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Gezüchtete Farben

Biologie. - Unter den Haustieren nimmt das Pferd eine Sonderstellung ein: Bis zur Erfindung der Dampfmaschine waren Pferde zum Beispiel das wichtigste Transportmittel. Wann aber die ersten Pferde gezähmt und gezüchtet wurden, ist in der Fachwelt umstritten. Paläogenetiker konnten nun erstmals nachweisen, dass sich die Fellfarbe bei Pferden zu Beginn der Domestikation stark verändert hat.

Von Michael Stang |
    Wann und wo Wildpferde erstmals eingefangen und gezüchtet wurden, ist seit Jahrzehnten ein Streitthema. Dabei ist die Domestikation der Pferde das jüngste Kapitel aller großen Haustiere, sagt Norbert Benecke vom Deutschen Archäologischen Institut in Berlin.

    "Beim Pferd ist ja die Situation so, dass diese Tierdomestikation von Menschen erfolgte, die bereits eine längere Erfahrung im Umgang mit Haustieren hatten. Die kannten Schafe, Ziegen, hielten Schweine und Rinder, das heißt, die waren eigentlich mit dem Umgang mit Haustieren vertraut, und bei der Domestikation denke ich schon, dass hier ganz gezielt auch auf den potentiellen, späteren Nutzen hin domestiziert worden ist."

    Das Problem bislang war, dass die Pferde einen so großen Erfolg hatten, dass sie binnen weniger Jahre überall in Eurasien gezüchtet wurden. Wo begann aber ihre Geschichte? Einen neuen Weg auf der Suche nach dem Domestikationsursprung verfolgte Arne Ludwig, Genetiker vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin.

    "Normalerweise werden solche Studien immer gemacht, indem man sich die mütterlichen Linien, also die mitochondriale DNA anschaut und dann Rückschlüsse auf den Ursprung der entsprechenden Stammform zieht. Bei den Pferden ist es so, dass es eine Vielzahl mütterlicher Linien gibt, es sind, glaube ich, über 60 bis heute beschrieben, und es sehr komplexe Muster sind und man eigentlich nicht sehr viel daraus ableiten kann. Wir haben uns deswegen gesagt, dass unsere Vorfahren doch schon wesentlich intelligenter waren als man ihnen landläufig unterstellt und mit Sicherheit schon die Tiere direkt selektiert haben. Und als Merkmal für die Selektion haben wir Fellfarbe genommen."

    Die Überlegung war einfach: Rotbraune oder silberfarbene Pferde hätten sich in freier Wildbahn nicht durchsetzen können. Wenn ein Pferd ein für die Tarnung in der Natur unbrauchbares helles Haarkleid hatte, muss dies mit der künstlichen Selektion des Menschen zusammenhängen. Rund 150 Pferdeknochen hat Arne Ludwig zusammen mit einem internationalen Expertenteam untersucht. Gut die Hälfte der zwischen 40.000 und 1200 Jahre alten Proben enthielt noch genügend Zellkern-DNA, die sie untersuchen konnten. Der Fokus lag auf dem Zeitraum unmittelbar vor der Domestikation, das heißt zwischen 7000 und 3000 Jahren vor heute. Die drei Grundfarben schwarz, braun und rot konnten die Forscher mit genetischen Untersuchungen feststellen, ebenso deren Scheckungen. Zwei Gene geben dabei den Ausschlag, ob und in welcher Intensität welche Farbe gebildet wird. Die Ergebnisse waren eindeutig.

    "Zu Beginn der Domestikation kommt es zu einem sprunghaften und explosionsartigen Anstieg der Farbvarianten. Wir haben über 30 Prozent Füchse gefunden für diese Zeit. In der Bronzezeit dann eben noch Sabino-Scheckung, Silberfärbung und so weiter."

    Demnach wurden Wildpferde vor 5500 Jahren in der Ponto-Kaspischen-Steppe domestiziert, dort wo heute Russland, Kasachstan, die Ukraine und Rumänien liegen. Die Geschichte der Pferdedomestikation sei jedoch immer noch sehr vielschichtig. Von einem singulärem Ursprung des Hauspferdes könne man aber nicht sprechen, da es ihn per definitionem gar nicht gebe, sagt der Paläogenetiker Joachim Burger vom Institut für Anthropologie der Universität Mainz.

    "Ja, es scheint tatsächlich so, dass beim Pferd immer wieder Wildlinien eingekreuzt worden sind. Meine Idee dazu ist, dass letztendlich beim Pferd ein voll domestizierter Status gar nicht erstrebenswert war, sondern gewisse Wildmerkmale ja immer noch - wie Fluchtverhalten, schnelles Laufen - gewünscht waren. Damit geht eben auch einiges verloren, was wir eben von der Kuh erwarten, das wollen wir beim Pferd nicht, die sollen eben nicht dumm auf der Weide stehen und völlig schrecklos sein."

    Das Pferd gilt in den Augen einiger Experten daher nicht als voll domestiziertes Haustier. Zudem ist noch immer nicht geklärt, ob es nicht doch wie beim Hund mehrere Domestikationsursprünge gab. Die Domestikation des Pferdes lässt sich - so die aktuelle Studie - aber erstmals zeitlich und geographisch sehr genau eingrenzen.