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Goethe und Schiller in aller Welt

Der afghanische Germanistik-Professor Gholam Dastgir Behbud hat in Weimar die Goethe-Medaille 2008 erhalten. Außerdem wurden der Theaterregisseur Bernard Sobel sowie der amerikanische Übersetzer John E. Woods ausgezeichnet. Mit der Goethe-Medaille würdigt das Goethe-Institut Personen, die sich in besonderer Weise um den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben.

Von Hilde Weeg | 26.03.2008
    Alle drei Preisträger stehen für eine äußerst engagierte Kultur-Basisarbeit, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Der afghanische Germanistik-Professor Gholam Dastgir Behgud hat diese über Jahrzehnte unter lebensgefährlichen Bedingungen geleistet. Weil sein Vater, ein Textil- und Pelzhändler, von der Qualität deutscher Waren so begeistert war, schickte er seinen ältesten Sohn auf die einzige deutsche Schule in Kabul - für Behgud eine Erfahrung, die sein weiteres Leben bestimmen sollte:

    "Ein Privileg für die Absolventen dieser Schule war, dass sie nach dem Abitur direkt in Deutschland studieren konnten."

    1974 begann Behgud, als Germanistik-Professor an der Universität Kabul zu arbeiten. Er blieb und lehrte auch in den folgenden Jahren - allen Widrigkeiten und Anfeindungen durch den Einmarsch der Russen, Bürgerkrieg, Taliban-Regime und neuerlichen Krieg zum Trotz. Dank zahlreicher Aufenthalte und Gastprofessuren in Ost- und Westdeutschland gelang es ihm, nach der völligen Zerstörung Kabuls die germanistische Abteilung wieder aufzubauen. Die Anzahl der Lehrbücher ist von genau einem Buch 2002 wieder deutlich gestiegen:

    "Wir haben im Moment eine Handbibliothek von etwa 4000 Fachbüchern, wir sind sehr zufrieden mit diesem Bestand."

    Behgud organisiert Sprachunterricht und Lehrpläne, bildet Übersetzer und Dolmetscher aus, vermittelt Landeskunde und organisiert Lesungen und Theater-Abende. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass Deutsch nach dem Englischen die zweitwichtigste Fremdsprache im Land geworden ist, dass Deutschlehrer in der Provinz ihre Arbeit aufnehmen. Basisarbeit leistet seit Jahrzehnten auch Bernard Sobel in den Arbeiter-Vororten von Paris. An dem von ihm schon 1963 gegründeten Theatre von Gennevilliers wurden Brecht und Heiner Müller aufgeführt, als die Deutschen den Franzosen noch zutiefst suspekt oder sogar verhasst waren. Seine Sympathie und sein Herz gehört den kleinen Leuten, und das kam auch in Weimar zum Ausdruck:

    "Man hat von Goethe gesprochen, aber es gibt einen Menschen, der aus dieser Stadt herausgeworfen wurde, und das war Lenz. Und er hat sich an die Kleinen gewendet."

    Er, dessen Vater von den Nazis nach Buchenwald deportiert wurde, beschwor Kultur als Überlebensmittel, als eigentlichen Sinnstifter des Lebens. 1996 gelang ihm ein Meisterstück: Die Uraufführung von Grabbes Stück "Napoleon oder die hundert Tage":

    "Und wir haben Lessing, oder Lenz oder Grabbe inszeniert, weil wir sie gebraucht haben. Das war kein Geschenk. Komischerweise sind die großen französischen Ereignisse in Deutschland analysiert worden."

    Der dritte Preisträger hat schwierige und als unübersetzbar geltende deutsche Literatur - vor allem von Arno Schmidt - für englischsprachige Leser erschlossen: der amerikanische Übersetzer John E. Woods. Seine Rede war die kürzeste und zugleich sprachgewandteste des Tages - verbunden mit einem poetischen Kompliment an seinen Laudator: den Gründer der Arno-Schmidt-Stiftung und Literaturförderer:

    "Dr. Jan Philipp Reemtsma, der das Projekt Arno Schmidt über Jahre unterstützt hat. Er ist der Wind unter meinen zweisprachigen Flügeln."

    Woods war es auch, der klare Worte fand für die umfassende Bedeutung von Sprache und Verständigung - vielleicht weil er ständig mit zwei Sprachen und damit Daseinsformen lebt:

    "Die Sprache ist der menschlichste Zug, den wir unter uns Menschen teilen. Sie bringt uns näher, eins zu eins, trotz unseres trennenden Egoismus, und auch von Kultur zu Kultur. Zwei von diesen Sprachen trage ich immer im Kopf mit mir herum. Und Menschen, die sie sprechen und schreiben, haben diesen Tag ermöglicht. Es ist mir eine Ehre, diese Menschen bei mir stehen zu wissen, und mich von Herzen bei ihnen zu bedanken. Danke."