Es glitzert und funkelt in dem sonst staubigen türkischen Grenzstädtchen Kilis. Junge Türkinnen laufen aufgeregt durch die überdachte Basargasse im Zentrum, bleiben vor den vollgestopften Schaufenstern von mehr als 30 Juwelieren stehen, zeigen mit dem Finger auf protzige Armreifen, Broschen und Ringe.
Das Geschäft läuft gut, nickt Juwelier Zafer Bilik, der in seinem Zehn-Quatratmeter-Shop steht und ein Bündel Lirascheine zählt. 1300, 1400, 1500 Bilik hält kurz inne, zeigt mit der freien Hand auf ein Ehepaar draußen. "Wegen denen da”, murmelt er.
"Die verkaufen, was immer sie können, um ihr Leben zu finanzieren. Einige bieten uns ihre Eheringe an. Oder die Ohrringe und Armreifen ihrer Kinder. Eben kam einer und nahm seinem Kind vor mir den Stecker aus dem Ohr. Dem Vater zuliebe habe ich ihn gekauft – und dem Kind danach als Geschenk zurück gegeben."
‘Die da’ sind die mehr als 20.000 Syrer, die sich in den letzten Monaten in Kilis niedergelassen haben. 12.500 allein im völlig überfüllten Flüchtlingslager, andere in günstigen Wohnungen oder einfach nur im Park…
"Sie dürfen das nicht falsch verstehen. Die goldene Armreifen oder Ohrringe dieser syrischen Frauen sind nicht in dem Sinne Schmuck. Sie sind Reserven für schwierige Zeiten – so wie die heutigen. Die Syrer verkaufen hier das Gold, das sie in guten Tagen gesammelt haben, um Brot, Milch oder Reis für ihre Kinder zu kaufen."
Juwelier Bilik hat das Lirabündel in seiner Hand vergessen, nachdenklich blickt er durch die Scheibe nach draußen.
Das syrische Paar von eben kommt aus dem Laden gegenüber. Die Frau – im knöchellangen Mantel und weißem Kopftuch – legt ihrem Mann beschwichtigend die Hand auf die Schulter. Der wischt sie weg wie eine lästige Fliege.
"Syrisches Gold und türkisches Gold sind nicht gleichwertig. Das syrische Gold hat 14 bis 21 Karat. Hier haben sie 22 bis 24 Karat! Deswegen ist der Preis für das, was wir haben, geringer."
Abu Mahmoud blickt ratlos hinunter auf die faltigen Hände. "Wir müssen nehmen, was wir kriegen können", murmelt er und steuert auf den Ausgang der Basargasse zu.
Nur wenige Minuten sind es vom Goldbasar zu dem alten Haus, in dem der pensionierte Lehrer und seine 19-köpfige Familie seit zwei Monaten hausen. Die erste Kälte kriecht durch die schlecht isolierten Wände, durch die morschen Holzfensterrahmen zieht der Wind. Abu Mahmoud spielt trotzdem den stolzen Gastgeber, ganz so als säße er in seinem schönen arabischen Haus auf der anderen Seite der Grenze. Eine Enkelin kommt mit einem Tablett duftendem Kardamomkaffee herbei.
"Mein Sohn hebt in Syrien meine Rente ab und schickt sie mir hierher. Davon leben wir jetzt. Aber natürlich reicht es nicht. Es reichte vielleicht in Syrien, aber nicht hier! Dort haben wir gut 200 syrische Lira für eine Gasflasche bezahlt – hier ist es zehn Mal so viel!"
Abu Mahmoud streicht sich über das weiße Hemd. Er will nicht so aussehen, wie man sich einen Flüchtling vorstellt. "Ich würde arbeiten", sagt er, zeigt die Handflächen wie zum Beweis. Viele der über 100.000 Syrer in der Türkei schuften inzwischen für Hungerlöhne auf türkischen Baustellen und Feldern. Aber mit 67 Jahren? Abu Mahmoud lässt die Hände sinken.
"Als es losging, sind wir einfach nur in die Berge geflohen, ohne irgendetwas mitzunehmen. Wir waren, wie von Sinnen als sie anfingen, von beiden Seiten 500-Kilogramm-Bomben über unserer Stadt abzuwerfen. In einem Moment waren über 100 Menschen tot. Könnten Sie da noch an irgendwas denken? Erst später habe ich zu meiner Frau gesagt: Lass uns zurückgehen und die paar Lira holen, die wir zuhause haben. Damit kommen wir wenigstens über die Grenze."
Und da sitzen sie nun. Abu Mahmoud zeigt auf die ausgefranste Barbiepuppe in der Hand seiner Enkelin, auf die Gebetskette, deren schwarze Perlen unablässig durch seine eigenen Finger gleiten. Für die Flucht haben sie mitgenommen, was sie tragen konnten. Alles andere ist in der bombardierten Stadt geblieben. Möbel und Fernseher, Kleidung und Bücher, Familienalben und Erbstücke.
"Am Ende ist es nicht wichtig, wenn dein Hab und Gut weg ist. Das kommt vielleicht wieder. Aber deine Ehre und deine Kinder, die kommen nicht zurück."
Der alte Mann bricht in Tränen aus, wendet den Kopf ab. Seine Enkelin klemmt die Barbie unter den Arm, schleicht verschüchtert mit einem Taschentuch herbei. Ein klitzekleiner Goldstecker funkelt kurz in ihrem Ohrläppchen auf. Wenn der Winter kommt, die Temperaturen in dem Grenzstädtchen bis auf den Gefrierpunkt sinken, wird wohl auch er eines Tages im Goldbasar von Kilis landen.
Das Geschäft läuft gut, nickt Juwelier Zafer Bilik, der in seinem Zehn-Quatratmeter-Shop steht und ein Bündel Lirascheine zählt. 1300, 1400, 1500 Bilik hält kurz inne, zeigt mit der freien Hand auf ein Ehepaar draußen. "Wegen denen da”, murmelt er.
"Die verkaufen, was immer sie können, um ihr Leben zu finanzieren. Einige bieten uns ihre Eheringe an. Oder die Ohrringe und Armreifen ihrer Kinder. Eben kam einer und nahm seinem Kind vor mir den Stecker aus dem Ohr. Dem Vater zuliebe habe ich ihn gekauft – und dem Kind danach als Geschenk zurück gegeben."
‘Die da’ sind die mehr als 20.000 Syrer, die sich in den letzten Monaten in Kilis niedergelassen haben. 12.500 allein im völlig überfüllten Flüchtlingslager, andere in günstigen Wohnungen oder einfach nur im Park…
"Sie dürfen das nicht falsch verstehen. Die goldene Armreifen oder Ohrringe dieser syrischen Frauen sind nicht in dem Sinne Schmuck. Sie sind Reserven für schwierige Zeiten – so wie die heutigen. Die Syrer verkaufen hier das Gold, das sie in guten Tagen gesammelt haben, um Brot, Milch oder Reis für ihre Kinder zu kaufen."
Juwelier Bilik hat das Lirabündel in seiner Hand vergessen, nachdenklich blickt er durch die Scheibe nach draußen.
Das syrische Paar von eben kommt aus dem Laden gegenüber. Die Frau – im knöchellangen Mantel und weißem Kopftuch – legt ihrem Mann beschwichtigend die Hand auf die Schulter. Der wischt sie weg wie eine lästige Fliege.
"Syrisches Gold und türkisches Gold sind nicht gleichwertig. Das syrische Gold hat 14 bis 21 Karat. Hier haben sie 22 bis 24 Karat! Deswegen ist der Preis für das, was wir haben, geringer."
Abu Mahmoud blickt ratlos hinunter auf die faltigen Hände. "Wir müssen nehmen, was wir kriegen können", murmelt er und steuert auf den Ausgang der Basargasse zu.
Nur wenige Minuten sind es vom Goldbasar zu dem alten Haus, in dem der pensionierte Lehrer und seine 19-köpfige Familie seit zwei Monaten hausen. Die erste Kälte kriecht durch die schlecht isolierten Wände, durch die morschen Holzfensterrahmen zieht der Wind. Abu Mahmoud spielt trotzdem den stolzen Gastgeber, ganz so als säße er in seinem schönen arabischen Haus auf der anderen Seite der Grenze. Eine Enkelin kommt mit einem Tablett duftendem Kardamomkaffee herbei.
"Mein Sohn hebt in Syrien meine Rente ab und schickt sie mir hierher. Davon leben wir jetzt. Aber natürlich reicht es nicht. Es reichte vielleicht in Syrien, aber nicht hier! Dort haben wir gut 200 syrische Lira für eine Gasflasche bezahlt – hier ist es zehn Mal so viel!"
Abu Mahmoud streicht sich über das weiße Hemd. Er will nicht so aussehen, wie man sich einen Flüchtling vorstellt. "Ich würde arbeiten", sagt er, zeigt die Handflächen wie zum Beweis. Viele der über 100.000 Syrer in der Türkei schuften inzwischen für Hungerlöhne auf türkischen Baustellen und Feldern. Aber mit 67 Jahren? Abu Mahmoud lässt die Hände sinken.
"Als es losging, sind wir einfach nur in die Berge geflohen, ohne irgendetwas mitzunehmen. Wir waren, wie von Sinnen als sie anfingen, von beiden Seiten 500-Kilogramm-Bomben über unserer Stadt abzuwerfen. In einem Moment waren über 100 Menschen tot. Könnten Sie da noch an irgendwas denken? Erst später habe ich zu meiner Frau gesagt: Lass uns zurückgehen und die paar Lira holen, die wir zuhause haben. Damit kommen wir wenigstens über die Grenze."
Und da sitzen sie nun. Abu Mahmoud zeigt auf die ausgefranste Barbiepuppe in der Hand seiner Enkelin, auf die Gebetskette, deren schwarze Perlen unablässig durch seine eigenen Finger gleiten. Für die Flucht haben sie mitgenommen, was sie tragen konnten. Alles andere ist in der bombardierten Stadt geblieben. Möbel und Fernseher, Kleidung und Bücher, Familienalben und Erbstücke.
"Am Ende ist es nicht wichtig, wenn dein Hab und Gut weg ist. Das kommt vielleicht wieder. Aber deine Ehre und deine Kinder, die kommen nicht zurück."
Der alte Mann bricht in Tränen aus, wendet den Kopf ab. Seine Enkelin klemmt die Barbie unter den Arm, schleicht verschüchtert mit einem Taschentuch herbei. Ein klitzekleiner Goldstecker funkelt kurz in ihrem Ohrläppchen auf. Wenn der Winter kommt, die Temperaturen in dem Grenzstädtchen bis auf den Gefrierpunkt sinken, wird wohl auch er eines Tages im Goldbasar von Kilis landen.