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Gletschersee unter Kontrolle

Klima.- Grindelwald steht beispielhaft für Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt. Durch das Abschmelzen eines Gletschers hat sich in den Bergen ein See gebildet, der den Schweizer Ferienort mit sturzflutartigen Überschwemmungen bedroht.

Von Detlef Kutz |
    Als Folge eines Felssturzes und des Gletscherrückgangs hat sich vor etwa drei Jahren auf dem Unteren Grindelwaldgletscher ein See gebildet, der seither immer größer geworden ist: 700 Meter lang, 300 Meter breit und 35 Meter tief war er in diesem Sommer. Anfänglich suchte sich das Wasser immer wieder einen Weg durch das Gletschereis und floss über einen Bergbach ab. 2008 verstopfte der natürliche Ablauf jedoch plötzlich, erinnert sich Kurt Amacher, Sicherheitschef der Gemeinde Grindelwald:

    "Der See wuchs und wuchs und wuchs, und wir hatten nirgends einen Auslauf unten, und die Lütschine, also der Fluss, der war konstant tief. Irgendwie sammelte sich das Wasser dort. Und für uns war das wie eine Zeitbombe. Und irgendwie am 31. Mai, es hat auch ein Gewitter dazu gegeben, plötzlich kam die ganze Sache und innerhalb von drei Stunden war der See komplett leer."

    800.000 Kubikmeter Wasser stürzten ins Tal. Die Fluten des Bergbachs überschwemmten den Golfplatz – Menschen kamen zum Glück nicht zu Schaden. Bisher wuchs der See in der Schneeschmelze und schrumpfte während des Sommers durch spontane Entleerungen wieder. So blieb der Seepegel 2008 auch nach der Flut niedrig. Nicht so in diesem Jahr, erklärt der Ingenieur Nils Hählen:

    ""Im See ist den ganzen Sommer über Wasser drin geblieben. Das ist etwas einmaliges, das hatten wir bis jetzt noch nie. Was genau die Ursache ist, wissen wir nicht."

    Der Gletschersee erreichte sogar ein Rekordvolumen von zweieinhalb Millionen Kubikmeter. Für das kommende Jahr, schätzen Fachleute, könnte der See fast doppelt so groß werden und in drei Jahren viermal so groß wie in diesem Jahr. Damit das nicht geschieht, soll das Wasser des Sees nun kontrolliert ablaufen. Dazu wurde ein zwei Kilometer langer Stollen durch den Fels getrieben, der als künstlicher Überlauf den See bändigen soll.

    Der drei Meter breite und viereinhalb Meter hohe Abflusstollen führt vom Talgrund durch den Berg bis hinauf zum Gletschersee, der dann bis zum Herbst doch wieder kontinuierlich abgeflossen war. So konnten die Bergleute 33 Meter unter dem Seespiegel die Mündung des Stollens aus dem Fels sprengen: hier ist jetzt der künstliche Überlauf des Sees. In Rekordzeit von zehn Monaten wurden die Bergarbeiten Ende November abgeschlossen.

    Das Wasser des Gletschersees wird jedoch künftig nicht über die ganzen zwei Kilometer Länge des Stollens ins Tal geleitet, sondern schießt schon nach 700 Metern durch ein Stollenfenster aus dem Fels und stürzt als Wasserfall 100 Meter tief in die Schlucht. An dieser Stelle gabelt sich der Stollen: die Bergarbeiter haben hier einen Umfahrungsstollen angelegt, der oberhalb des Überlaufs ans Tageslicht kommt. Auf diesem Weg können künftig schwere Baumaschinen vom Tal hinauf zum Gletschersee gebracht werden.
    Die Bewährungsprobe für den Entlastungsstollen wird nach Ansicht von Kurt Amacher, Sicherheitschef der Gemeinde Grindelwald, die kommende Schneeschmelze im Frühjahr 2010 sein.

    "Wir denken jetzt mit diesem Stollen, der ja notabene 15 Millionen Schweizer Franken kostet, können wir die Gefahren damit bannen."