Frankfurt eine allgemeine Ausrichtung auf Ostasien geben. Konkrete Angaben darüber, was in Frankfurt aufgebaut werden soll, wo bisher Japan keine Rolle spielt, sind nach Auskunft des Wissenschaftsministeriums noch nicht möglich. Die in Marburg Betroffenen gehen aber davon aus, dass es in dem neuen Zentrum weitgehend bei Sprache und Literatur bleiben soll. Was dem Marburger Geschäftsführenden Direktor Heinrich Menkhaus nicht einleuchten will:

    " Was bleibt ist, dass eine Japan-bezogene Ausbildung unter ferner liefen landen wird. Weil es geht jetzt um Asien. In diesem Fall Gott sei Dank begrenzt auf Ostasien. Aber was kann jemand, der einen asiatischen Studiengang beendet hat, wo kann der nachher eingesetzt werden?"

    In Zukunft soll der einzige deutsche Lehrstuhl für japanisches Recht ersatzlos entfallen. Ein Fach, das es auf jeden Fall geben sollte, so die stellvertretende Sprecherin der Studierenden des Zentrums, Maria Basche:

    " Weil eben das japanische Recht sehr dem deutschen ähnelt, es kommt ja auch ursprünglich zum größten Teil davon. Und das ist sehr viel kompatibler und einfacher als wenn man erst über irgendwelches englische Recht gehen müsste, oder wenn man jetzt japanisches Recht nur in England studieren könnte, wo das jetzt mit den englischen Begriffen, die auf dieses System gar nicht passen, erklärt werden würde."

    Gegen die Zentren als solche sagen weder Studenten noch Professoren etwas - im Gegenteil. Weil der Wissenschaftsrat solche Bündelungen immer wieder verlangt habe, gebe es schließlich auch das Japanzentrum. Nur, so der Professor für japanisches Recht Menkhaus:

    " Ich hätte mir das Ganze völlig anders vorgestellt. Dass man darüber spricht, alle Beteiligten davon überzeugt, was das Richtige ist, dann juristische Fragen erörtert, wie zum Beispiel die Übertragung von schon vorhandenen Studiengängen, damit die Arbeit nicht noch mal gemacht werden muss. Und dann hätte man mit Sicherheit auch die Studierenden davon überzeugen können, während ihres Studiums den Standort zu wechseln oder an einem anderen Standort die eine oder andere Lehrveranstaltung zu verfolgen."