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Der Absturz des Martin Kaymer

Acht Wochen lang stand er ganz oben – dann begann der langsame, aber stetige Abstieg des Martin Kaymer. Der deutsche Golfprofi stellte seinen Schwung um - doch trotz harten und intensiven Trainings kommt Kaymer einfach nicht aus der Abwärtsspirale heraus.

Von Heiko Oldörp | 29.03.2014
    Es läuft nicht bei Martin Kaymer – das ist an den Ergebnissen des 29-Jährigen abzulesen und an seinem Gesichtsausdruck. Seine bisherige Saison beschreibt der Rheinländer als:
    "Mäßig, relativ mäßig."
    In Zahlen ausgedrückt heißt das: Platzierungen zwischen Rang 33 und 58 – Kaymer ist nur noch Mittelmaß. In der Weltrangliste wird er auf Position 59 geführt. So kometenhaft, wie der Düsseldorfer einst nach oben kam, stürzt er jetzt ab.
    "Also ich habe ganz selten mal 'ne Runde gehabt die letzten Monate, wo es mal nach vorne ging. Wenn ich auf der Kante war, ob es gut oder schlecht wird, 99 Prozent wurd's immer 'ne relativ mäßige oder schlechte Runde. Und ich weiß leider den Grund nicht dafür."
    Marcel Siem ist Deutschlands zweitbester Golfer. Er kennt Kaymer seit langem und findet es unfair, wie viel Gegenwind dieser seit einiger Zeit bekommt.
    "Tut mir leid für ihn so ein bisschen was da gerade mit ihm abgeht. Da ist auch sehr viel Rummel um ihn und es wird immer alles aufgebauscht. Der hat so super gutes Golf gespielt die letzten Jahre und man soll ihn einfach mal ein bisschen in Ruhe lassen. Der hat jetzt momentan mal eine schlechte Phase und gut ist. Der wird wiederkommen, der Junge."
    Vor drei Jahren brauchte Kaymer keine aufmunternden Worte. Nachdem er im August 2010 mit der PGA Championship sein erstes Major-Turnier gewonnen hatte, stand er Ende Februar 2011 endgültig auf dem Golf-Gipfel.
    "You are looking at 26 year old Martin Kaymer, the new number one, taking over from Lee Westwood."
    Als zweiter Deutscher nach Bernhard Langer war Kaymer Branchenprimus.
    "Also Nummer eins hat sich jetzt nicht wirklich viel verändert. Ob ich jetzt noch eine Woche Nummer eins bleibe oder noch ein Jahr – für mich war's nur wichtig, irgendwann mal Nummer eins zu sein. Und klar, wusste ich, dass ich jetzt gejagt werde. Aber mir macht's Spaß, der Gejagte zu sein."
    Acht Wochen stand er ganz oben – dann begann der langsame aber stetige Abstieg. Kaymer stellte seinen Golf-Schwung um. Zwar sprach er nur von kleinen Änderungen, dennoch hatten diese große Auswirkungen auf sein Spiel. Top Ten-Platzierungen wurden immer seltener, erste Kritik kam auf. Doch im Herbst 2012 hatte Kaymer noch einmal einen ganz großen Moment. Beim prestigeträchtigen Ryder Cup holte er im Kampf der Kontinente zwischen den USA und Europa den entscheidenden Punkt zum Sieg – und krönte damit im Medinah Country Club vor den Toren Chicagos eine nicht mehr für möglich gehaltene Aufholjagd der Europäer.
    "Das ist natürlich eine Erfahrung, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde."
    Nach dem siegbringenden Putt, ballte Kaymer beide Fäuste, riss den Mund weit auf und rannte auf seine Teammitglieder zu. So intensiv hatte er seine Freude noch nie gezeigt.
    "Ich hoffe, es sah nicht zu bescheuert aus. Das waren einfach Emotionen, die aus mir rausgekommen sind. Das kann man nicht beschreiben und auch mit dem Major-Sieg nicht vergleichen, weil einfach viel, viel mehr dahintersteht."
    Die Fans feierten Kaymer und Co. und der deutsche Ryder Cup-Held sprach vom wichtigsten Putt seiner Karriere. Er hatte Nervenstärke bewiesen und sich jede Menge Selbstvertrauen erhofft.
    Doch das ist mittlerweile Selbstzweifeln gewichen. Trotz harten und intensiven Trainings kommt Kaymer einfach nicht aus der Abwärtsspirale heraus. Sein Schwung stimmt zwar mittlerweile, dafür hapert's aber im kurzen Spiel, beim Putten.
    "Es ist einfach zur Zeit sehr frustrierend und sehr träge. Also es geht alles sehr langsam voran. Und da muss man halt durch. Ich habe halt ein Tief, was, ja, sehr lange anhält."
    Selbst die Anstellung eines neuen Trainers für sein kurzes Spiel hat ihn nicht vorangebracht und Kaymer deshalb die Zusammenarbeit mit Spezialcoach Pete Cowan nach nur einem Jahr wieder beendet.
    Schon bald könnte Kaymer die Auswirkungen seiner Krise zu spüren bekommen. Da er erstmals seit sechs Jahren nicht mehr zu den Top 50 der Welt gehört, ist Deutschlands Nummer eins nicht mehr automatisch bei Turnieren gesetzt. Beim Masters in Augusta in zwei Wochen wird er hingegen dabei sein – als Gewinner der PGA-Championship 2010 hat Kaymer dort sowie bei den anderen drei Majors noch bis zum kommenden Jahr eine Start-Garantie.
    Er kann also zumindest hier noch eine Weile von den Errungenschaften seiner erfolgreichen Vergangenheit zehren.