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"Go" für Chinas Taikonauten

Raumfahrt. – Möglicherweise noch in dieser Woche könnte einmal mehr Raumfahrtgeschichte geschrieben werden. Denn derzeit findet in Peking eine Tagung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas statt, die als bester Anlass zum Start des ersten Chinesen ins All gehalten wird. Treffen diese Einschätzungen zu, dann könnte Dienstag oder Mittwoch das Reich der Mitte mit einem erfolgreichen Start der bemannten Rakete die Nummer drei unter den Raumfahrt treibenden Nationen werden. Weil aber das chinesische Raumfahrtprogramm ganz in der Obhut des Militärs steht, sind Einzelheiten zu dem Flug außerordentlich rar.

14.10.2003
    Noch immer ist die Raumfahrt nicht zuletzt eine Prestige-Angelegenheit einer Nation, und dies umso mehr, wenn erstmals einer ihrer Bürger in Richtung Orbit aufbricht. Mit dem baldigen und vermutlich zeitgleich mit einer Tagung des Zentralkomitees der kommunistischen Partei vorgesehenen Start des ersten Chinesen ins All beweist das Reich der Mitte Selbstbewusstsein gegenüber den beiden anderen Nationen, die bemannte Raumfahrt betreiben – den USA und Russland. Taikonauten werden die Raumfahrer aus China genannt, das Wort ist die Verschmelzung des chinesischen Begriffes für "Weltraum" mit der griechischstämmigen Bezeichnung für "Seemann". Sowohl der schubstarke Träger als auch die Kapsel tragen ebenfalls bedeutungsvolle Namen. Die Rakete vom Typ "Langer Marsch 2F" ist bereits seit 30 Jahren im Einsatz und kann auf die eindrucksvolle Bilanz von nur drei Fehlstarts verweisen. Die Shenzhou-Kapsel, die den Taikonauten während seines kurzen Weltraumaufenthaltes beherbergt, heißt übersetzt etwa "göttliches", "heiliges" oder "magisches Schiff".

    "Die oberste Stufe unserer Rakete besteht aus drei Teilen: Ganz oben befindet sich die so genannte Arbeitskapsel, in der sich die Astronauten hauptsächlich aufhalten werden. Darunter ist das Wiedereintrittsmodul angebracht, mit dem die Raumfahrer die Umlaufbahn verlassen, durch die Erdatmosphäre fliegen und auch landen werden", erklärt Hua Chongzhi, Vize-Chef der China Aerospace Science and Technology Corporation, einer Mischung aus Raumfahrtbehörde und Raumfahrtkonzern. Während das Landemodul wieder der Erde entgegen stürzt, wird die dann unbemannte Arbeitskapsel im Orbit verweilen und verschiedenen Beobachtungsaufgaben dienen. Das dritte Modul des Systems besteht aus kleinen Triebwerken, die der Navigation der Kapsel dienen und vor dem Wiedereintritt ebenfalls abgeworfen werden. Wie bei russischen und US-amerikanischen Raketentypen trägt auch "Langer Marsch" während der Startphase auf der Spitze eine kleine Rettungsrakete, die die Kapsel im Katastrophenfall forttragen und an Fallschirmen zur Erde führen soll.

    Eine völlige Neuentwicklung ist Chinas Eintrittskarte in den elitären Kreis der Raumfahrer indes nicht. Vielmehr gleicht das System stark den russischen Sojus-Kapseln. Entsprechend hart wird die Landung des Taikonauten im Gebiet der Inneren Mongolei ausfallen: zunächst werden Fallschirme den Sturz abbremsen bevor die Zündung einer Sprengladung die Härte des Aufschlages dämpft. Wie hart China aber mit seinen All-Ambitionen im bislang US-amerikanisch dominierten Raumfahrtgeschäft einschlägt, dazu gehen die Meinungen auseinander. "Ich begrüße den Eintritt Chinas in den Club der raumfahrenden Nationen sehr und vielleicht entsteht daraus in der Zukunft auch eine weitreichende Kooperation. Auch wenn China derzeit eine eigene Technologie verfolgt und sogar eine eigene Raumstation anstrebt, besteht wegen der enormen Kosten dennoch eine Möglichkeit, dass China Teil der internationalen Partnerschaft im Weltraum wird", schätzt der deutsche Raumfahrtexperte in NASA-Diensten, Jesco von Puttkamer. Derzeit gibt das Land geschätzte drei Milliarden Euro pro Jahr für seine Raumfahrtpläne aus – und die reichen von einer eigenen Raumstation über bemannte Flüge zum Mond bis zur Eroberung des Mars – sei es mit oder ohne internationale Kooperation. Verhaltener beurteilt dagegen der Chef der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, Sean O’Keefe, dieses Engagement. Er heißt China im Kreis der Raumfahrer willkommen und lehnt auch eine Zusammenarbeit nicht kategorisch ab, verweist aber darauf, dass die Grundlagen hierfür vom US-Außenministerium vorgegeben würden.


    [Quelle: Guido Meyer]