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Giacometti bricht Auktionsrekord

Eine Skulptur des Schweizer Bildhauers Alberto Giacometti hat den Rekord für ein Kunstwerk bei einer Auktion gebrochen. Für 65 Millionen Pfund wechselte "L'Homme qui marche I" seinen Besitzer. "Es ist einfach wunderbar für Giacometti, dass er jetzt endlich auch die große, internationale Anerkennung erfährt", sagt der Direktor des Wilhelm-Lehmbruck-Museums, Raimund Stecker.

Raimund Stecker im Gespräch mit Karin Fischer | 04.02.2010
    Karin Fischer: So klingt es, wenn 65 Millionen Pfund den Besitzer wechseln, das sind rund 74 Millionen Euro, eher unspektakulär klingt das. So viel hat die Versteigerung der Giacometti-Plastik gestern bei Sotheby's in London erbracht.

    Damit hat der schreitende Mann sogar Picasso geschlagen, der bislang den absoluten Auktionsrekord hielt, mit damals 58,5 Millionen Pfund. Die Kunstwelt reibt sich die Augen, denn gerade noch schien es, als ob die Finanzkrise auch zu deutlichen Kurskorrekturen beim Spekulationsobjekt Kunst geführt habe.

    Raimund Stecker ist neuer Direktor des Wilhelm-Lehmbruck-Museums in Duisburg, des wichtigsten Skulpturenmuseums in Deutschland. Herr Stecker, wie erklären Sie sich diesen Rekord, hat das noch was mit Alberto Giacometti zutun oder nur mit den Spleens oder Vorlieben einzelner hochpotenter Kunstsammler?

    Raimund Stecker: Das hat mit Sicherheit etwas mit Giacometti zutun, weil: Die Vorlieben der Kunsthändler und die Vorlieben der Sammler sind immer bezogen auf den Künstler und auf das Werk, das er schafft oder das sie schafft. Und es ist einfach wunderbar für Giacometti, dass er jetzt endlich auch die große, internationale Anerkennung erfährt.

    Ja wenn man Picasso auf der einen Seite in der Malerei sieht, wer kann ihm das Wasser reichen in der Skulptur? Das sind, meine ich, im 20. Jahrhundert Wilhelm Lehmbruck, Brâncuşi und Giacometti; und einer dieser drei hat jetzt dieses wahnsinnige Ergebnis erzielt.

    Fischer: 65 Millionen Pfund in acht Minuten, das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen. Das müssen doch schon Spezialfreunde gewesen sein.

    Stecker: Das ist der Markt. Es gibt ein sehr geringes Angebot. Es gibt anscheinend eine große Nachfrage. Es gibt offensichtlich zehn bis 20 Menschen auf der Welt, die soviel Geld haben und sich ihren Traum auch 100 Millionen Euro wert sein lassen. Das ist besser, als wenn sie das Geld für Dinge ausgeben, die wahrlich nicht so ideell aufgeladen sind wie ein Kunstwerk.

    Fischer: Sie, Raimund Stecker, zeigen gerade 120 Werke von Giacometti in einer aktuellen Ausstellung in Duisburg und Sie haben dazu auch noch die größte Giacometti-Sammlung in Deutschland. Was bedeutet der Rekord für die Ausstellung und für ihr Museum?

    Stecker: Gottlieb Leinz, der langjährige stellvertretende Direktor und Kurator, hat diese Ausstellung wissenschaftlich hervorragend erarbeitet und wunderbar präsentiert. Was es direkt bedeutet, ein frohes Auge und ein weinendes Auge. Das frohe Auge ist, dass die Vorgänger recht hatten, Giacometti zu kaufen, nämlich den "Wald" und "Das Bein", das war damals der Direktor Gerhard Händler, und dann zu sagen, Susanne Henle von der Klöckner-Stiftung, hat, als die Buchheim-Sammlung abgezogen war, seinerzeit sehr generös das Geld zusammengebracht, um die einzige Gipsskulptur in Deutschland überhaupt zu kaufen, nämlich "Die Frau auf dem Wagen".

    Und was es darüber hinaus bedeutet für das Haus. Ich hoffe nicht, dass die Sammlerin, die uns ein wunderbares Angebot gemacht hat, die Ölskizze oder das erste Bild zu dieser Arbeit, die das Lehmbruck-Museum durch die Freunde zur Verfügung gestellt hat, dass wir das trotzdem erwerben können, zu einem Preis, der vorige Woche noch gültig war. Und dass dieser Preis jetzt nicht gesprengt ist.

    Fischer: Müssen die Ausstellungsobjekte nun besser geschützt werden?

    Stecker: Wir werden ab morgen früh, die Aufsichten verdoppeln und noch mehr Auge auf die Werke, auf die Exponate werfen, als bisher. Das ist leider der Fall, weil: Der ästhetische Wert ist der gleiche geblieben, der finanzielle ist ein anderer. Und dummerweise ist der finanzielle Wert oft der, der nicht ganz klar denkende Kenner zu Taten veranlasst, die wir tunlichst, mit aller Gewalt, versuchen wollen zu verhindern.

    Fischer: Noch mal zurück zum Kunstmarkt, die Finanzkrise hat vor allem zeitgenössische Kunst schwerer verkäuflich gemacht, während die Investition in die Klassiker oder die klassische Moderne weiterhin für die Auktionshäuser sehr erfreulich verläuft. Bedeutet das, zurück zu den wirklichen Werten, oder was für ein Phänomen haben wir da vor uns?

    Stecker: Ich glaube, das ist so ähnlich, wie mit dem Finanzmarkt auch. Wer also leer spekuliert, kann die größeren Gewinne machen, kann aber auch größer reinfallen. Und die Krise, in der wir momentan finanziell stecken, ist ja keine, dass man in langgültige Werte sich verspekuliert hat, sondern in kurzgültige. Und das Gleiche gilt für den Kunstmarkt offensichtlich auch. Dort, wo die Museen schon mal ganz klar ja gesagt haben, dort wo die Wissenschaft aufgewiesen hat, was die ästhetische Bedeutung eines Kunstwerkes ist, so wie es jetzt Gottlieb Leinz mit der Ausstellung gemacht hat, da lohnt es sich auch, wirklich zu investieren. Und bei jüngerer Kunst ist es eben dann doch ein bisschen spekulativer. Das ist gut so, aber möglicherweise sollten die Spekulationsraten für jüngere Kunst dann doch im Bewusstsein limitierter sein, den Markt selber kann man nicht limitieren.

    Fischer: Herzlichen Dank an Raimund Stecker, den Direktor des Wilhelm-Lehmbruck-Museums in Duisburg, zum neuen Auktionsrekord mit "L'Homme qui marche I" von Alberto Giacometti.