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Glyphosat-Urteil
Reduzierung der Strafzahlung als Etappensieg für Bayer

Der Wirkstoff Glyphosat der Bayer-Tochter Monsanto ist krebserregend - das hat das ein Gericht in Kalifornien bekräftigt. Die Schadenersatzzahlung gegen den krebskranken Kläger wird aber deutlich reduziert. Ein kleines Zeichen der Entspannung für den Bayer-Konzern, aber die Lage bleibt heikel.

Ursula Mense im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 23.10.2018
    Der Kläger sitzt im Gerichtssaal
    Der krebskranke ehemalige Hausmeister Dewayne Johnson klagt gegen Monsanto (AFP/Josh Edelson)
    Dirk-Oliver Heckmann: Der US-Saatguthersteller Monsanto soll wegen möglicher Krebsrisiken seines Unkrautvernichters Glyphosat sehr viel weniger Schadenersatz zahlen als zunächst entschieden. Ein Gericht in San Francisco reduzierte die durch ein früheres Urteil verhängte Schadenersatzzahlung an Dewayne Johnson, einen Krebspatienten, von knapp 290 Millionen Dollar auf 78 Millionen Dollar.
    Ursula Mense aus unserer Wirtschaftsredaktion: Wie wichtig ist diese Entscheidung für den Monsanto Mutterkonzern Bayer?
    Ursula Mense: Sehr wichtig, wenn nicht sogar richtungweisend. In den USA laufen mehr als 8.000 Klagen gegen Monsanto wegen möglicher Erkrankungen durch den Unkrautvernichter Glyphosat, die sich jetzt möglicherweise an dem kalifornischen Gerichtsurteil orientieren. Bereits vor zwei Wochen hatte das Berufungsgericht in San Francisco Zweifel an einem direkten Zusammenhang zwischen der Nutzung von Glyphosat und der Krebserkrankung geäußert. Der an Lymphdrüsenkrebs erkrankte frühere Hausmeister Johnson hatte aber so argumentiert. Er warf dem Konzern vor, durch die jahrelange Nutzung von Monsanto Produkten erkrankt zu sein. Dieser Argumentation ist die Richterin, Suzanne Bolanos heißt sie, zwar im Prinzip gefolgt. Sie zweifelt aber an der Verhältnismäßigkeit der Forderung und will deshalb die bereits zugesprochene Summe so drastisch reduzieren.
    Das ist sicher ein Etappensieg für Bayer. Viele Anleger standen ja der Monsanto-Übernahme für rund 63 Milliarden Dollar überwiegend skeptisch gegenüber. Dann brach die Aktie ein, nachdem dem Kläger Johnson die hohe Entschädigung zugesprochen worden war. Der Bayer Konzern verlor zeitweise ein Viertel seines Wertes. Insofern dürfte dieses Urteil jetzt ein großes Aufatmen in Leverkusen hervorgerufen haben.
    Das Bild zeigt das Bayer-Werk in Leverkusen im August 2016. Die Anlage ist beleuchtet, denn es ist Abend.
    Das Bild zeigt das Bayer-Werk in Leverkusen (dpa-Bildfunk / Oliver Berg)
    Heckmann: Kann man sich vorstellen. Der Streit um die Gefahren durch Glyphosat ist ja auch bei uns im Deutschlandfunk immer wieder Thema und auch in der EU. Wie ist denn der Stand zur Zeit?
    Mense: Die EU-Länder haben der Zulassung des Mittels ja vor einem Jahr für weitere fünf Jahre zugestimmt. Insofern haben sie Fakten geschaffen.
    Tatsächlich ist es aber weiterhin hoch umstritten, ob Glyphosat bzw. Roundup, so heißt der Stoff ja im Handel, ob der krebserregend ist. Die Internationale Krebsforschungsagentur der WHO hat das Mittel als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung sagen dagegen, es bestehe für Verbraucher keine Gefahr. Monsanto und Bayer halten Glyphosat selbstverständlich für sicher und verweisen auf mehr als 800 wissenschaftliche Studien dazu, die das belegen.
    Der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat vom US-Konzern Monsanto
    Der Unkrautvernichter Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat vom US-Konzern Monsanto (imago/Bildwerk)
    Heckmann: Und wie geht es jetzt weiter? Bei über 8000 anhängigen Verfahren wird Bayer noch lange mit Glyphosat beschäftigt sein, oder?
    Mense: Ja, das stimmt. Zumal sie es in den USA mit gewieften Anwälten zu tun haben, die dafür bekannt sind, hohe Schadenersatzleistungen zu erstreiten.
    Im Fall Johnson kommt es jetzt darauf an, ob der schwerkranke Mann, der auch nicht mehr lange leben wird, die 78 Millionen Dollar akzeptiert. Dazu hat er bis zum 7. Dezember Zeit.
    Der Bayer Konzern kündigt derweil an, gegen das revidierte Schadenersatzurteil Berufung einlegen. Die deutlich reduzierte Summe sei zwar so wörtlich "ein Schritt in die richtige Richtung". Dass die Richterin den Antrag auf einen neuen Prozess aber abgelehnt hat, das stehe im Widerspruch zu den im Prozess vorgelegten Beweisen. Man plane deshalb, Berufung beim California Court of Appeal einzulegen.