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Glitzer, Stoff und Sternchen

Die Fashion Week in Berlin gilt für junge Modeschöpfer als Karriere-Sprungbrett. Sie konkurrieren dort um den Designer for Tomorrow-Award. Der Preis öffnet vielen die Tür ins Geschäft. Das hofft auch Gewinnerin Alexandra Kiesel.

Von Sarah Tschernigow | 07.07.2011
    Ein leergeräumter Konferenzraum in einem Berliner Hotel. Fünf junge Designer treffen sich hier zum letzten Feinschliff für ihre Präsentation bei der Berlin-Fashion Week. Denn: Auf dem Laufsteg im Zelt am Brandenburger Tor muss alles sitzen. Kurz vor Schluss ist an den Kollektionen noch einiges zu tun.

    "Zum Beispiel ist es an der Hüfte ansitzend, an der Taille zu weit. Also muss das noch ein bisschen geändert werden. Dort sind ein paar Knöpfe abgerissen, die müssen wieder dran. Hosen, irgendwelche Reißverschlüsse klemmen, das muss man verbessern, damit es schnell geht am eigentlichen Tag der Show."

    Der 25-jährige Marcus Schmidbauer aus München ist aufgeregt. Er hofft, den Designer for Tomorrow Award zu bekommen für seine extravagante Kollektion aus Latex. Die für ihn gebuchten Models verspäten sich. Marcus nutzt die Wartezeit zum Durchatmen.

    "Es ist schon stressig, aber ich mag das sehr gerne. Das höre ich auch immer: Och toll, Ihr seid auf der und der Party! – Aber das sind nur minimale Erlebnisse, die man hat. Das meiste sitze ich im Keller und mache tage- und stundenlang Schnitte. Das sieht natürlich keiner."

    Im Gegensatz zu etablierten Designern hat der Nachwuchs, meist frisch von der Kunsthochschule kommend, kein Geld. Fast alle müssen nebenbei jobben, um ihre Materialien finanzieren zu können. So auch die 28-Jährige Alexandra Kiesel:

    "Das eine am Theater und das andere, da verkaufe ich auf einem Doppelstockbus Kaffee und Bier."

    "Man kann halt nicht 30 Meter Stoff kaufen und sehen, was man draus macht, sondern du kaufst wirklich für dieses Outfit, was du schon weißt. Diese Vorfinanzierung haben wir halt nicht. Also 'Du brauchst 10.000 Euro', das geht halt nicht. – Industrienähmaschinen, die man sich so wünscht, kosten 800 bis 3000 Euro. Was ich noch gerne für die Taschen hätte, wäre so eine Schustermaschine, die hat so einen Freiarm. Damit kannst du sperrige Sachen nähen. Die kostet 3000 Euro. Und immer wieder Stoffe, Fotoshootings, Models ... also es kommt wahnsinnig viel zusammen."

    Aber ein wahrer Künstler weiß sich zu helfen.

    "Die Reißverschlüsse sind vom Türkenmarkt. Der Türkenmarkt ist für Berliner DIE Adresse. Das ist schon kein Geheimtipp mehr. Ich treffe dort ständig die Modestudenten von Weißensee. Die sind alle da und kaufen ihre Stoffe. Da kann man die Youngstars treffen, auf jeden Fall."

    Wer den Designer for Tomorrow-Award gewinnt, geht mit seinem vierstelligen Fördergeld künftig vermutlich woanders einkaufen. UND – was noch viel wichtiger ist: Er bekommt eine eigene Modenschau auf der Fashion Week im Winter. Dieses Mal müssen sich die Teilnehmer noch einen Laufsteg teilen. In der ersten Reihe sitzen wichtige Moderedakteure und PR-Agenten. Gesehen werden ist alles.

    Jeder Designer bekommt für seine Modelle fünf Minuten auf dem Catwalk. Am Ende kommen sie selber kurz raus und winken einmal in die Runde. Anspannung vor der Siegerehrung.

    "And the winner of the award is Alexandra Kiesel!”"

    Alexandra Kiesel hat die Jury mit ihrer Kollektion aus natürlichen Materialien wie Seide und Baumwolle überzeugt. Die Linie ist stimmig und tauglich für den Markt. Star-Designer und Juror Marc Jacobs überreicht der Gewinnerin einen Pokal. Küsschen links und rechts. Alexandra strahlt im Blitzlichtgewitter und weiß gar nicht, wie ihr geschieht.

    ""Mir schlägt das Herz bis zum Hals und ich bin glücklich und weiß nicht, was jetzt passiert. Echt unbegreiflich. Jetzt geht's erst los, glaub ich."

    Zumindest wird sie bald wohl keinen Kaffee mehr im Bus verkaufen müssen. Parsival Czerer, der Gewinner vom letzten Jahr, bringt im Herbst eine Kollektion auf den Markt. - Für die anderen hat es nicht gereicht. Wirklich enttäuscht aber ist keiner.

    "Es ist okay. Es war eine wirklich geile Show. Es hat superviel Spaß gemacht, mal alles von Anfang an mitzuerleben. Der, der gewonnen hat, hat eben gewonnen. Mit Verdienst, denke ich. Es ist wirklich okay. Ich fand's einfach nur großartig, und ich freu mich sehr für Alex. Endlich hat ein Mädchen gewonnen! Das finde ich so toll. Es ist jetzt vorbei und es wird gefeiert."

    Ein halbes Jahr Arbeit für fünf Minuten Show. Weitermachen wollen alle.

    Und wenn es mit der Designer-Karriere doch nicht klappt, dann vielleicht irgendwas im Mode-Management-Bereich. Hauptsache, es wird am Ende kein langweiliger Büro-Job.