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Glattpoliert, kitschig, banal

Erstmals ist eine Ausstellung des US-Künstlers Jeff Koons in der Schweiz zu sehen. Die Schau in der Fondation Beyeler offenbart das Rezept des Popartisten: Koons bedient sich bei Ready Made, Minimal Art und Konzeptkunst - und lässt ausrichten, das Ganze sei ironisch gemeint.

Von Christian Gampert | 14.05.2012
    Man kommt nicht umhin, Jeff Koons als ein Markt-Phänomen zu betrachten. Auf dem Weg zur Pressekonferenz läuft man in der Ausstellung an seinem "Cracked Egg" vorbei, einem riesigen blauen Osterei, vom Meister persönlich geköpft. Man hat den spiegelnden "Balloon Dog" in Rot schon gesehen, die riesigen Tulpen aus Stahl, die kitschige Pietà, wo ein vergoldeter Michael Jackson den Affen Bubbles im Arm hält, und dann sitzt da unten, im großen Saal der Fondation Beyeler, Jeff Koons persönlich, 200 Journalisten lauschen ergriffen, diverse Kamera-Teams filmen, und der Superstar spricht:

    "Der Balloon Dog ist doch ein wunderbares Objekt! Er will den Betrachter in seiner Existenz bestärken. Ich arbeite oft mit reflektierendem, spiegelndem Material, weil es den Zuschauer automatisch in seiner Selbstgewißheit bestärkt. In einem dunklen Raum bringt das natürlich nichts. Aber wenn man direkt vor dem Objekt steht, spiegelt man sich darin und versichert sich seiner selbst."

    Herr, wir danken dir: das Glattpolierte, das Kitschige, das Banale – all das befestigt uns also in unserer Identität. Koons kleine Vorlesung in Existenzphilosophie gipfelt in der Aussage, es gelte, Werturteile zu vermeiden, das "Spiel von Schuld und Scham" zu verlassen und dem Betrachter das Gefühl zu geben, seine eigene Geschichte sei perfekt. Und perfekt seien schließlich aus seine, Koons‘ Skulpturen.

    Nun: ganz ohne Werturteile geht es in der Kunstkritik nicht ab. Resümieren wir mal: Jeff Koons ist ein smarter Verkäufer seiner selbst, eloquent, unverbindlich, sehr amerikanisch. Er kommt jetzt, damit es sich lohnt, für gleich drei (!) Ausstellungen nach Europa; seine Objekte sind auf dem Kunstmarkt mit am höchsten gehandelt, und die öffentlich bezuschussten Museen sind seine Schaufenster. Im Park der Fondation Beyeler steht "Split-Rocker", vom Material her eine nach Art der Barockgärten in Form gebrachte riesige Hecke mit Blumen, von der Form her eine Mischung aus Pony und Dinosaurier. Sehr witzig. Und im hinteren Seerosenteich steht noch so ein blaues Nichts aus Stahl, das aussieht wie ein Ballon, in Wahrheit aber massiv und schwer ist.

    Aber nicht das Spiel mit den Materialien ist das Ärgerliche an Jeff Koons, sondern sein Spiel mit dem Anything-goes, seine Herzchen und Blümchen, seine Schweinchen und Engelchen, seine Bärchen und Kätzchen und Ballonhündchen, dieser ganze grelle Kindergeburtstag. Es scheint auch in der europäischen Gesellschaft ein großes Bedürfnis nach Regression zu geben, sonst wäre dieser Kitschkram nicht so erfolgreich. Freilich: die Ausstellung in der Fondation Beyeler ist grandios gestellt, die weiten Räume verleihen den mickymäusischen Objekten eine Aura, die sie in Wahrheit gar nicht haben. Und Koons selber tut alles, sich im Kontext der Kunstgeschichte als Großmeister zu inszenieren, er sieht seine skulpturalen Versuche mit der italienischen Porno-Ikone Cicciolina aus den 1990er-Jahren in der Tradition von Courbets "Origine du Monde", er vergleicht den grässlich inhaltslosen "Balloon Dog" mit dem trojanischen Pferd.

    Dabei ist Koons‘ Rezept hinreichend einfach: er schließt an Ready Made, Minimal Art und Konzeptkunst an, bedient sich der Inhalte der Popkultur und lässt ausrichten, das Ganze sei ironisch gemeint. Die Ausstellung in der Fondation Beyeler zeigt drei Werkgruppen: "The New" – das sind in der Hauptsache jene fabrikneuen Hoover-Staubsauger, die unter Plexiglashauben zu wunderbaren Ikonen des Alltags werden, säkular und sakral zugleich - und von denen man wünschte, sie würden den ganzen traurigen Rest der Ausstellung einfach wegsaugen. Zweitens: "Banality", das sind die barocken, süßlichen Porzellan-, Holz- und Glasfiguren wie zum Beispiel Michael Jackson und sein Affe. Und, drittens, der bis heute weitergeführte "Celebration"-Zyklus mit den scheinbar aufgeblasenen, in Wahrheit massiv stählernen Spiegelobjekten. Vor diesen Kunstwerken, so sagte Koons auf der Pressekonferenz, möge der Betrachter nur ein simples "Wow!" ausstoßen. Ein frommer Wunsch. Dem einigermaßen geschulten Kunstbetrachter entfährt vor diesem anachronistischen Plunder eher ein herzliches "So what".